Redeauszug der Bundestagsabgeordneten Dorothee Bär in der Haushaltsdebatte im Deutschen Bundestag zum Thema Familie, Senioren, Frauen und Jugend, 30.1.2024.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Ein Satz zu Herrn Reichardt, der eben wieder reingekommen ist: Ich fand in Ihrer Rede einen einzigen Satz wichtig und richtig, den Sie erwähnt haben. Sie haben – ich zitiere – gesagt, sie sähen Parallelen zu finstersten Zeiten. Und da gebe ich Ihnen recht – es geht uns jedes Mal so, wenn wir in Ihre Reihen schauen.
Das ist wirklich ein Wahnsinn, was Sie heute hier abgeliefert haben. Das alles hier als Verschwörungstheorie abzutun, lässt dann doch wirklich sehr tief blicken. Also: Die finstersten Zeiten gibt es leider, seitdem Sie hier im Deutschen Bundestag sitzen.
Jetzt zu dem Etat. Wir müssen leider konstatieren – meine Kollegin Silvia Breher hat es angesprochen –, dass die Ampel es zur Halbzeit geschafft hat, massiv Vertrauen zu verspielen. Ehrlicherweise haben Sie es auch in dieser Debatte – die Debatte dauert jetzt schon sehr lange – nicht wirklich geschafft, das Vertrauen in diese Bundesregierung zu stärken.
Leider Gottes haben Sie, sehr geehrte Frau Ministerin Paus, es trotz dieses Geplänkels – Frau Breher hätte was Falsches gesagt, Sie konnten es nicht korrigieren; dann habe ich Ihnen die Möglichkeit gegeben, es zu korrigieren – nicht geschafft, es inhaltlich klarzustellen. Ich muss sagen: Weder heute hier in der Replik auf die Rede von Frau Breher noch in der extrem verschwurbelten Antwort auf eine Anfrage von Frau Breher, auf die dann Frau Ekin Deligöz als Ihre Staatssekretärin geantwortet hat, noch im Rahmen unserer Nachfragen im Ausschuss konnten Sie plausibel erklären, was denn jetzt mit dieser 1 Milliarde passiert ist. Also: An drei Stellen – Plenum, Ausschuss, schriftliche Anfrage – haben Sie es nicht erklären können.
So was schafft natürlich überhaupt kein Vertrauen. Deswegen fordere ich Sie jetzt noch mal auf, zu sagen, wo denn diese 1 Milliarde herkommen soll, wo das Defizit ist. Nicht dass Sie sagen: „Nein, es ist alles nicht falsch“, sondern belegen Sie es bitte mal wirklich mit Zahlen aus dem Haushalt. Denn für 2025 ist nirgendwo was zu finden; das bestätigen uns auch unsere Haushälter.
Die zweite Korrektur – das möchte ich schon noch anmerken –: Man kann ja darüber streiten; aber was das Thema „falsche Zahlen“ betrifft, hätten Sie ein bisschen souveräner auf die Frage meiner Kollegin zum zu hohen Kinderfreibetrag eingehen können. Ich finde, wenn man die Chefin ist, ist es einfach nicht so wahnsinnig souverän, zu sagen: „Bürofehler“, oder zu sagen: „Ja, aber ich habe es doch da und da richtig gesagt.“ Obwohl es wochenlang falsch auf der Website stand, es dann Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern in die Schuhe zu schieben und nicht zu sagen: „Ich übernehme die Verantwortung, dass ich einfach was Falsches gemacht habe“, sondern nur zu sagen: „Bürofehler“, ist nicht souverän.
Wenn man ein Haus leitet, sollte man sich an dieser Stelle schon eher vor seine Mitarbeiter stellen.
Es passt natürlich insgesamt zu dieser Familienpolitik. Es passt auch zu Ihrer gesamten Politik und zu diesem ideologisch aufgeladenen Zickzackkurs – leider Gottes auf Kosten der Familien in unserem Land. Eine führende deutsche Tageszeitung, die „F.A.Z.“, hat das Ganze betitelt als – ich zitiere – „Rot-grün-gelbes Elend“. Und wenn sich die „F.A.Z.“, also keine Boulevardzeitung, zu so einer Aussage versteigt, dann scheint wohl was dran zu sein.
Unsere Gesellschaft ist in einer ganz großen Unruhe, und es wäre heute wirklich mal an der Zeit gewesen, da ein bisschen Ruhe reinzubekommen. Aber es zieht sich seit Beginn so durch. Meine Kollegin Anne Janssen hat gesagt: Man braucht schon einen festen Gottesglauben. – Ich würde sagen, es wäre vielleicht schon schön, wenn in der Familienpolitik am Anfang mal so ein roter Faden – oder in Ihrem Sinne: ein grüner Faden – zu erkennen gewesen wäre.
Ich muss schon noch mal daran erinnern: Heute wird wieder das Hohelied der Bildung gesungen, auch von der FDP. Das Erste, was gemacht wurde, war – Stichwort „Sprach-Kitas/Fachkräfteoffensive“ –, Mittel zu streichen. Es wäre von Anfang an möglich gewesen, die notwendigen Mittel für Bildung beizubehalten in einem System, das wirklich nur so perfekt funktioniert hat. Frühe Hilfen, Freiwilligendienste, Mehrgenerationenhäuser, Ganztagsausbau – die Kürzungsliste war einfach ultra-lang. Auch da wieder: Verunsicherungen, Verunsicherungen, Verunsicherungen.
Es ist doch Wahnsinn, wenn man gesehen hat – der Kollege Paul Lehrieder hat es gesagt –, wie verunsicherte junge Menschen aus ganz Deutschland sich frei nehmen und aus allen Bundesländern nach Berlin kommen, um gegen die Ampel zu demonstrieren – die auch sie gewählt haben. Es ist doch ein Wahnsinn, wie viel Hoffnung diese Menschen in Sie gesetzt haben und wie Sie mit einem Federstrich alle Hoffnungen zunichtemachen, alles Vertrauen verspielen. Das war natürlich nicht in Ordnung.
Übrig geblieben als eine Art Sonderopfer ist das Elterngeld. Da zu sagen: „Frauen müssen sich zwischen Kind und Karriere entscheiden“, war natürlich überhaupt nicht in Ordnung.
Frau Ministerin, neben den Bürofehlern, neben den Zahlenfehlern kann ich nur sagen: Die Kindergrundsicherung wird nicht funktionieren. Das sagen übrigens auch Kolleginnen und Kollegen der Ampel. Aus der FDP gibt es ja ganz kluge Vorschläge, sodass man einfach diese ganze Behörde nicht braucht. Ich hoffe, da können Sie von der FDP sich durchsetzen.
Ich fand es spannend, Frau Ortleb, dass Sie dankenswerterweise auch noch mal unser Herzensprojekt Endometriose angesprochen haben. Die Professorinnen und Professoren, mit denen wir als Unionsfraktion zusammenarbeiten, sagen: Kein einziger Cent des Geldes, das eingestellt wurde, auch schon in den letzten Haushalt, ist bislang in die Forschung abgeflossen.
Natürlich ist es toll, sich hier hinzustellen und zu sagen: Ja, wir machen das. – Aber wenn es nicht ankommt, wenn die führende deutsche Endometriosewissenschaftlerin sagt, das Geld erreiche sie nicht, die haben alle langsam keine Lust mehr, dann muss doch im Staate Dänemark nur was faul sein, in dem Fall leider in Deutschland.
Deswegen sage ich: Frau Ministerin, der Bundeskanzler hat Ihnen neulich hier in der Regierungsbefragung unterstellt, dass Familienpolitik, dass Politik für Kinder Ihr Herzensanliegen sei.
Dann zeigen Sie es bitte auch mal.
Druckversion