Das Profil von Martin Schulz bei großen innenpolitischen Herausforderungen ist nicht erkennbar. Stattdessen ist seine Vorliebe für Eurobonds bekannt. "Damit steht er für eine Vergemeinschaftung der Schulden auf europäischer Ebene. Es kann doch nicht sein, dass deutsche Steuerzahler mit ihrem Geld für die Schulden Europas verantwortlich gemacht werden", so die Vorsitzende der CSU-Landesgruppe, Gerda Hasselfeldt, im Interview mit der Schwäbischen Zeitung. Außerdem äußert sich Hasselfeldt zu den Plänen der Union und die Bundespräsidentenwahl am Sonntag.
Das Interview im Wortlaut:
Schwäbische Zeitung: Am Sonntag müssen die CSU-Wahlleute die Hand für den SPD-Politiker Frank-Walter Steinmeier heben. Wie schwer fällt Ihnen das?
Hasselfeldt: Frank-Walter Steinmeier ist ein Kandidat, der mit seiner außenpolitischen Erfahrung sehr gut für dieses Amt geeignet ist. Deshalb bin ich sicher, dass er geschlossen von der CSU unterstützt wird. Ich glaube, dass Frank-Walter Steinmeier auch immer wieder Denkanstöße geben wird, so wie seine Vorgänger auch.
Die Bundespräsidentenwahl fällt in eine Zeit, in der SPD-Mann Martin Schulz einen guten Lauf hat. Bekommt die SPD nicht dadurch weiteren Auftrieb?
Der Höhenflug des Kandidaten Schulz ist eine Momentaufnahme. Er hat noch nicht bewiesen, dass er es tatsächlich kann. Er gibt keine konkrete Antworten auf aktuelle Herausforderungen, sondern konzentriert sich auf Allgemeinplätze. Sein Profil bei den wirklich großen innenpolitischen Herausforderungen ist nicht erkennbar. Bekannt ist seine Vorliebe für Eurobonds. Damit steht er für eine Vergemeinschaftung der Schulden auf europäischer Ebene. Es kann doch nicht sein, dass deutsche Steuerzahler mit ihrem Geld für die Schulden Europas verantwortlich gemacht werden. Hilfen für die betroffenen Länder sind nur in Verbindung mit den notwendigen Strukturreformen erfolgreich.
Was passiert eigentlich gerade zwischen CSU und CDU?
Wir haben uns auf unserem Zukunftstreffen mit vielen Themen auseinandergesetzt. Einmal mehr wurde deutlich, dass wir in den zentralen Fragen die gleiche Sicht der Dinge haben.
Sind sich die beiden Schwestern noch so nah wie früher?
Ja. CDU und CSU haben gerade im vergangenen Jahr gemeinsam viele konkrete Maßnahmen in der Flüchtlingspolitik und der inneren Sicherheit beschlossen und umgesetzt. Durch die Differenz bei der Obergrenze wurde dies leider oft nicht so wahrgenommen.
In der Flüchtlingspolitik waren viele CDU-Wähler enttäuscht von Merkel, aber nicht von Seehofer. Zerreißt es die Schwesterparteien, wenn sie in unterschiedliche Richtungen gehen?
Wir sind uns in der Zielsetzung einig: Das Jahr 2015 darf sich nicht wiederholen.
Sie pochen weiter auf die Obergrenze, dabei kommen gar nicht mehr so viele Flüchtlinge. Braucht es die Obergrenze, um die AfD-Wähler abzuholen?
Die Menschen in Bayern waren von den Flüchtlingsströmen viel früher und viel unmittelbarer betroffen als in anderen Regionen Deutschlands. Dass die Aufnahmekraft Grenzen hat, war in Bayern deshalb auch sehr früh erkannt worden.
Seehofer gibt den Platz nicht frei, Merkel ist alternativlos, wieso ist es so schwierig, Alternativen aufzubauen?
Beide sind großartige Politiker. Beide sind erfahrene Persönlichkeiten, die sich mit allem, was sie haben, für die Menschen einsetzen. Im Gegensatz zur SPD müssen wir nicht nach Alternativen suchen.
Das mag sein, aber ich nehme eine andere Stimmung wahr. Gerade in diesen Zeiten, die international so bewegt sind, möchte man auf erfahrene Kräfte setzen, die außenpolitisch anerkannt sind und innenpolitisch hohe Glaubwürdigkeit verkörpern. Manche entscheiden halt eher aus dem Bauch, andere aus dem Kopf.
Was spricht denn für Merkel, Kopf oder Bauch?
Beides. Gerade ihre persönliche Glaubwürdigkeit spüren die Leute.
Dreht sich jetzt schon alles um die Bundestagswahl, oder wird in den nächsten Monaten in Berlin noch Politik gemacht?
Selbstverständlich. Wir haben noch einiges auf der Agenda, wie zum Beispiel die Sicherheitsgesetze, die neu eingebracht wurden. Aber natürlich lässt auch schon der Wahlkampf grüßen.
Die SPD drängt, hohe Manager-Boni zu beschränken. Könnte da noch etwas vereinbart werden?
Die SPD macht es sich zu einfach, wenn sie so tut, als ob man das mit einem Gesetz lösen könnte. Es sind doch SPD-Politiker, die im Aufsichtsrat bei VW sitzen und dort üppige Abfindungen mit genehmigt haben. Man muss an der Verantwortung derjenigen ansetzen, die entscheiden, also in den Aufsichtsräten.
Sie sind schon einige Jahre dabei. Ist es aus Ihrer Erfahrung heraus wirklich so viel rauer geworden als früher?
Wir haben eine schwierige weltpolitische Lage, eine, ich sage es vorsichtig, spannende Zeit in Europa. Und wir haben innenpolitisch große Herausforderungen wie die Integration der Flüchtlinge. Dazu kommen der nahende Wahlkampf und eine veränderte Informationsbeschaffung der Menschen. Die sozialen Medien spielen eine große Rolle, und im anonymen Bereich bemühen sich viele nicht mehr um normale Umgangsformen. Das beobachte ich mit großer Sorge, das wirkt sich auf das Miteinander in der Gesellschaft aus. Hier müssen wir handeln.
Sie selbst ziehen sich nach der Bundestagswahl aus der Politik zurück. Welchen Rat würden Sie Horst Seehofer in der Frage seines Nachfolgers geben?
Gar keinen. Das hat er schon gut selber im Kopf, und das kann auch nur jeder alleine entscheiden. Ich bin zuversichtlich, dass er das gut hinbekommt.
Und wie sehen die Chancen für Herrn Söder aus?
Ich beteilige mich nicht an Personalspekulationen. Entscheidungen sind dann zu treffen, wenn sie anstehen.
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