Gerda Hasselfeldt im Interview mit der Mittelbayerischen Zeitung

Die CSU-Landesgruppenvorsitzende Gerda Hasselfeldt sprach mit der Mittelbayerischen Zeitung über Fragen der Zuwanderung und die außenpolitischen Herausforderungen des neuen Jahres.

Mittelbayerische Zeitung:
Frau Hasselfeldt, zu Beginn des Jahres hat sich die CSU verständnisvoll gegenüber den Menschen gezeigt, die bei den „Pegida“-Demonstrationen mitmarschieren – im Gegensatz zu Bundeskanzlerin Merkel, die klar dazu aufgefordert hat, „Pegida“ fernzubleiben. Die Wähler könnten das als Versuch sehen, die AfD nachzuahmen. Meinen Sie nicht, dass die Menschen, dann eher das Original wählen?

Gerda Hasselfeldt:
Ich bin für eine differenzierte Betrachtung der „Pegida“. Es gibt ganz unterschiedliche Gründe, die die Menschen auf die Straße treiben. Manche von ihnen haben Ängste und Sorgen. Das dürfen wir nicht ignorieren. Andere transportieren Fremdenfeindlichkeit und Verleumdung. Mit denen haben wir nichts zu tun. Der CSU geht es nicht darum, der AfD Wähler abzuluchsen. Es geht darum, die richtigen Antworten auf die Fragen der Menschen und auf aktuelle Herausforderungen zu geben. Das tun wir zum Beispiel  mit den Vorschlägen zur Flüchtlingsfrage, die wir für die Klausurtagung in Kreuth formuliert haben.

Mittelbayerische Zeitung:
Es entsteht aber der Eindruck, dass die CDU bei diesem Thema eher die Mitte besetzt, während die CSU frei nach Franz-Josef Strauß verhindern will, dass sich rechts von ihr eine Partei etabliert. Läuft Ihre Partei nicht Gefahr, dadurch das jüngere, urbane Publikum zu verschrecken?

Gerda Hasselfeldt:
Wir setzen uns für eine ausgewogene Asylpolitik ein, so ist es auch in der Beschlussvorlage für Kreuth formuliert. Das ist genau die Linie, die wir in der CSU vertreten. Da schielen wir nicht in die eine oder andere Richtung, sondern wir machen klar: Wer wegen Krieg oder Gewalt seine Heimat verlassen muss, kann auf unsere Hilfe zählen. Wir müssen unsere Kräfte aber auf die konzentrieren, die unsere Hilfe am nötigsten brauchen. Auch deshalb ist es wichtig, die Asylverfahren effizienter zu gestalten.

Mittelbayerische Zeitung:
Gibt die CSU der „Pegida“ nicht nach, wenn Sie das Thema Asylmissbrauch und „Armutszuwanderung“ – ähnlich wie am Anfang des vergangenen Jahres – wieder hervorholt? Entwicklungsminister Gerd Müller hat ja gerade wieder suggeriert, dass die Toleranz der Menschen in Deutschland bald ausgereizt sein könnte...

Gerda Hasselfeldt:
Dass wir uns jetzt mit der Asylproblematik auseinandersetzen, hat nichts mit „Pegida“ zu tun. Das kommt von der aktuellen Situation in unserem Land. Wegen der vielen Krisenherde in der Welt kommen so viele Flüchtlinge nach Deutschland wie schon lange nicht mehr. Das ist eine riesige Herausforderung: Wir müssen einerseits den Menschen in den Krisengebieten helfen – was wir tun –, andererseits sind wir aber auch gefordert, die Flüchtlinge bei uns human aufzunehmen, ihnen Schutz zu gewähren und ihnen ein geregeltes Asylverfahren zu ermöglichen, wie es das Grundgesetz vorsieht. Um den Asylbewerbern möglichst zügig Rechtssicherheit zu bieten, wollen wir diese Verfahren im Interesse der Asylbewerber und auch der Bevölkerung straffen.

Mittelbayerische Zeitung:
Aber wie wollen Sie die Verfahren beschleunigen? Schon heute ächzen die Verwaltungsgerichte unter den Klagen gegen negative Asylbescheide...

Gerda Hasselfeldt:
Wir haben schon im vergangenen Jahr dafür gesorgt, dass im Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, das das Asylverfahren abwickelt, 350 Stellen neu geschaffen wurden. Im Jahr 2015 werden weitere 300 Stellen hinzukommen. Unabhängig davon muss es unser Ziel sein, dass über Verfahren schneller entschieden werden kann. Wir wollen, dass innerhalb weniger Wochen– im Interesse aller Asylbewerber – über einen Antrag entschieden wird. Nach Möglichkeit schon in der Zeit, in der die Asylbewerber in den Sammelunterkünften sind.

Mittelbayerische Zeitung:
Am Donnerstag hat CDU-Generalsekretär Peter Tauber gesagt, auch in Deutschland müsse man Zuwanderern vermitteln: ‚Du bist einer von uns. Wir wollen, dass du dich zu unserem Land bekennst. Wir brauchen dich‘ Warum hört man von der CSU nie so ein klares Bekenntnis zur Zuwanderung?

Gerda Hasselfeldt:
Ich kann mich nur wiederholen: Alle, die wegen Krieg, Rassismus, Gewalt ihre Heimat verlassen müssen, sind bei uns willkommen und können auf unsere Hilfe zählen. Wer allerdings keinen Asylgrund hat, muss zügig zurückgeführt werden. Da sind die Bundesländer in der Pflicht. Das Asylrecht darf nicht als Einwanderungsrecht missbraucht werden. Etwas anderes ist es bei Zuwanderern, die hier arbeiten wollen. Auch dafür gibt es klare Regeln: In der EU gilt die Freizügigkeit – und für qualifizierte Zuwanderer aus anderen Staaten gibt es die „Blue Card“. Wir sind also sehr wohl offen für Zuwanderung, aber eben nicht für Zuwanderung in unsere Sozialsysteme.

Mittelbayerische Zeitung:
Sie meinen also, wir haben keinen Nachholbedarf in Sachen Willkommenskultur?

Gerda Hasselfeldt:
Wir haben eine Willkommenskultur: Viele Ehrenamtliche in unseren Gemeinden zeigen großen Einsatz und beweisen Mitgefühl für Flüchtlinge. Das darf man nicht kleinreden. Sie sind das Gesicht des modernen, weltoffenen Deutschlands.

Mittelbayerische Zeitung:
Ein weiteres großes Thema wird auch im Jahr 2015 die Pkw-Maut sein. Es läuft da wohl auf einen Showdown mit dem Europäischen Gerichtshof heraus. Was passiert, wenn der EuGH die Maut kippt?

Gerda Hasselfeldt:
Darüber müssen wir uns keine Gedanken machen. Der Gesetzentwurf von Alexander Dobrindt istmit EU-Recht vereinbar. Das sagen nicht nur wir, das sagen auch Experten: Es gibt ja Rechtsguthaben etwa der Uni Bonn, die das belegen. Es gibt also keinen Grund, sich über ein Scheitern zu unterhalten.

Mittelbayerische Zeitung:
Abgesehen von der Pkw-Maut – was will die CSU im kommenden Jahr sonst noch in der Großen Koalition bewegen?

Gerda Hasselfeldt:
Die Außenpolitik wird ein wichtiges Thema der kommenden Jahre bleiben: Wir haben nach wie vor viele Krisenherde auf dieser Welt, mit denen wir umgehen müssen. Zum anderen wird es darum gehen, unsere wirtschaftliche Leistungsfähigkeit zu erhalten. Die konjunkturelle Entwicklung weltweit lässt uns ja nicht kalt. Wir müssen deshalb schauen, dass wir in Wachstumsbereichen wie der Digitalisierung vorankommen, damit uns andere Länder nicht davon marschieren. Und die Wettbewerbsfähigkeit unserer Wirtschaft hängt auch davon ab, ob wir das Freihandelsabkommen TTIP mit den USA unter Dach und Fach bringen können. Außerdem wollen wir keine zusätzlichen bürokratischen Vorgaben für unsere Unternehmen schaffen.

Mittelbayerische Zeitung:
Sie wollen sich also als Pro-TTIP-Partei etablieren?

Gerda Hasselfeldt:
In den vergangenen Monaten ist sehr viel über die Gefahren von TTIP spekuliert worden. Mir wird zu wenig über die Chancen gesprochen. Gerade die deutsche Wirtschaft braucht gute Exportbedingungen. Nicht nur Großkonzerne, sondern auch mittelständische Unternehmen. Eine wichtige Grundlage dafür sind der Abbau von Zöllen und einheitliche Industrienormen im Handel mit den USA – auch, damit wir international konkurrenzfähig bleiben. Das heißt aber nicht, dass unsere Standards beim Verbraucher- und Umweltschutz oder im Gesundheitsbereich Schaden nehmen dürfen. Das wird auch nicht passieren.

Mittelbayerische Zeitung:
Was soll 2015 das CSU-Element in der deutschen Außenpolitik sein?

Gerda Hasselfeldt:
Unser Entwicklungsminister Gerd Müller hat bei mehreren internationalen Krisen nicht nur gemahnt, sondern geholfen – gerade in Afrika, aber auch in der Ukraine. Dabei geht es darum die Situation dort zu verbessern, wo die Menschen leben. Mit Flucht ist den Regionen nicht geholfen. Wir sind aber auch gefordert, unsere Bundeswehr so auszustatten, dass sie den weltweiten Herausforderungen gewachsen ist. Wir wollen dafür sorgen, dass sich unsere Verteidigungsausgaben mittelfristig der Nato-Zielsetzung von zwei Prozent des Bruttoinlandsprodukts annähert.

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