Gerda Hasselfeldt im Interview mit der Stuttgarter Zeitung

Die CSU-Landesgruppenvorsitzende Gerda Hasselfeldt spricht mit der Stuttgarter Zeitung über die Kalte Progression, Pegida und die Klausurtagung in Wildbad Kreuth.

Stuttgarter Zeitung (StZ): Frau Hasselfeldt, Ihr Parteichef Horst Seehofer hat sich für einen Dialog mit den  Pegida-Demonstranten ausgesprochen. Wann fahren Sie nach Dresden?

Gerda Hasselfeldt: Man muss einerseits die Ängste der Menschen ernst nehmen. Andererseits aber auch klar sagen: Wir dulden keine Hetze, keine Verleumdung und keine Fremdenfeindlichkeit. Die große Gefahr ist, dass Menschen mit berechtigten Anliegen, von Rechtspopulisten und Fremdenfeinden instrumentalisiert werden. Darüber muss sich jeder klar sein, der bei den Demos mitläuft.

StZ: Altkanzler Schröder ruft zu einem „Aufstand der Anständigen“ auf. Würden Sie da mit marschieren?

Hasselfeldt: Es ist nicht hilfreich, die Stimmung mit Schlagworten aufzupeitschen. Wir müssen auf die Ängste der Menschen die richtigen Antworten geben. Das ist zum Teil schon erfolgt: Beispielsweise haben wir die Balkanstaaten zu sicheren Herkunftsländern erklärt. Damit dämmen wir die Einreise von Menschen ein, die keine Aussicht auf Asyl haben. Denn wir müssen unsere Kräfte auf die konzentrieren, die unsere Hilfe am dringendsten brauchen - zum Beispiel die Flüchtlinge aus Syrien und dem Irak. Auch der Kampf gegen Sozialmissbrauch ist in ein wichtiges Thema und wird von uns deshalb offensiv geführt.

StZ: Was hat die Politik versäumt, dass es überhaupt zu solchen Massenaufläufen wie Pegida kommt?

Hasselfeldt: Ich kann nur mutmaßen, was die Menschen auf die Straße bringt. Die Herausforderungen durch die hohen Zahlen an Flüchtlingen und anderen Einwanderern sind sicherlich ein Grund. Die Ursachen dafür liegen aber nicht in der Politik, sondern zum Beispiel in den Kriege in Syrien und dem Irak. Wir können nur bestmöglich auf die Folgen reagieren. Daran arbeiten wir. Erschreckt bin ich vom hohen Maß an Frustration, das bei den Protesten zum Ausdruck kommt.

StZ: Haben die etablierten Parteien den Kontakt zur Straße verloren, zum normalen Volk?

Hasselfeldt: Das wäre eine viel zu einfache Erklärung. Nicht bei allem, was im Land passiert, ist die Politik Schuld. Wir müssen die Leute aufklären, wie es zu den Flüchtlingsströmen kommt. Wir müssen ihnen sagen, dass die Flüchtlinge nicht kommen, weil sie gerne reisen. Viele von ihnen haben schlimmes Leid erlebt und ihre Heimat verloren.

StZ: Viele der Ängste, die da bekundet werden, haben nicht im Entferntesten etwas mit der Realität zu tun. Wie geht man mit solcher Ignoranz um?

Hasselfeldt: Manche Parolen sind irrwitzig, manche fremdenfeindlich, andere dumm und wieder andere berechtigt. Die Motivationen, auf die Straße zu gehen, sind sehr unterschiedlich, häufig diffus. Die berechtigten Sorgen müssen wir ernst nehmen. Für die haben wir ein offenes Ohr. Aber die Toleranz hat Grenzen. Fremdenfeindlichkeit darf in unserem Land keinen Platz haben.

StZ: Ein Vorwurf, der immer wieder zu hören ist, lautet: Deutschland sei zu duldsam mit kriminellen Ausländern und fanatischen Islamisten. Wo sehen Sie Handlungsbedarf?

Hasselfeldt: Wir leben in einem Rechtsstaat. All denjenigen, die Gewalt predigen oder volksverhetzende Propaganda betreiben, sagen wir: Das dulden wir nicht. Sie müssen die volle Härte des Rechtsstaats erfahren. Außerdem beraten wir derzeit über gesetzliche Verschärfungen, etwa um die Sympathiewerbung für terroristische Organisationen zu verbieten.

StZ: Mit der AfD ist der Union eine neue konservative Konkurrenz erwachsen. Wie können Sie verhindern, dass die Ihnen traditionsverbundene Wähler abspenstig machen?

Hasselfeldt: Die AfD ist nicht überwiegend ein Problem der Union. Alle Umfragen zeigen: Deren Wählenpotenzial kommt nicht vorrangig aus unserem Bestand. Sie speist sich aus allen Parteien. Die AfD ist ein Sammelsurium unterschiedlicher Positionen, darunter viele Protestwähler. Die Uneinigkeit zeigt sich ja auch am permanenten innerparteilichen Streit. Es würde mich nicht wundern, wenn diese ständigen Konflikte die AfD zerreißen.

StZ: Die Maut ist jetzt auf dem Weg, das wichtigste Anliegen der CSU. Wie weit reicht Ihre Geduld mit der skeptischen EU-Kommission?

Hasselfeldt: Ich bin da sehr zuversichtlich. Wir haben ein Rechtsgutachten, das eindeutig belegt: Die Maut ist mit EU-Recht vereinbar. Das entscheidet im Übrigen nicht die Europäische Kommission, sondern der Europäische Gerichtshof. Das Projekt wird nicht scheitern.

StZ: Es gibt Milliardenbedarf für Investitionen in die Infrastruktur. Die Maut bringt da im Vergleich nur bescheidene Summen, wenn überhaupt. Ist Alexander Dobrindt zu kurz gesprungen?

Hasselfeldt: Alexander Dobrindt ist der erste Verkehrsminister, dem es gelingen wird, alle an der Finanzierung der Straßen zu beteiligen, die sie nutzen. Das schafft mehr Gerechtigkeit. Sein Konzept wird allen Vorgaben gerecht: keine Mehrbelastung für deutsche Autofahrer, europarechtskonform, mehr Geld für die Straßen. Die Maut bringt in jeder Wahlperiode zwei Milliarden Euro ein – zweckgebunden für Verkehrsinvestitionen. Das ist eine beachtliche Größenordnung.

StZ: Bei der kalten Progression scheint die CSU mehr Ehrgeiz zu haben als ihre Schwesterpartei. Wie groß ist Ihr Einfluss als Antreiber der großen Koalition?

Hasselfeldt: Wir haben schon in der vergangenen Wahlperiode gezeigt, dass wir Impulsgeber der Regierung sind. Sonst gäbe es das Betreuungsgeld oder die Mütterrente bis heute nicht. Bei der kalten Progression haben wir jetzt einen festen Termin für Entlastungen gesetzt: den 1. Januar 2017. Ohne die CSU gäbe es diesen Termin nicht. Wir werden die Bürger an dieser Stelle noch in dieser Legislaturperiode entlasten.

StZ: „Wir dürfen nie satt werden, sondern hungrig bleiben“, sagt Seehofer. Wo will die CSU-Landesgruppe im neuen Jahr Akzente setzen?

Hasselfeldt: Wir sind der Garant dafür, dass die schwarze Null eingehalten wird. Das gilt auch für das Versprechen, dass es keine Steuererhöhungen geben wird. Diese beiden Eckpfeiler müssen wir immer wieder aufs Neue verteidigen. Das kostet viel Kraft. Aber wir werden nicht wackeln. Zudem müssen wir in einem schwierigen ökonomischen Umfeld darauf achten, die Wirtschaft wettbewerbsfähig zu halten. Wir stehen dafür ein, dass es keine zusätzlichen Belastungen für Unternehmen geben wird. Die CSU ist das wirtschaftspolitische Korrektiv dieser Koalition.

StZ: Vor einem Jahr kam von der CSU aus Kreuth die Ansage: „Wer betrügt, fliegt!“ Auf welche Weckrufe müssen wir uns Anfang Januar einstellen?

Hasselfeldt: Wenn wir im Januar 2014 nicht so ein klares Signal gesetzt hätten, wäre es nicht so rasch gelungen, den Sozialmissbrauch mit klaren Regeln zu begrenzen. Die wesentlichen Forderungen von damals sind heute Gesetz. Dieses Jahr legen wir Schwerpunkte auf die innere Sicherheit, die Sicherheits- und Verteidigungspolitik und die Wirtschaft.

StZ: Wie erreicht die CSU in Berlin mehr – indem sich der bayerische Löwe als Schmusekatze aufführt oder als Nebenkanzler?

Hasselfeldt: Mit konkreten Vorschlägen, guten Argumenten und klarer Kante. Manchmal kann es notwendig sein, die Dinge zuzuspitzen, um auf einen Missstand oder ein dringendes Problem aufmerksam zu machen. Dabei belassen wir es aber nicht, wie unser Kampf gegen den Sozialmissbrauch gezeigt hat. Am Ende wurden konkrete Paragrafen daraus.

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