CSU-Landesgruppenvorsitzende war zu dreitägigen Gesprächen in Rumänien

Die Vorsitzende der CSU-Landesgruppe hat sich bei dreitägigen Gesprächen in Rumänien ein Bild von der Lage in dem Land gemacht, dass derzeit in der Debatte zur Armutszuwanderung besonders im Fokus steht. Begleitet wurde Gerda Hasselfeldt dabei von den Landesgruppenmitgliedern Hans-Peter Uhl und Bernd Fabritius. Den Besuch in Rumänien hatte Gerda Hasselfeldt mit Rumäniens Staatspräsident Traian Băsescu bei Gesprächen am Rande der Münchner Sicherheitskonferenz im Januar vereinbart.

Die Tageszeitung „Die Welt“ führte im Anschluss an die Reise ein Interview mit der CSU-Landesgruppenvorsitzenden:

Die Welt:
 Frau Hasselfeldt, Sie waren gerade drei Tage in Rumänien unterwegs. Wie oft wurden Sie auf den Satz „Wer betrügt, der fliegt“ angesprochen?

Gerda Hasselfeldt:
„Ob Sie es glauben oder nicht: kein einziges Mal. Aber das Thema Abwanderung hat natürlich eine große Rolle gespielt. Ich habe mit Vertretern der rumänischen Regierung darüber gesprochen, mit welchen Problemen das Land etwa durch die Abwanderung qualifizierter Arbeitskräfte zu kämpfen hat und was zunehmende Armutsmigration für Deutschland bedeutet.“

Die Welt:
Sie wählten die Zuspitzung zum Jahreswechsel unmittelbar vor der Öffnung des deutschen Arbeitsmarktes für Rumänen und Bulgaren. Der rumänische Botschafter in Deutschland nannte ihn „populistisch“. Bereuen Sie den Satz?

Gerda Hasselfeldt:
 „In keiner Weise. Ich stehe dazu. Wir haben immer deutlich gemacht: Wir stehen voll zur Freizügigkeit, eine Einschränkung der Freizügigkeit in der EU darf es nicht geben. Genauso klar ist aber auch, dass wir Betrug zum Erschleichen von Sozialleistungen und Zuwanderung in unsere Sozialsysteme ablehnen und Sanktionsmöglichkeiten fordern. Das haben Union und SPD grundsätzlich auch bereits im Koalitionsvertrag vereinbart. Die Zuspitzung war notwendig, um eine Diskussion über das Thema voranzutreiben.“

Die Welt:
Warum sind Sie nach Rumänien gefahren?

Gerda Hasselfeldt:
 „Dafür gibt es zwei Gründe: Rumänien ist ein wichtiges EU-Land mit einer deutschen Komponente. Ich war anderthalb Tage in Herrmannstadt. Dort habe ich erfahren, wie Deutschstämmige und Rumänen gemeinsam die EU leben – in Schulen, Altenheimen und anderen Einrichtungen. Rumänien ist nicht irgendein Land weit weg, mit dem wir nichts zu tun haben. Wir haben kulturell und mittlerweile auch wirtschaftlich wieder eine enge Verbindung.“

Die Welt:
Was haben Sie über die Ursachen der Armutsmigration erfahren?

Gerda Hasselfeldt:
„Der zweite Grund für meine Reise war die Abwanderung vieler Menschen – auch Hochqualifizierter wie Ärzte in anderen EU-Staaten. Das hemmt die wirtschaftliche Entwicklung Rumäniens. Aber natürlich wollte ich auch schauen, wie groß die Armut in dem Land ist und was zur Integration der Roma in Rumänien getan wird.“

Die Welt:
In welchem Ausmaß haben Sie Armut erlebt?

Gerda Hasselfeldt:
„Wir waren in einem sehr armen Stadtviertel von Bukarest, einem sogenannten Roma-Slum. Es ist erschreckend, wie heruntergekommen es dort ist. Die Häuser sind verwahrlost, nur eine Minderheit hat Arbeit. Die Roma sind besonders von Armut betroffen. Das ist ein großes Problem in Rumänien. Das wurde uns vielfach geschildert.“

Die Welt:
Kümmert sich die rumänische Regierung genug um die Roma?

Gerda Hasselfeldt:
 „Ich habe den Eindruck, dass das Problem erkannt ist und dass man sich um die Roma bemüht. Es geht vor allem darum, dass die Regierung das von der EU zur Verfügung gestellte Geld zur Integration von Minderheiten abruft. Mittlerweile klappt das besser. Die Quote der abgerufenen Mittel steigt, allerdings von einem sehr niedrigen Niveau. In den vergangenen Jahren stand Rumänien mit einer Abrufquote von unter einem Drittel regelmäßig am Ende der EU-Länder. Hier ist also – salopp formuliert – noch Luft nach oben. Für die Integration der Roma in Rumänien muss noch deutlich mehr getan werden. Deutschland kann dabei unterstützen und tut das auch bereits an vielen Stellen.“

Die Welt:
Unterschätzen wir das Problem der Roma immer noch?

Gerda Hasselfeldt:
„Es wird lange dauern, bis das Problem gelöst ist. Das ist mir beim Besuch in Rumänien nun noch einmal deutlich vor Augen geführt worden. Die Probleme sind sehr vielschichtig. Wir müssen uns zum Beispiel auch damit beschäftigen, warum die Roma in Rumänien so schwer zu integrieren sind. Ein Grund sind wohl die zum Teil völlig unterschiedlichen Wertvorstellungen, das wurde uns bei Gesprächen mehrfach geschildert. Viele Mädchen aus Roma-Familien werden zum Beispiel bereits mit zwölf Jahren verheiratet. Das ist für uns unvorstellbar und erschreckt mich.“

Die Welt:
Eine Staatssekretärsrunde hat nun erste Vorschläge im Kampf gegen Sozialmissbrauch vorgestellt. Sind Sie zufrieden?

Gerda Hasselfeldt:
„Der Bericht zeigt, dass es richtig und notwendig war, das Thema auf die Agenda zu setzen. Mehrere unserer Forderungen finden sich im Bericht der Expertenrunde – zum Beispiel die Einführung von Wiedereinreisesperren bei Sozialbetrug oder eine Befristung des Aufenthaltsrechts für arbeitsuchende EU-Bürger. Das zeigt: Es besteht weiterhin Handlungsbedarf.“

Die Welt:
Die Grünen sehen einen Bruch mit Europarecht. Sie haben keine rechtlichen Bedenken?

Gerda Hasselfeldt:
„Wir müssen natürlich alle Fragen ohne Schaum vor dem Mund beantworten und mögliche rechtliche Probleme klären. Wir wollen nicht an der Freizügigkeit in der EU rütteln. Aber diese wird nur dann akzeptiert, wenn es gerecht zugeht und Missbrauch auch bestraft wird. Das sehen andere EU-Mitgliedstaaten übrigens genauso wie wir.“

Die Welt:
Die Ahnungslosigkeit vieler Armutsflüchtlinge wird ausgenutzt. Private Vermittler verlangen hohe Gebühren für Behördengänge oder Unterkünfte.

Gerda Hasselfeldt:
„Einen solchen Missbrauch müssen wir unterbinden. Es darf nicht sein, dass das Leid von Menschen auf dem Arbeitsmarkt oder bei der Wohnungssuche ausgenutzt wird. Da muss man genau hinschauen und bestrafen. Diesem Thema werden wir uns stärker widmen müssen. Es ist gut, dass die Staatssekretäre diesen Aspekt im Zwischenbericht herausgearbeitet haben.“

Die Welt:
Wo reichen die Vorschläge der Staatssekretäre noch nicht aus?

Gerda Hasselfeldt:
„Wir müssen die europäischen Vorgaben genau untersuchen und für Klarheit sorgen. Im Moment sind die Rechtsauffassungen in den verschiedenen Mitgliedsländern, selbst zwischen deutschen Gerichten, sehr unterschiedlich. Zum Beispiel müssen wir klarstellen, dass EU-Bürger, die allein zur Arbeitssuche in ein anderes Mitgliedsland einwandern, kein Recht auf Fürsorgeleistungen wie Hartz IV haben.“

Die Welt:
Denken Sie manchmal, dass es ein Fehler war, Rumänien so schnell in die EU zu holen?

Gerda Hasselfeldt:
„Nein. Wir haben zwar in dem Land unter anderem durch die Situation der Roma besondere Probleme. Die Entwicklung des Landes zeigt aber, dass Rumänien auf einem guten Weg ist.“

Die Welt:
Der nächste Integrationsschritt wäre die Einbindung in den Schengen-Raum. Aufgrund der Korruption und der rechtsstaatlichen Defizite sperrt sich Deutschland dagegen, die Grenzkontrollen zu Rumänien und Bulgarien abzuschaffen. Ist das richtig?

Gerda Hasselfeldt:
„Wir sollten die beiden Länder nicht länger gemeinsam betrachten. Dafür sind sie zu verschieden. Während es in Bulgarien große Schwierigkeiten mit der Rechtsstaatlichkeit und der Grenzsicherheit gibt, hat Rumänien große Anstrengungen unternommen und kann Erfolge vorweisen. Deshalb ist meines Erachtens die bisherige Doppelpacklösung nicht zwingend. Dann kann man über eine Teilaufnahme Rumäniens in den Schengenraum nachdenken, die zunächst nur die Flug- und Seehäfen betrifft. Allerdings müssen natürlich auch die anderen EU-Mitgliedstaaten einem solchen Schritt zustimmen, denn es bedarf einer einstimmigen Entscheidung.“

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