Gerda Hasselfeldt in der Debatte zur Regierungserklärung der Bundeskanzlerin

Die Vorsitzende der CSU-Landesgruppe hat in der Generalaussprache zur Regierungserklärung der Bundeskanzlerin die gute Ausgangslage betont, von der aus die Große Koalition in die Arbeit startet. Deutschland sei das Chancenland in Europa, so Gerda Hasselfeldt. Die Menschen wollten keinen Politikwechsel, sondern den Stabilitätskurs der vergangenen Jahre fortsetzen. Der Koalitionsvertrag sei dafür eine gute Grundlage, es sei nicht selbstverständlich gewesen, dass man sich auf ein solch starkes Programm für die Menschen im Land habe verständigen können. Über die Landesgrenzen hinweg, erläuterte Gerda Hasselfeldt in der Debatte auch die Haltung der Landesgruppe in Sachen Fortentwicklung der Europäischen Union. "Wir brauchen eine starkes Europa wenn es um Außen und Sicherheitspolitik, um Wirtschaftskoordinierung oder Währungsfragen und die Bekämpfung der Jugendarbeitslosigkeit geht, aber wir brauchen ein schlankes Europa wenn es um den Alltag der Bürger geht", so Gerda Hasselfeldt; die EU müsse sich nicht um jeden Duschkopf in Europa kümmern. Die Rede der CSU-Landesgruppenvorsitzenden im Wortlaut:

„Frau Präsidentin! Meine lieben Kolleginnen und Kollegen! Eines können wir zu Beginn dieser Legislaturperiode eindeutig feststellen: Das Feld ist sehr gut bestellt. Die Konjunktur hat wieder an Schwung gewonnen; die Steuereinnahmen haben einen Höchststand erreicht. Es sind wieder mehr Menschen in Beschäftigung als in früheren Jahren, und sie verdienen im Durchschnitt mehr als die Menschen in der Europäischen Union. Dies macht deutlich: Deutschland ist das Chancenland in Europa. Das ist die Ausgangsposition.

Das hängt damit zusammen, dass die Menschen fleißig sind, dass wir tüchtige Unternehmer haben, dass die Tarifpartnerschaft funktioniert. Aber es hängt auch damit zusammen, dass in den vergangenen acht Jahren unter der Führung von Angela Merkel eine gute Politik für die Menschen im Land gemacht wurde. Der Vertrauensbeweis, den sie und diese Regierungskoalition, insbesondere die Unionsfraktion, bekommen haben, macht deutlich: Die Menschen wollen keinen Politikwechsel. Sie wollen, dass der politische Stabilitätskurs der vergangenen Jahre fortgesetzt wird.

Vor genau dieser Ausgangsposition standen wir zu Beginn der Koalitionsverhandlungen. Es ist bereits von Volker Kauder und Thomas Oppermann deutlich gemacht worden, dass es wahrlich nicht selbstverständlich war, sich auf ein so starkes Programm für die Menschen im Land, für eine weitere gute Entwicklung zu verständigen. Aber uns war klar: Es ist keine Zeit, um sich zurückzulehnen, schon gar keine Zeit, um von der Substanz zu leben. Der Auftrag, den wir alle haben, ist, dieses Land und die Menschen gut zu regieren und die Herausforderungen, die vor uns stehen, mutig anzugehen. Das haben wir gemacht.

Als Erstes geht es um die zentrale Frage: Wie kann der Kurs in Richtung Vollbeschäftigung gehalten werden? Eines der wichtigsten Themen dabei war   das wurde gerade von Volker Kauder angesprochen   das Nein zu jeder Art von Steuererhöhungen. Wir hatten da zunächst unterschiedliche Positionen. Aber weil wir wissen, dass Steuererhöhungen Gift für die Wirtschaft, Gift für eine weiterhin gute Beschäftigungssituation wären, haben wir uns gemeinsam darauf verständigt, dass es keine Steuererhöhungen gibt. Dabei muss und wird es auch bleiben.

Wir haben uns auf ein Zweites verständigt, das für die weitere Beschäftigungsentwicklung von entscheidender Bedeutung ist: den Vorrang von Bildung, Forschung und Innovation. Auch dabei geht es um die Fortführung des Kurses der letzten Legislaturperiode. Damals wurden vonseiten des Bundes zusätzliche Gelder gerade für Forschung ausgegeben, und auch diesen Kurs setzen wir fort. Das, was wir in unsere Kinder und Jugendlichen, in die Köpfe der Menschen investieren, das kann niemand mehr nehmen. Es ist das Kapital unseres Landes, für eine weitere erfolgreiche Entwicklung der Menschen selbst, aber auch unserer gesamten Volkswirtschaft. Deshalb ist dies so wichtig.

Wir haben einen dritten Schwerpunkt gesetzt, auch dies in Fortführung dessen, was in der letzten Legislaturperiode begonnen wurde, und zwar auf die Verbesserung der Infrastruktur. Wir alle wissen, dass ohne eine ausreichende Verkehrsinfrastruktur wirtschaftliche Prosperität nicht stattfinden kann. Wir haben hier Nachholbedarf aus früheren Jahren. Deshalb brauchen wir zusätzliche Mittel für die Verkehrsinfrastruktur und auch eine Beteiligung derjenigen, die sich bisher nicht beteiligen, nämlich der Ausländer, die auf unseren deutschen Autobahnen fahren. Das wollen und werden wir auch realisieren.

Zu einer guten Infrastruktur gehört auch die Versorgung mit einem modernen Breitbandnetz. Deshalb ist es richtig, die Kompetenzen für die Infrastruktur, die Verkehrskompetenz und die Breitbandkompetenz, in einem Ministerium zu bündeln. Wir können es nicht zulassen, dass nur in den Ballungsgebieten, dort, wo es sich marktwirtschaftlich rechnet, eine schnelle Internetverbindung zur Verfügung steht. Jeder Unternehmer, jeder Student, jeder Schüler, jede Privatperson, auch im ländlichen Raum, hat einen Anspruch auf eine schnelle Internetverbindung. Deshalb begrüße ich es besonders, die Kommunen hier finanziell besser zu unterstützen. Ich begrüße auch die Anstrengungen einiger Länder - Bayern tut dies in vorzüglicher Weise.

Ein Viertes ist für die Beschäftigungssituation und die weitere wirtschaftliche Entwicklung von elementarer Bedeutung: die Bewältigung der Energiewende. Das ist vorhin schon mehrfach angesprochen worden. Was machen wir in diesem Bereich? Wir nehmen im Endeffekt eine Reparatur dessen vor, was insbesondere von den Grünen forciert wurde. Sie haben sich nämlich damals überhaupt nicht um den Netzausbau und den Speicherausbau gekümmert. Die Grünen haben sich auch nicht um die Preisentwicklung gekümmert, sondern einen unkoordinierten und ungebremsten Ausbau der erneuerbaren Energien betrieben. Wir haben jetzt das zu reparieren, was durch Trittin und Co an Fehlern und Defiziten hinterlassen haben. Das ist die Ausgangsposition. Nun geht es darum, die Energiewende weiter zu begleiten und dabei eben nicht nur darauf zu schauen, dass sich der Anteil der erneuerbaren Energien erhöht, sondern auch darauf, dass die Versorgung gesichert ist, und zwar auch dann, wenn die Sonne nicht scheint und der Wind nicht weht, und dass die Preise nicht davonlaufen, damit sie jeder private Verbraucher, jede Rentnerin und jeder Rentner, jeder Arbeitnehmer und jedes Unternehmen, das Arbeitsplätze zur Verfügung stellt, auch zahlen kann. Darum geht es, meine Damen und Herren; das haben wir in gemeinsamer Verantwortung zu bewerkstelligen.

Der Bundesminister hat dazu Eckpunkte vorgelegt, das sind richtige Weichenstellungen. Er wird auf Grundlage dieser Eckpunkte einen konkreten Gesetzentwurf vorlegen. Wir werden bei dieser komplizierten Materie natürlich alles diskutieren; das ist auch unsere Verantwortung. Aber eines muss klar sein: Wir müssen dieses Projekt gemeinsam begleiten. Wir alle wissen um die sehr unterschiedlichen regionalen Interessen, um die unterschiedlichen Interessen der Verbände und der betroffenen Wirtschaftszweige. Unser Augenmerk muss immer darauf gerichtet sein, die Aspekte Umweltverträglichkeit, Versorgungssicherheit, Bezahlbarkeit und Akzeptanz in der Bevölkerung unter einen Hut zu bringen. Das ist eine schwierige Aufgabe wenn es leicht wäre, hätten wir das längst erledigt, die wir gemeinsam bewerkstelligen müssen. Sie haben unsere Unterstützung bei der Bewältigung der Energiewende.

All dies ist die Grundvoraussetzung dafür, dass alle notwendigen Anpassungen im sozialpolitischen Bereich zufriedenstellend gelöst werden können. Bevor ich aber darauf zu sprechen komme, möchte ich einen weiteren Komplex ansprechen, der für die Zukunft unseres Landes von ganz entscheidender Bedeutung ist. Es geht um die Frage: Wie gehen wir mit unseren öffentlichen Finanzen um? Wie halten wir es mit unseren Haushalten? Das ist nicht nur theoretisch zu entscheiden. Es geht auch nicht darum, dass etwas auf dem Papier steht. Hier geht es vielmehr um unser Selbstverständnis, zumindest um mein Selbstverständnis, von politischer Arbeit; denn wir machen nicht nur für die heutige Generation Politik, sondern immer auch mit Blick auf diejenigen, die nach uns kommen, auf unsere Kinder und Enkelkinder. Wenn wir unsere Verantwortung, für solide öffentliche Finanzen zu sorgen, nicht ernst nehmen, dann versündigen wir uns an den nachfolgenden Generationen, an unseren Kindern und Enkeln.

Ein gutes Beispiel ist Bayern. Seit fast zehn Jahren haben wir einen ausgeglichenen Haushalt; mittlerweile sind wir bei der Tilgung der Altschulden. Auch auf Bundesebene sind wir auf einem sehr guten Weg. In diesem Jahr werden wir einen strukturell ausgeglichenen Haushalt haben und für das nächste Jahr einen ausgeglichenen Haushalt vorlegen. Das ist das Ergebnis unserer harten Arbeit in den vergangenen Jahren. Wir dürfen jetzt aber nicht stehen bleiben. Deswegen bin ich sehr dankbar, dass wir uns in den Koalitionsverhandlungen bei zunächst unterschiedlicher Ausgangsposition auf diesen Weg der Stabilität verständigt haben.

Das Gleiche gilt für Europa. Auch hier haben wir die Bundeskanzlerin hat es vorhin angesprochen in den vergangenen Jahren durch unseren Stabilitätskurs und durch die Hartnäckigkeit der Bundeskanzlerin viel erreicht. Die Situation in den Problemländern hat sich deutlich verbessert. Aber auch hier gilt es, Kurs zu halten; wir sind noch nicht über den Berg. Wir müssen immer wieder deutlich machen: Eine zu hohe Staatsverschuldung ist die Basis für eine weiter schlechte wirtschaftliche Entwicklung auf Jahrzehnte. Wir wollen eine Stabilitätsunion in Europa, statt den Weg in eine Schuldenunion zu gehen.

Das Thema Europa ist mehrfach angesprochen worden. Ich will dazu nur einige Bemerkungen machen. Trotz all der schwierigen Entscheidungen, die wir in letzter Zeit zu treffen hatten, konnten wir uns die Vorteile Europas bewusst machen und durften erkennen, welch großartiges Geschenk es ist, in der jetzigen Zeit, auch nach schwierigen Phasen in Europa, in Deutschland leben und dieses Europa weiter gestalten zu können. Die Erfahrungen aus der Geschichte haben gezeigt, dass wir ein starkes Europa brauchen, wenn es um Außen- und Sicherheitspolitik geht, wenn es um Wirtschaftskoordinierung und um Währungsfragen geht oder auch um die Bekämpfung der Jugendarbeitslosigkeit in den europäischen Ländern. Aber wir brauchen ein schlankes Europa, wenn es darum geht, den Alltag der Bürger zu gestalten. Europa muss sich nicht in jede Kleinigkeit einmischen vom Trinkwasser bis zu den Duschköpfen, sondern sollte sich auf die wesentlichen Aufgaben beschränken. Ich bin froh, dass dieser Gedanke der Subsidiarität, der früher im Wesentlichen ein Gedanke der Union war, gelegentlich sogar nur mit der CSU verbunden wurde, in Europa mittlerweile auch in anderen Parteien Platz gegriffen hat. Das begrüße ich sehr.

Ich begrüße auch wenn ich das sagen darf das große Verständnis für die CSU-Position zur Freizügigkeit in Europa, das heute mehrere Redner zum Ausdruck gebracht haben. Ich betone es hier noch einmal: Ich stehe mit meiner Partei voll zur Freizügigkeit in Europa. Niemand in meiner Partei stellt das infrage, niemand.

Aber wir wollen keinen Missbrauch der Freizügigkeit, und wir müssen eine Antwort geben auf die Klagen der Kommunen und Städte über die Situation vor Ort. Ich bin sehr dankbar dafür, dass sich der Staatssekretärsausschuss dieser Probleme annimmt und eine Lösung sucht.

Das ist eine notwendige und richtige Konsequenz. Wenn wir vorhandene Probleme nicht ansprechen, dann brauchen wir uns nicht darüber zu wundern, dass sich am rechten und am linken Rand unserer Gesellschaft Kräfte tummeln, die wir alle miteinander nicht haben wollen.

Ich will noch einen Komplex ansprechen. Unser Land lebt ganz wesentlich vom gesellschaftlichen Zusammenhalt, vom Zusammenhalt der Generationen, vom Zusammenhalt der unterschiedlichen sozialen Gruppierungen. Deshalb ist es uns wichtig, den Stellenwert der Familie und den Stellenwert der Erziehung immer wieder deutlich herauszustellen. Wir haben dafür gekämpft, dass das, was in der letzten Legislaturperiode erreicht wurde, nicht reduziert wird. Das haben wir geschafft. Außerdem haben wir dafür gekämpft, dass bei der Rentenversicherung die Erziehungszeiten derjenigen, die vor 1992 Kinder geboren haben, besser anerkannt werden, als das früher der Fall war.

Das sind wir den Müttern dieser Generation schuldig, die unter viel schwierigeren Bedingungen als heute ihre Kinder großgezogen haben, die häufig gezwungen waren, auf Erwerbstätigkeit zu verzichten und deshalb niedrigere Renten haben.

Wir vergessen ferner weder diejenigen, die pflegebedürftig sind, noch diejenigen, die die Pflegebedürftigen pflegen, egal ob in den Familien oder hauptberuflich, stationär oder ambulant. Deshalb wird uns das große Werk der Reform der Pflegeversicherung stark in Anspruch nehmen.

Wir vergessen auch die Menschen mit Behinderungen nicht. In diesem Zusammenhang denken wir auch an die Kommunen; denn wir wissen sehr wohl, dass die Leistung für behinderte Menschen, die Eingliederungshilfe, nicht eine kommunalpolitische Leistung ist, sondern eine Leistung, die in den Verantwortungsbereich aller Ebenen fällt, des Bundes, der Länder und der Kommunen. Deshalb werden wir mit dem Bundesleistungsgesetz auch hier ein Zeichen setzen.

Wir haben bei all diesen Themen eine gemeinsame Verantwortung in diesem Land. Gemeinsame Verantwortung bedeutet aber nicht, dass man über unterschiedliche Positionen nicht kontrovers diskutieren darf. Zu einer Demokratie gehört Meinungsvielfalt, auch einmal Streit im guten Sinne des Wortes. Man darf auch einmal innerhalb einer Partei oder einer Koalition streiten; das sind wir den Menschen schuldig. Das geschieht aber immer unter dem Gesichtspunkt, dass wir alle miteinander, egal welcher Partei, den Auftrag haben, den Menschen zu dienen und dafür zu sorgen, dass es ihnen noch besser geht als heute schon. Das sind Auftrag und Verpflichtung dieser Koalition."

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