Gerda Hasselfeldt im Interview mit der Rheinischen Post

Vor der Schlussphase der Beratungen über eine Koalition zwischen CDU, CSU und SPD im Bund hat sich die Vorsitzende der CSU-Landesgruppe im Interview mit der Rheinischen Post vom 25. November geäußert. Dabei betont Gerda Hasselfeldt, dass im Koalitionsvertrag bei einem Wählervotum von 42 Prozent Zustimmung für die Union eine deutliche Handschrift der Union erkennbar sein müsse.

Rheinische Post:
95 Prozent für Horst Seehofer bei der Wiederwahl als CSU-Chef – wird er jetzt auch bei den Verhandlungen im Bund kraftvoller auftreten?

Gerda Hasselfeldt:
Das ist ein hervorragender Vertrauensbeweis. Er zeigt, dass die Partei geschlossen und hochmotiviert hinter dem Parteivorsitzenden steht. Natürlich stärkt das den Rücken für die Verhandlungen in Berlin. Auch wenn wir in einer Koalition in dem einen oder anderen Punkt Kompromisse eingehen müssen: Nach einem Wählervotum von 42 Prozent für die Union muss es am Ende um unsere Handschrift gehen.

Rheinische Post:
Gab es 95 Prozent für das „schnurrende Kätzchen“ oder für den „brüllenden Löwen“ aus Bayern?

Gerda Hasselfeldt:
Das galt der gesamten Arbeit des Parteivorsitzenden. Die Partei ist stolz auf die Erfolge unter seiner Verantwortung. Ob „schnurrend“ oder „brüllend“, er hat das Mandat, die Belange der bayerischen Bevölkerung in Berlin zur Geltung zu bringen.

Rheinische Post:
Wird es einen gesetzlichen flächendeckenden Mindestlohn in Deutschland geben?

Gerda Hasselfeldt:
Auch wir haben immer gesagt: Jeder muss von einer Vollzeitbeschäftigung leben können. Die Details müssen wir noch festlegen, aber klar ist, dass der künftige Mindestlohn keine Arbeitsplätze gefährden und die Verantwortung der Tarifpartner nicht beschneiden darf.

Rheinische Post:
Glauben Sie, dass Sie mit den Verhandlungen am Mittwoch tatsächlich fertig sind?

Gerda Hasselfeldt:
Das ist unser gemeinsames Ziel, und ich bin auch sehr zuversichtlich, dass wir dies erreichen werden.

Rheinische Post:
Könnte eine zusätzliche Verhandlungsnacht der SPD wichtig sein, auch aus optischen Gründen?

Gerda Hasselfeldt:
Im Vordergrund sollten nicht optische Gründe stehen, sondern die Inhalte. Alle Themen sind angesprochen, und in vielen Bereichen haben wir uns schon aufeinander zubewegt. Da braucht es keine taktischen Spielchen.

Rheinische Post:
110 Streitpunkte haben Sie noch – da müssten sie ja alle fünf Minuten einen Konflikt lösen?

Gerda Hasselfeldt:
Nicht alle Streitpunkte sind gleich gewichtig, nicht bei allen sind wir gleich weit auseinander. Bei vielen offenen Punkten handelt es sich ja um Finanzierungsfragen, die in einem Gesamttableau zu entscheiden sind. Manches wie den Mindestlohn werden wir noch intensiver diskutieren müssen, dafür kann einiges vielleicht ganz entfallen.

Rheinische Post:
Wie groß ist die F-Liste der Finanzierungswünsche wirklich? Weit über 50 Milliarden? Und wie groß ist der Spielraum?

Gerda Hasselfeldt:
Der finanzielle Spielraum ist vor allem in den nächsten beiden Jahren sehr gering. Wir dürfen die gute wirtschaftliche Entwicklung nicht gefährden und müssen die Anliegen der jungen Generation fest im Blick haben. Deshalb kann es keine Steuererhöhungen und keine neuen Schulden geben.

Rheinische Post:
Mitten in die Schlussphase der Verhandlungen mit der SPD platzt die Entscheidung für Schwarz-Grün in Hessen. Was bedeutet das für Berlin?

Gerda Hasselfeldt:
Nach intensiven Sondierungen haben die Freunde in Hessen die größten Schnittmengen mit den Grünen gesehen. Das respektiere ich. Aber auf die Verhandlungen im Bund hat das keine unmittelbaren Auswirkungen.

Rheinische Post:
Wird es nach einem Erfolg in vier Jahren zu einem Modell für den Bund?

Gerda Hasselfeldt:
Lassen Sie uns abwarten, wie sich die Dinge entwickeln. Eine Prognose wäre verfrüht. Wir hatten bereits intensive, interessante und durchaus angenehme Sondierungsgespräche mit den Grünen. Diese haben sich gegen Verhandlungen entschieden und uns inakzeptable Steuererhöhungen zur Bedingung machen wollen.

Rheinische Post:
Legen Sie neue Sondierungen mit den Grünen auf, wenn die große Koalition im SPD-Mitgliederentscheid scheitert, oder steuern Sie dann direkt auf Neuwahlen zu?

Gerda Hasselfeldt:
Das haben wir jetzt nicht zu entscheiden. Erst einmal müssen wir die Verhandlungen mit den Sozialdemokraten zu einem guten Ergebnis führen. Der Mitgliederentscheid ist Sache der SPD. Klar ist: Wir wollen eine Koalitionsvertrag für Deutschland, nicht für die Basis der SPD.

Rheinische Post:
Empfinden Sie es als beruhigend, dass die Grünen signalisieren, die Tür sei nicht zugenagelt?

Gerda Hasselfeldt:
Ich habe nichts anderes erwartet.

Rheinische Post:
Bekommen Kritiker des Euro-Kurses von Angela Merkel nun mehr Gewicht in der Landesgruppe unter einem stellvertretenden Parteivorsitzenden Peter Gauweiler?

Gerda Hasselfeldt:
Die CSU hat bei Europa und beim Euro immer schon mehr Diskussionen geführt als andere Parteien. Das werden wir auch in Zukunft tun. Es ist gut, breit aufgestellt zu sein. Wir sind stolz darauf, den europäischen Einigungsprozess von Anfang an aktiv mitgestaltet zu haben. Aber wir wollen ein stabiles Europa. Die EU sollte sich auf weniger und wesentliche Aufgaben konzentrieren. Die Beschlüsse der Landesgruppe zu Europa, etwa in Kreuth, hat Peter Gauweiler mitgetragen und mitvertreten…

Rheinische Post:
… aber zu den Rettungsschirmen sagte er nein und er klagte sogar in Karlsruhe gegen Merkels Euro-Position….

Gerda Hasselfeldt:
Bei einzelnen Entscheidungen hat er in Berlin sein Veto eingelegt. Aber die große Parteilinie in der Europapolitik, an der er intern mitgewirkt hat, vertreten wir gemeinsam.

Rheinische Post:
Ist ein CSU-Vize Gauweiler der Versuch, potenzielle AfD-Wähler an die Union zu binden?

Gerda Hasselfeldt:
Die Anti-Euro-Parolen der AfD sind verantwortungslos. Wir setzen uns auch mit den Europakritikern auseinander und erklären den Menschen unsere Vorstellungen für ein stabiles Europa. Da stellen wir uns auf eine intensive Herausforderung gerade in den nächsten Monaten vor der Europawahl ein.

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