CSU-Landesgruppenvorsitzende warnt SPD vor zu viel Selbstbeweihräucherung.

Im Interview mit der Tageszeitung "Die WELT" nimmt die CSU-Landesgruppenvorsitzende Gerda Hasselfeldt Stellung zum aktuellen Stand der Koalitionsverhandlungen und dem am 22. November beginnenden zweitägigen CSU-Parteitag in München. Gerda Hasselfeldt warnt dabei die SPD davor, nicht bei jeder Detaileinigung der Koalitionsverhandlungen in Selbstbeweihräucherung zu versinken und nur an Parteiinteressen zu denken. Es gehe darum eine verantwortungsvolle Politik für das ganze Land und nicht nur für ein paar hunderttausend SPD-Mitglieder zu machen.

Die Welt:
Frau Hasselfeldt, sehnen Sie den Tag auch herbei, da wieder richtige Politik gemacht wird?

Gerda Hasselfeldt:
Es wird Zeit, dass wir zu einem Ergebnis kommen. Wir sollten in der nächsten Woche fertig werden. Die SPD hat es ja für nötig befunden, noch einen Mitgliederentscheid durchzuführen. Das verzögert die Regierungsbildung wohl noch einmal um zwei Wochen.

Die Welt:
War es ein Fehler, die Verhandlungen so lange anzulegen? Die SPD wird ja nun nicht gerade konzilianter.

Gerda Hasselfeldt:
Die Verhandlungen dauern nicht länger als bei den letzten Koalitionen. Schon 2005 hat es über 60 Tage bis zur Regierungsbildung gedauert. Aber ich gebe zu, es fühlt sich diesmal vielleicht länger an. Letztlich hat es die SPD zu verantworten, dass durch den Mitgliederentscheid eine Art Vakuum entsteht.

Die Welt:
Aber noch nie verhandelten 77 Politiker miteinander. Das macht die Konsensfindung schwierig.

Gerda Hasselfeldt:
Das bringt auch Vorteile. Viele sind eingebunden, die andernfalls wohl darauf verweisen würden, dass nur eine kleine Runde entschieden hat. An dem Tisch sitzen fast alle Ministerpräsidenten. Wo sie jetzt zustimmen, da können sie später im Bundesrat nicht ablehnen. Das erleichtert künftiges Regierungshandeln, macht die Verhandlungen aber derzeit nicht leichter. Wir haben bei der Koalition mit der FDP aus heutiger Sicht den Fehler gemacht, dass wir nicht intensiv genug beraten haben und mancher Dissens uns später das Regieren erschwert hat. Ich möchte einen Koalitionsvertrag, der so konkret ist wie möglich.

Die Welt:
Was wird das erste Vorhaben sein, das die neue Regierung angehen muss?

Gerda Hasselfeldt:
Die Energiewende ist das erste Projekt, das angegangen werden muss. Aber auch die Mütterrente muss zu den ersten Maßnahmen gehören. Sie soll schnellstmöglich in Kraft treten.

Die Welt:
Sie haben in der vergangenen Legislaturperiode dafür geworben, die Kompetenzen der Energiepolitik in einem Haus, ja in einem Energieministerium zusammenzuziehen. Treten Sie weiter dafür ein?

Gerda Hasselfeldt:
Es spricht nach wie vor vieles dafür, die Kompetenzen in der Energiepolitik zu bündeln. Durch die Zuständigkeit von mehreren Ressorts ergeben sich Reibungsverluste. Sie müssen künftig vermieden werden. Ich bin optimistisch, dass sich diese Sicht durchsetzt.

Die Welt:
Sie selbst werden in Ministerlisten geführt. Haben Sie überhaupt Interesse, Ministerin zu werden?

Gerda Hasselfeldt:
Ich bleibe Vorsitzende der CSU-Landesgruppe. Dafür bin ich für die Legislaturperiode gewählt. Die Position erfüllt mich mit großer Freude. Ich spüre zudem großen Zuspruch von den Kolleginnen und Kollegen.

Die Welt:
Horst Seehofer scheint Gefallen daran zu finden, die CSU-Minister Friedrich und Ramsauer in den Koalitionsverhandlungen bloßzustellen. Warum mobbt er die eigenen Leute?

Gerda Hasselfeldt:
Das tut er nicht. Wir haben eine offene Diskussionskultur.

Die Welt:
Horst Seehofer hat Alexander Dobrindt als Minister gesetzt. Was kann Dobrindt besonders gut?

Gerda Hasselfeldt:
Alexander Dobrindt hat den Wahlkampf hervorragend gemanagt. Er ist ein strategischer, politisch kluger Kopf. Er kann und soll in Berlin Verantwortung übernehmen.

Die Welt:
Bekommt die CSU wieder drei Ministerien, dann könnte am Ende keine Frau dabei sein. Ist das für eine Partei, die gerade eine Frauenquote für die Wirtschaft mitträgt und sich selbst eine gegeben hat, eigentlich hinnehmbar?

Gerda Hasselfeldt:
Bin ich denn keine Frau?

Die Welt:
Aber Sie werden nicht Ministerin.

Gerda Hasselfeldt:
Der Vorsitz der Landesgruppe ist im Zweifel sogar einflussreicher. Wer hätte vor ein paar Jahren noch gedacht, dass die Landesgruppe von einer Frau geführt wird. Die CSU ist hier ganz unverkrampft. Wir haben in der Landesgruppe heute ein Viertel Frauen, in Bayern viele Ministerinnen. Frauen haben bei uns alle Chancen. Im Gegensatz zu manchem politischen Mitbewerber brauchen wir keine Quote. Wir gehen das ganz selbstbewusst an.

Die Welt:
Die Lösung für die Frauenquote in Aufsichtsräten ist nahe am Unionskonzept. Nur merkt es keiner. Manuela Schwesig feiert den Kompromiss als SPD-Werk. Warum ist die Kommunikation der Union so schlecht?

Gerda Hasselfeldt:
Die Union hat bei der Frauenquote gut verhandelt, das ist richtig. Wir stellen uns aber nicht hin und feiern jeden einzelnen Beschluss als unser großes Werk. Ich warne die SPD, es mit der Selbstbeweihräucherung zu übertreiben. Die Tonlage stört mich, wir sind nicht mehr im Wahlkampf. Die Union hat fast 42 Prozent Zustimmung bekommen, die SPD nur 25 Prozent. Wer auf einem Tandem hinten sitzt, kann nicht lenken.

Die Welt:
Horst Seehofer sagt, ihm sei vor Neuwahlen nicht bange. Welchen Preis sind Sie nicht bereit zu zahlen?

Gerda Hasselfeldt:
Die Union ist von mehr als 18 Millionen Menschen gewählt worden, die unser Wahlprogramm und unsere bisherige Politik richtig fanden. Kernpunkte dieses Programms sind: keine neuen Schulden, keine Steuererhöhungen. Wir haben dabei insbesondere die junge Generation und die weitere gute wirtschaftliche Entwicklung im Blick. Für die CSU sind daneben die Mütterrente, die Maut für Ausländer und die Fortführung der bisherigen Familienpolitik maßgeblich. Mit unserer Linie brauchen wir, sollte die SPD Neuwahlen provozieren, vor einem erneuten Wählervotum keine Angst zu haben.

Die Welt:
Wann haben sie sich über die SPD am meisten geärgert?

Gerda Hasselfeldt:
Es darf jetzt nicht nur um Parteiinteressen gehen. Wir haben dagegen die Sache, das Land und die Menschen fest im Blick. Wenn man nur an die eigenen Mitglieder denkt, verliert man den Wählerauftrag aus dem Auge – nämlich Politik für alle Menschen in diesem Land zu machen. Es kann nicht sein, dass ein paar Hunderttausend SPD-Mitglieder wichtiger sind als 18 Millionen Wähler. Darüber hinaus ist die Öffnung zur Linkspartei zum jetzigen Zeitpunkt unerhört. Das hat nicht dazu beigetragen, das Vertrauen zu stärken. Und Vertrauen ist notwendig für eine gute Zusammenarbeit. Diese Koalition ist kein Selbstläufer. Die SPD muss zeigen, dass sie es ernst meint mit dem Regierungsauftrag.

Die Welt:
Bleibt ihnen die SPD vier Jahre treu?

Gerda Hasselfeldt:
Das erwarten die Bürger jedenfalls – zu Recht.

Frage:
Wie geht es der CSU eigentlich damit, dass sie mit ihren Stimmen eine Familienministerin Manuela Schwesig wählen soll. Schwesig hat unter anderem das Betreuungsgeld immer als Herdprämie bezeichnet und ihr Familienbild abgekanzelt.

Gerda Hasselfeldt:
Frau Schwesig und die CSU sind sicher keine engen Freundinnen. Aber entscheidend ist die Linie in der Familienpolitik. Und die Linie trägt deutlich die Handschrift der Union, gerade der CSU. Das Betreuungsgeld wird es weiterhin geben. Die Ehe bleibt etwas anderes als die Lebenspartnerschaft. Ein volles Adoptionsrecht für eingetragene Lebenspartner lehnen wir ab. Wer auch immer Minister wird, muss sich darauf einstellen, eine gute Portion CSU-Familienpolitik zu machen.

Die Welt:
Die Kanzlerin hat die CSU immer wieder aufgefordert, ein Konzept für die Ausländermaut vorzulegen. Bisher gibt es keines. Warum?

Gerda Hasselfeldt:
In Koalitionsverhandlungen geht es um die große Linie und nicht darum, konkrete Gesetzestexte zu schreiben. Und die Grundzüge sind klar: Wir wollen eine Maut für Ausländer. Die deutschen Autofahrer sollen nicht weiter belastet werden. Das ganze muss selbstverständlich EU-Recht entsprechen. Die Zeit drängt, wir brauchen dringend mehr Geld für die Straßen. Wir werden das Projekt deshalb nicht auf die lange Bank schieben.

Die Welt:
Am Freitag trifft sich die CSU zum Parteitag in München. Die Veranstaltung dauert nur wenige Stunden. Haben Sie nichts zu besprechen?

Gerda Hasselfeldt:
Wir haben keine internen Konflikte auszutragen. Es geht uns gut. Außerdem haben wir einen Wahlparteitag: Wir wählen den Vorsitzenden und den Vorstand.

Die Welt:
Also eine Triumphveranstaltung für Horst Seehofer.

Gerda Hasselfeldt:
Selbstbewusstsein ist gut und richtig. Überheblichkeit wäre ein Fehler.

Die Welt:
Die Kanzlerin wird in München ebenfalls sprechen. Bieten Sie ihr doch die Ehrenmitgliedschaft der CSU an. Sie haben doch auch wegen ihr gewonnen.

Gerda Hasselfeldt:
Ob mit oder ohne Ehrenmitgliedschaft: Die Bundeskanzlerin ist bei uns immer willkommen – und ich weiß, dass sie sich bei der CSU stets wohlfühlt.

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