Die Vorsitzende der CSU-Landesgruppe, Gerda Hasselfeldt, im Interview mit der Mittelbayerischen Zeitung

Vor der bevorstehenden Winterklausur in Wildbad Kreuth sprach Gerda Hasselfeldt im Interview mit der Mittelbayerischen Zeitung über die Fortentwicklung der Europäischen Union, die Energiewende und die Arbeit der Koalition in Berlin.

Mittelbayerische Zeitung: Frau Hasselfeldt, Sie haben angekündigt, nicht zu früh in den Wahlkampf starten zu wollen. Warum?
Gerda Hasselfeldt: Wir haben Regierungsverantwortung, wir sind gewählt, um die Probleme des Landes zu lösen. Diese Verantwortung müssen wir in erster Linie wahrnehmen. Anders als die Opposition, die insbesondere mit ihrer Verweigerungshaltung im Bundesrat nur noch parteitaktisch handelt.
 
Mittelbayerische Zeitung: Aber eigentlich läuft der Wahlkampf doch bereits. FDP-Chef Rösler denkt über Privatisierungen von Staatsbetrieben nach, die SPD will eine 30-Stunden-Woche für junge Eltern und die CSU im Bundestag will sich für einen Bürokratieabbau in der EU stark machen. Das Papier dazu soll bei der Klausur der Landesgruppe in Wildbad Kreuth verabschiedet werden. Also sind Sie ja doch schon mitten im Wahlkampf...
Gerda Hasselfeldt: Das hat nichts mit Wahlkampf zu tun, sondern mit der notwendigen Weiterentwicklung in Europa. Wir haben uns in den vergangenen Monaten intensiv mit der Bewältigung der Staatsschuldenkrise beschäftigt. In Kreuth wollen wir jetzt darüber sprechen, dass die Sparanstrengungen nicht nur in den einzelnen Ländern unternommen werden müssen, sondern dass die EU insgesamt auch mit einem guten Beispiel vorangehen sollte.
 
Mittelbayerische Zeitung: Der Vorschlag klingt, als sei die EU zu groß, zu teuer und zu wenig effektiv. Ist das der Fall?
Gerda Hasselfeldt:  Die EU-Institutionen sollten sich selbst an das halten, was den Euro-Krisenstaaten auferlegt wird: sparsamer Umgang mit Steuergeldern. Da wir derzeit in den Verhandlungen über den mehrjährigen Finanzrahmen der EU sind, liegt es doch auf der Hand, sich mit diesem Thema zu beschäftigen.
 
Mittelbayerische Zeitung: Aber ist es nicht so, dass die EU-Verwaltungskosten nur einen ganz geringen Prozentsatz des EU-Budgets ausmachen?
Gerda Hasselfeldt:  Trotzdem ist es richtig zu prüfen, ob wirklich jedes Mitgliedsland einen eigenen Kommissar nach Brüssel entsenden muss oder ob es nicht sinnvoll ist, Fachbereiche zusammenzulegen. Es sollte sich nach den Aufgaben richten, wie viele Kommissare es geben muss. Nicht umgekehrt. Dort, wo es möglich ist zu sparen, sollten wir das tun. Zudem sollte sich die EU auf die Dinge konzentrieren, die politisch wesentlich sind und für die sie auch zuständig ist.
 
Mittelbayerische Zeitung: Aber Deutschland soll weiterhin einen eigenen Kommissar entsenden können?
Gerda Hasselfeldt:  Details müssen noch geklärt werden. Vorstellbar ist aber schon, ein Verfahren zu entwickeln, das großen Ländern einen permanenten Sitz in der Kommission zusichert. 
 
 
Mittelbayerische Zeitung:  Ein weiteres Thema der Klausurtagung neben der Schuldenkrise soll die Energiewende sein. Wird es hier trotz der anstehenden Wahlen im kommenden Jahr noch Bewegung geben, etwa beim Strompreis?
Gerda Hasselfeldt:  Sowohl die Strompreisentwicklung als auch die Versorgungssicherheit werden eine Rolle in Kreuth spielen. Vor allem um die Stromversorgung sicher zu stellen brauchen wir eine bessere Abstimmung zwischen den Erzeugern regenerativer und konventioneller Energieträger. Deswegen haben wir neben Umweltminister Peter Altmaier (CDU) auch den Vorstandvorsitzenden von  E.ON, Johannes Theyssen, und Hildegard Müller, die Vorsitzende der Hauptgeschäftsführung des Bundesverbands Energie- und Wasserwirtschaft, zu Gast.
 
 
Mittelbayerische Zeitung: Bei der Energiewende hakt es in vielen Bereichen. Woran liegt das: am CDU-Umweltminister oder an FDP-Wirtschaftsminister Philipp Rösler?
 
Gerda Hasselfeldt: Umweltminister Peter Altmaier und Wirtschaftsminister Philipp Rösler sind beide bestrebt, zu einer einheitlichen Linie zu finden. Das ist nicht immer einfach. Die Energiewende ist eine Mammutaufgabe. In der nächsten Legislaturperiode wäre ein eigenes Energieministerium notwendig, bei dem die Kompetenzen konzentriert und gebündelt werden können. 
 
 
Mittelbayerische Zeitung: Unter welcher Führung sollte dieses Ministerium sein?
Gerda Hasselfeldt: Das werden wir nach der Wahl sehen.
 
 
Mittelbayerische Zeitung: Wie läuft denn die Zusammenarbeit mit der FDP, die derzeit nur knapp um die fünf Prozent in den Umfragen hat und an ihrem Parteichef zweifelt?
Gerda Hasselfeldt: Die Zusammenarbeit läuft besser, als das in der Öffentlichkeit immer behauptet wird. Die Erfolge der Koalition liegen doch auf der Hand. Dem Land geht es gut! Die Beschäftigungsentwicklung ist so gut wie noch nie. Das alles ist nicht vom Himmel gefallen, es ist das Ergebnis einer erfolgreichen Arbeit in dieser Koalition. Wenn es auch in Detailfragen manchmal Unterschiede geben mag, so sind die Schnittmengen zwischen Union und FDP groß. Deswegen bin ich auch für eine Fortsetzung dieser Koalition nach der Wahl.
 
Mittelbayerische Zeitung:  Und wenn es für die FDP nicht reicht?
Gerda Hasselfeldt: Ich bin sicher, dass die FDP die Fünf-Prozent-Hürde übersteigen wird. Deshalb brauchen wir auch nicht über einen Plan B zu diskutieren.
 
Mittelbayerische Zeitung: Die CSU setzt sich für eine Besserstellung bei der Rente für Mütter ein, deren Kinder vor 1992 geboren wurden, der CDU-Finanzminister zieht aber nicht recht. Wird es vor der Wahl noch Bewegung geben?
 
Gerda Hasselfeldt: Für die CSU sind die Mütterrenten ein prioritäres Anliegen. Es ist verständlich, dass der Bundesfinanzminister die Finanzierbarkeit anmahnt. Aber deswegen müssen wir trotzdem eine Lösung finden. Ich hoffe sehr, dass dies im kommenden Jahr gelingen wird, notfalls durch eine schrittweise Besserstellung.
 
Mittelbayerische Zeitung:  Welches Signal wollen Sie aus Kreuth senden?
Gerda Hasselfeldt: Unser Signal heißt: Wir sind in der CSU insgesamt gut aufgestellt. Wir sind in einer guten Ausgangsposition, die Menschen vertrauen uns und unseren führenden Politikern. Dafür sind wir dankbar, aber es ist kein Grund, uns auszuruhen oder gar übermütig zu werden. Es ist für mich eher der Auftrag, unsere Arbeit solide fortzuführen.
 
 
Mittelbayerische Zeitung:  Ist es dabei hilfreich, dass der Parteivorsitzende Horst Seehofer öffentlich über führende Parteimitglieder herzieht?
Gerda Hasselfeldt: Das ist ausgestanden. Es hat einige Irritationen gegeben, die aber nach wenigen Tagen bereinigt wurden.
Mittelbayerische Zeitung: Wie ist Ihr persönliches Verhältnis zum Parteivorsitzenden?
Gerda Hasselfeldt: Es ist sehr gut und vertrauensvoll, und das gilt auch für die Zusammenarbeit zwischen Parteizentrale und Landesgruppe in Berlin. Dass es manchmal unterschiedliche Meinungen und Schwerpunkte gibt, liegt in der Natur der Sache. Im Übrigen wäre es auch langweilig und unproduktiv, wenn alle immer derselben Meinung wären.

Interview: Christian Kucznierz

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