Gerda Hasselfeldt im Interview mit dem Bayernkurier

Die Vorsitzende der CSU-Landesgruppe erläutert im Interview mit dem Bayernkurier die erfolgreiche Arbeit der christlich-liberalen Koalition und die wichtigsten Punkte der Agenda für die kommenden Monate bis zur Bundestagswahl. Die Landesgruppenchefin kritisiert dabei mit deutlichen Worten, die Verweigerungshaltung von SPD und Grünen bei wichtigen Projekten im Bundesrat, die für Gerda Hasselfeldt nur folgenden Schluss zulässt:"SPD und Grüne haben sich von den Arbeitnehmern und vom Klimaschutz verabschiedet."

Frage: Zehn Monate vor der Bundestagswahl – wie schätzen Sie die Lage der Koalition ein? Können Sie das Diktum der Kanzlerin, diese Regierung sei die „erfolgreichste seit der Wiedervereinigung“, mit Fakten belegen?

Gerda Hasselfeldt:
Dass Deutschland derzeit so gut dasteht, ist maßgeblich das Verdienst dieser Bundesregierung und vor allem auch dieser Bundeskanzlerin. Seitdem die Unionsparteien 2005 die Regierungsverantwortung übernommen haben, werden wir weltweit für unsere erfolgreiche Politik, die Wachstum und Haushaltskonsolidierung verbindet, bewundert. Wir sind und bleiben die Wirtschafts- und Wachstumslokomotive in Europa. Den Menschen geht es gut. Trotz Krise ist es uns gelungen, den Arbeitsmarkt stabil zu halten: Wir haben die höchste Erwerbstätigenzahl und die niedrigste Arbeitslosenquote seit der Wiedervereinigung, es gibt mehr Lehrstellen, als es Lehrlinge gibt, in Bayern herrscht de facto Vollbeschäftigung. Wir haben den Ausstieg aus der Kernenergie eingeleitet und die Weichen für den Umstieg auf Erneuerbare Energien gestellt. Und wir halten die Schuldenbremse eher ein, als es verfassungsmäßig geboten wäre – und das in Zeiten einer Staatsschuldenkrise wie sie Europa bisher nicht kannte. Wir haben allen Grund, stolz auf das Erreichte zu sein.

Frage:
Wie schaut Ihre Agenda aus? Geht überhaupt noch was im beginnenden Wahlkampf?

Gerda Hasselfeldt:
Wir können es uns nicht leisten, jetzt mit Blick auf die Wahl die Arbeit einzustellen. Das ist auch nicht der Stil dieser christlich-liberalen Koalition und erst Recht nicht der Stil der CSU. Europa beispielsweise braucht permanent unsere volle Aufmerksamkeit. Der Euroraum soll wettbewerbsfähiger werden, wir bekommen eine europäische Bankenaufsicht. Hier ist die CSU Garant dafür, dass deutsche Interessen nicht zu kurz kommen. Die Energiewende ist ein anderes Thema, bei dem entschiedenes Handeln der CSU nötig ist. Uns geht es um funktionierende Energiewirtschaftspolitik, nicht um Ökoromantik. Ein weiterhin ungesteuertes Wachstum der Erneuerbaren Energien, wie unter Rot/Grün eingeleitet, würde unsere Energieversorgung massiv gefährden und die Stromkunden, alle Haushalte und Unternehmen, über Gebühr belasten. Und ein drittes Thema ist die bessere Bewertung von Kindererziehungszeiten in der Rente. Auch da wollen wir im Laufe der Legislaturperiode noch einen entscheidenden Schritt vorankommen.

Frage:
Die SPD- und Grünen-Länder im Bundesrat flüchten sich schon seit Monaten in eine Blockadehaltung. Wichtige Gesetze sind dort gescheitert: Die steuerliche Förderung der energetischen Gebäudesanierung, die Entschärfung der Kalten Progression. Wie gehen Sie mit dieser Obstruktionshaltung um?

Gerda Hasselfeldt:
Die Politik von SPD und Grünen ist hier ausschließlich von partei- und wahltaktischem Kalkül getrieben. Das ärgert mich. Denn die Verweigerung beim Abbau der kalten Progression, der energetischen Gebäudesanierung oder auch beim Bürokratieabbau schadet Arbeitnehmern, Handwerk und Unternehmen. Unsere Aufgabe ist es dann, Alternativen zu entwickeln. So will der Bund etwa die energetische Gebäudesanierung nun ohne finanzielle Beteiligung der Länder mit einem Zuschuss-Programm über die Kreditanstalt für Wiederaufbau fördern. Aber es bleibt festzuhalten: SPD und Grüne haben sich von den Arbeitnehmern und vom Klimaschutz verabschiedet.

Frage:
Die ganze Legislaturperiode stand ja mehr oder weniger im Schatten der Eurorettung. Was meinen Sie, wie lange beschäftigt uns die Euro-Staatsschuldenkrise noch?

Gerda Hasselfeldt:
Die Schuldenberge einiger Euro-Staaten haben sich in jahrzehntelanger Misswirtschaft aufgetürmt. Eine solche Krise lässt sich nicht in einem Schritt lösen. Sie wird uns sicher auch noch in der kommenden Legislaturperiode beschäftigen.

Frage:
Traditionell beginnt die CSU-Landesgruppe das Jahr mit der Klausurtagung in Wildbad Kreuth. Welche Kernthemen wollen Sie setzen, welche Gäste erwarten Sie?

Gerda Hasselfeldt:
Wir werden uns in diesem Jahr in einem Schwerpunkt mit dem Thema Energie beschäftigen. Dazu erwarten wir den Bundesumweltmister Peter Altmaier, Hans-Joachim Reck vom Verband Kommunaler Unternehmen, Hildegard Müller vom Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft und den Vorstandsvorsitzenden von Eon, Johannes Teyssen. Außerdem wird es noch einmal um Europa gehen, dazu kommt der Premierminister der Republik Irland Enda Kenny. Mit dem Präsidenten des Bundesnachrichtendienstes Gerhard Schindler werden wir über die Krisenherde unserer Welt sprechen, mit Kardinal Reinhard Marx über Grundwerteorientierung in der Politik.

Frage:
Eine gerade für Bayern besonders dringende Frage ist die Energiewende. Nach Auffassung vieler Experten ist da noch nicht genug passiert, gerade von Seiten des Bundes her. Wie gehen Sie vor?

Gerda Hasselfeldt:
Ich bin überzeugt, dass die gesetzten Ziele der Energiewende gemeinsam erreicht werden können. Es nützt sicher nichts, wenn dabei die Verantwortlichkeiten hin- und hergeschoben werden. Klar ist, dass wir ein gesteuertes Wachstum der Erneuerbaren Energien brauchen. Daneben müssen wir auch für den erforderlichen Ausbau der Energienetze sowie den Ausgleich der schwankenden regenerativen Stromerzeugung durch den Bau hocheffizienter konventioneller Kraftwerke und den Einsatz von regenerativen Kombikraftwerken sorgen. Zugleich gilt es, die Verbraucher zu entlasten und Kostensteigerungen infolge der Förderung der Erneuerbaren Energien zu begrenzen. Als Landesgruppe setzen wir uns für eine grundlegende markt- und kostenorientierte Reform des Erneuerbare-Energien-Gesetzes ein. Insgesamt liegt da noch ein langer Weg vor uns.

Frage:
Der Bundesrat hat beschlossen, in Karlsruhe ein Parteienverbot der NPD zu beantragen. Wird der Bundestag sich der Klage anschließen?

Gerda Hasselfeldt:
Der Bundestag verfügt anders als die Bundesregierung und die Länder über keine eigenen Erkenntnisse über die NPD. Deshalb wird zunächst im ersten Quartal 2013 die Bundesregierung festlegen, ob sie sich dem Verbotsantrag des Bundesrates anschließt. Danach werden wir entscheiden. In jedem Fall hat das Bundesverfassungsgericht das letzte Wort. Die Frage nach einem Parteiverbot ist wichtig, aber nicht allein entscheidend. Entscheidend ist, wie wir in Gesellschaft und Politik mit Rechtsextremismus umgehen. Wir müssen rechtes Gedankengut und rechte Gesinnung mit aller Kraft bekämpfen.

Frage:
Mütter, die vor 1992 Kinder geboren haben, sollen in der Rentenberechnung besser gestellt werden, so will es die CSU: Von einem auf drei Rentenpunkte pro Jahr Erziehungszeit. Die CDU indes hat sich auf ihrem Parteitag auf eine schrittweise Einführung geeinigt und einen Finanzierungsvorbehalt eingebaut – man rechnet mit jährlich steigenden Kosten von 200 Millionen Euro sofort bis auf sieben Milliarden im Jahr 2030. Was halten Sie für realistisch?

Gerda Hasselfeldt:
Die bessere Anerkennung der Leistung von Müttern in der Rentenversicherung hat für uns weiterhin oberste Priorität. Wir wissen um die schwierige Finanzlage. Aber hier gilt es, eine Gerechtigkeitslücke auszugleichen. Derzeit wird innerhalb der Bundesregierung nach Finanzierungsmöglichkeiten gesucht. Sehr rasch müssen die Zahlen vorgelegt werden, damit noch in dieser Legislaturperiode Grundsatzentscheidungen getroffen werden können. Wir bleiben in dieser Frage hartnäckig.

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