CSU-Landesgruppenchefin Gerda Hasselfeldt sieht im Interview mit dem Straubinger Tagblatt bei der Energiewende große Fortschritte

Eine einheitliche europäische Linie fordert CSU-Landesgruppenchefin Gerda Hasselfeldt im Gespräch mit unserer Zeitung bei der Euro-Rettung. Das Thema sei zu wichtig für "persönliche Profilierungen". Bei der Debatte um ein verfassungskonformes Bundestagswahlgesetz hofft sie bis Ende des Jahres auf einen parteiübergreifenden Konsens.

Angesichts der Schuldenkrise mahnen Sie zu europäischer Geschlossenheit. Wie soll die angesichts der unterschiedlichen Voraussetzungen in den Mitgliedstaaten aussehen?

Hasselfeldt: Es ist wichtig, auch im Hinblick auf die Reaktion der Finanzmärkte, ein möglichst geschlossenes Signal der politisch Verantwortlichen in Europa zu geben. Das Thema ist zu bedeutend. Für persönliche Profilierungen ist da kein Platz. Gerade Deutschland muss aber immer wieder klar machen: Mit uns wird es keine Vergemeinschaftung von Haftung, Schulden und Risiken geben. Zudem gilt es darauf zu achten, dass die gesunden Länder wie eben Deutschland nicht überfordert werden. Das würde niemandem nützen.

Die CSU sperrt sich dagegen, Souveränitätsrechte an Brüssel abzugeben. Aber kann es so gelingen, die Krise in den Griff zu bekommen und neue Krisen dieser Art zu verhindern?

Hasselfeldt: Wir sollten den fünften Schritt nicht vor dem ersten Schritt machen. Die erste Lehre aus der Krise ist doch, dass die betroffenen Staaten alles tun müssen, um ihre Haushalte zu konsolidieren, um wieder wettbewerbsfähig zu werden. Sofern sie Hilfen aus den europäischen Rettungsschirmen in Anspruch nehmen, geht das nur unter Auflagen und Bedingungen. Die Einhaltung der vereinbarten Kriterien muss kontrolliert und Verstöße müssen auch sanktioniert werden. Eine andere Diskussion ist, wie wir uns die Europäische Union in Zukunft vorstellen. Meinem Verständnis von Europa entspricht es nicht, Aufgaben und Rechte an Institutionen abzugeben, die nicht vollständig von den Bürgern demokratisch legitimiert sind. Die Verantwortung der nationalen Parlamente - insbesondere im Budgetrecht - darf nicht unterlaufen werden. Das würde in Deutschland auch an verfassungsrechtliche Grenzen stoßen.

Dennoch gäbe die Bundesrepublik mit dem Rettungsschirm ESM weitreichende Rechte an Brüssel ab. Wieso hat die CSU dem dann überhaupt zugestimmt?

Hasselfeldt: Unsere Haftung im ESM ist strikt begrenzt. Daran wird nicht gerüttelt. Alle wesentlichen Entscheidungen des Rettungsschirms, zu denen der deutsche Vertreter im Gouverneursrat des ESM seine Zustimmung gibt, müssen vorher dem Bundestag zur Abstimmung vorgelegt werden. Das war für uns eine unerlässliche Bedingung, die auch erfüllt wurde. Deshalb konnten wir zustimmen.

Die CSU pocht stets darauf, Deutschland bei Hilfszusagen nicht zu überfordern. Ist das nicht in Wirklichkeit schon längst geschehen?

Hasselfeldt: Genau deswegen wehren wir uns auch auf europäischer Ebene gegen die von einigen ins Gespräch gebrachte und von Oppositionspolitikern unterstützte Banklizenz für den europäischen Rettungsschirm. Denn genau das würde in der Tat das Haftungsvolumen der einzelnen Länder ohne Begrenzung ausweiten. Das kommt für uns nicht infrage.

Sie haben die Entscheidung der Ratingagentur Moody′s, den Ausblick für die Bundesrepublik negativ zu bewerten, kritisiert. Wie aber soll diese Agentur angesichts der Situation sonst entscheiden?

Hasselfeldt: Die Bewertung der Ratingagenturen wird auch von den Finanzmärkten nicht mehr als einzige Richtschnur für Risikoeinschätzungen gesehen. Das haben die letzten Reaktionen der Finanzmärkte gezeigt, denn die Ratingagenturen bewerten häufig nur nach kurzfristigen und sehr subjektiven Kriterien. Der zeitlich begrenzten Gewährung von Krediten, steht die langfristige Stabilisierung der Eurozone gegenüber, von der gerade Deutschland profitiert. Man sollte die Einschätzung der Agenturen zwar zur Kenntnis nehmen, aber nicht überbewerten.

In den vergangenen Wochen hat Bayerns Ministerpräsident Horst Seehofer auf Bundesebene immer wieder attackiert und selbst mit Koalitionsbruch gedroht. Wie ist derzeit das Verhältnis zwischen der an der Regierung in Berlin mitarbeitenden Landesgruppe und dem Parteichef?

Hasselfeldt: Die Zusammenarbeit ist gut. Die Kommunikation funktioniert auch dann, wenn der Ministerpräsident wegen anderer Verpflichtungen nicht an Sitzungen der Landesgruppe teilnehmen kann. Im Übrigen sind alle wesentlichen Entscheidungen, die wir in Berlin getroffen haben - insbesondere auch die Entscheidungen zum Euro - eng mit der Parteispitze und mit dem Parteivorsitzenden abgesprochen.

Wie reagieren denn Ihre Fraktionskollegen von der CDU auf das bayerische Donnergrollen?

Hasselfeldt: Das ist ja nicht neu. Die CSU ist eine eigenständige Partei. Dies wird besonders dann deutlich, wenn es um bayerische Interessen geht. Das heißt, klare Positionsbestimmung vonseiten der Partei und wenn diese Positionen durchgesetzt werden, folgt auch die Zustimmung. Das haben wir etwa bei der Euro-Debatte immer wieder unter Beweis gestellt.

In den letzten Wochen kam auch wieder das Thema Frauenquote auf die Agenda. Sie lehnen eine Frauenquote in den Führungsetagen von Unternehmen ab. Droht hier neuer Streit in der Koalition? Arbeitsministerin Ursula von der Leyen fordert ja solche Quotenlösungen.

Hasselfeldt: Wir haben in der Tat in der Frage nach gesetzlich vorgeschriebenen Quoten eine lebhafte Diskussion innerhalb der gesamten Koalition. Sie läuft im Übrigen nicht nur zwischen Frau von der Leyen und mir kontrovers. Ich möchte mehr Frauen in Führungsfunktionen, aber wir kommen diesem Ziel nicht näher, wenn wir den großen Unternehmen, wie den DAX-Konzernen, gesetzlich eine solche Quote vorschreiben. Aber es ist etwas völlig anderes, ob sich Unternehmen selbst eine Quote geben und diese dann auch überprüfen lassen, oder ob ein Unternehmen gesetzlich gezwungen wird, eine bestimmte Quote zu erfüllen. Das Erstere fände ich gut. Aber Zwang von außen halte ich für falsch, zumal die Quote in den einzelnen Branchen unterschiedlich zu realisieren ist, denken Sie etwa an die Baubranche.

Mit der Energiewende geht es nicht recht voran. Wo hapert es und was erwarten Sie vom neuen Umweltminister Peter Altmaier?

Hasselfeldt: Das kann ich ihnen genau sagen: Rot-Grün blockiert seit mehr als einem Jahr die Gesetze zur energetischen Gebäudesanierung im Bundesrat. Zur Energiewende gehört aber ganz wesentlich mehr Energieeffizienz und Energieeinsparung. Wir wollen daher die energetische Sanierung von Gebäuden fördern. Die Blockade der SPD-regierten Länder ärgert mich gewaltig. Insgesamt ist jedoch im vergangenen Jahr viel geschehen. Viele Kommunen, Unternehmen und einzelne Bürger engagieren sich. Aber auch in der Politik hat sich einiges bewegt. Bei der Planung des Netzausbaus sind wir im Zeitplan. So soll Ende des Jahres der Bundesnetzplan vorliegen. Umweltminister Altmaier ist hier sehr aktiv und treibt vieles voran. Wir haben bei der Photovoltaik die Einspeisevergütung abgesenkt. Es sind aber alle gefordert, Bund, Länder, Kommunen, die Wirtschaft und jeder einzelne Bürger, um das Ziel einer sicheren, bezahlbaren und umweltverträglichen Energieversorgung zu erreichen. Insgesamt stehen wir aber nicht so schlecht da, wie das oft vermittelt wird.

Derzeit hat die parlamentarische Demokratie der Bundesrepublik kein gültiges Bundestagswahlgesetz. Ist es nicht ein Armutszeugnis, dass es nicht gelungen ist, binnen drei Jahren ein verfassungskonformes Wahlgesetz zu verabschieden?

Hasselfeldt: Die Vorstellungen der einzelnen Fraktionen waren in der Tat sehr unterschiedlich. So war es das Ziel der SPD, die Überhangmandate ganz abzuschaffen. Das Bundesverfassungsgericht hält die Überhangmandate aber weiter grundsätzlich für zulässig. Es geht nun um die Größenordnung und die Frage des Ausgleichs. Über diese Dinge werden wir reden müssen. Ich bin zuversichtlich, dass wir bis Ende des Jahres eine Lösung herbeiführen können. Mein Ziel ist jedenfalls, dies im überparteilichen Konsens zu erreichen.

Ihre Fraktion befasst sich auch mit dem Thema ländlicher Raum. Was kann die Politik tun, um die ländlichen Regionen dauerhaft für die Menschen als Lebens- und Arbeitsraum attraktiv zu halten?

Hasselfeldt: Wir haben uns über mehrere Monate in einer Koalitionsarbeitsgruppe intensiv mit diesen Fragen beschäftigt. Durch die demografische Entwicklung besteht gerade im ländlichen Raum die Gefahr, dass es zu einem verstärkten Zuzug in die Städte kommt und der ländliche Raum an Attraktivität verliert. Dem wollen wir entgegenwirken. Wichtig ist, dass die Arbeitsplätze in der Fläche gehalten und, wo Bedarf besteht, ausgebaut werden. Gerade im Grenzland kommt hinzu, dass die Möglichkeit der Förderung durch die EU erhalten bleiben muss. Da sind wir derzeit mit der EU in Verhandlungen. Eine große Herausforderung ist zudem die Breitbandversorgung. Auf den Weg gebracht haben wir eine Verbesserung der ärztlichen Versorgung, damit auch in ländlichen Regionen ein hohes Niveau gewährleistet bleibt. Außerdem unterstützen wir alle Bemühungen zum Erhalt von Schulen, Kinderbetreuungseinrichtungen, oder Pflegeeinrichtungen in den ländlichen Räumen. Nicht alles lässt sich da an Maßstäben der Wirtschaftlichkeit messen. Nötig ist es also, gegebenenfalls Vorgaben zu verändern. Bayern ist in den vergangenen Jahrzehnten einen guten Weg gegangen und hat die ländlichen Regionen gezielt gestärkt. Das ist in vielen anderen Bundesländern nicht der Fall.

Interview: Dr. Gerald Schneider

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