Gerda Hasselfeldt im Interview mit der Mittelbayerischen Zeitung (MZ)

Die Vorsitzende der CSU-Landesgruppe spricht über das Betreuungsgeld, die Euro-Krise und die Landtagswahl in Bayern 2013

MZ:
Nach der Sommerpause könnte es in der schwarz-gelben Koalition wieder mächtig rumpeln. Zum Beispiel beim Thema Betreuungsgeld. Erst am Wochenende hat der Vorsitzende der FDP in NRW, Christian Lindner, seine Partei aufgefordert, gegen die Leistung zu stimmen, weil in Zeiten der Euro-Krise kein Geld da sei. Was denken Sie?

Gerda Hasselfeldt:
Ich gehe fest davon aus, dass wir das Betreuungsgeld im September verabschieden und die FDP-Kollegen in der Fraktion zustimmen werden – auch solche, die bisher skeptisch waren.

MZ:
Sie selbst waren auch einmal Skeptikerin des Betreuungsgelds – wie kam es zu Ihrem Sinneswandel?

Gerda Hasselfeldt:
Ich war Skeptikerin, das ist richtig. Das Betreuungsgeld schränkt die Erwerbstätigkeit von Frauen jedoch nicht ein. Es setzt nur voraus, dass der staatlich geförderte Krippenplatz nicht in Anspruch genommen wird. Mit dem Betreuungsgeld kann jede Familie die Betreuung nach ihren Bedürfnissen organisieren: ob mit Kinderfrau, Oma und Opa oder selbst. Diese Änderung am Betreuungsgeld war für mich ausschlaggebend, um heute vehement für das Betreuungsgeld einzutreten. Darüber hinaus darf natürlich der Ausbau der Kita-Plätze nicht auf die lange Bank geschoben werden, denn ich stehe voll zum Rechtsanspruch auf einen Betreuungsplatz. Das darf durch das Betreuungsgeld nicht vernachlässigt werden.

MZ:
Was hat sie letztendlich überzeugt?

Gerda Hasselfeldt:
Überzeugt hat mich die grundsätzliche Diskussion: Darf der Staat einseitige Anreize setzen und durch den Rechtsanspruch auf einen Kita-Platz allein diese Form der Kindererziehung fördern? Oder müssen nicht auch Familien, die die Kindererziehung privat organisieren oder selbst übernehmen, gleich behandelt werden? Familienpolitik ist immer eine Gratwanderung. Auf der einen Seite müssen wir auf die sich ändernden Bedingungen für Frauen und Familien eine Antwort finden – ein zentrales Thema ist hier die Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Was wir brauchen sind nicht Mütter, die sich der Arbeitswelt anpassen, sondern eine Arbeitswelt, die sich den Familien und ihren Bedürfnissen anpasst. Das bedeutet beispielsweise, wir brauchen familienfreundliche Arbeitszeiten. Auf der anderen Seite ist es für uns ein Grundprinzip, dass für die Kindererziehung in erster Linie die Eltern selbst verantwortlich sind. So ist es auch im Grundgesetz verankert.

MZ:
Sie haben CSU-Kolleginnen und Kollegen, die bei Kitas von „staatlicher Einheitserziehung“ sprechen. Verstehen Sie das?

Gerda Hasselfeldt:
Von mir werden Sie einen solchen Ausdruck nicht hören. Dafür habe ich viel zu großen Respekt vor der Leistung der Erzieherinnen und Erzieher. Sie erbringen wirklich gute Arbeit. Ich nähere mich den Entscheidungen, die ich zu verantworten habe, mit dem Verstand und mit Argumenten. Weil ich mich selbst von den Argumenten für das Betreuungsgeld habe überzeugen lassen, ist das Verständnis für die Kritiker natürlich vorhanden. Ich bin dennoch davon überzeugt, dass das Betreuungsgeld richtig und notwendig ist. Deshalb werde ich im September dafür kämpfen.

MZ:
Gibt es in der CSU so etwas wie eine Arbeitsteilung? Sind Sie diejenige, die für das Ausgleichende und für die inhaltliche Arbeit zuständig sind, während das Rumpeln München überlassen wird?

Gerda Hasselfeldt:
Ich sage sehr deutlich, was ich will und was ich nicht will. Aber in der Tat: Streit um des Streites willen halte ich für kontraproduktiv. Wir sind eine Volkspartei mit unterschiedlichen Talenten in unterschiedlichen Funktionen.

MZ:
War es abgesprochen, dass Generalsekretär Alexander Dobrindt auf die Aussagen von Eurogruppen-Chef Jean-Claude Juncker zum Verhalten Deutschlands in der Euro-Krise sehr viel schärfer reagiert hat als etwa CSU-Chef Horst Seehofer?

Gerda Hasselfeldt:
Das müssen sie die beiden fragen. Aber grundsätzlich gilt für uns in der Europolitik: Deutschland war und ist solidarisch, aber immer nur verbunden mit konkreten Auflagen und Bedingungen für die Krisenländer. Gesunde Länder dürfen durch die Hilfen nicht überfordert werden. Hierzu werden Sie von mir keine andere Meinung hören.

MZ:
Es gibt Spekulationen, wonach CSU-Chef Horst Seehofer vorhaben könnte, die Koalition im Bund platzen zu lassen – zum Beispiel wenn das Betreuungsgeld nicht durchgeht. Die Folge wären vorgezogenen Bundestagswahlen und eine Entzerrung von Bundestags- und Landtagswahlkampf, was der CSU zupass kommen könnte. Was halten Sie von solchen Spekulationen?

Gerda Hasselfeldt:
In den Gremien, in denen ich arbeite, ist das kein Szenario, über das man nachdenkt. Wir haben schon in der Vergangenheit die Situation erlebt, dass zwischen Landtags- und Bundestagswahl nur einige Wochen lagen. Das war noch nie ein Problem. Unser gemeinsames Ziel ist, sowohl für die Landtags- als auch für die Bundestagswahl ein optimales Ergebnis für die CSU zu erreichen.

MZ:
Die Landtagswahl hat Horst Seehofer als „Mutter aller Schlachten“ bezeichnet. Wie gefährlich schätzen Sie den SPD-Spitzenkandidaten Christian Ude ein? Er geht auf soziale Themen ein, Themen, die Menschen emotional berühren...

Gerda Hasselfeldt:
Christian Ude kennt sich möglicherweise in München aus, nicht aber in Bayern. Wenn man etwa sieht, wie schlecht es in München zum Beispiel mit dem Ausbau der Kita-Plätze läuft, ist es mit der sozialen Kompetenz von Christian Ude nicht weit her. Gerade dort lässt der Ausbau sehr zu wünschen übrig.

MZ:
Das könnte allerdings auch an dem enorm hohen Bedarf an Kita-Plätzen in der Großstadt liegen...

Gerda Hasselfeldt:
München ist nicht erst seit kurzem eine Großstadt und das Problem ist auch schon lange bekannt. In München wurden die Frauen und Familien alleine gelassen. Außerhalb der Stadt, im Speckgürtel von München, gibt es ebenfalls einen sehr hohen Bedarf an Kita-Plätzen. Da aber bemühen sich die Bürgermeister in einem viel größeren Ausmaß, als es in der Stadt der Fall ist. Dass es in München so schlecht läuft, liegt einfach daran, dass Herr Ude die notwendigen Schritte nicht rechtzeitig in die Wege geleitet hat.

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