Gerda Hasselfeldt bei "Beckmann" - <br>Christian Geyer in der FAZ.net-Frühkritik

Die Debatte über das Betreuungsgeld krankt an ihren falschen Alternativen. Bei „Beckmann“ wurden sie übersichtlich ausgebreitet.

Ein neues Argument gegen das Betreuungsgeld? Die gewitzte und kampferprobte, dabei mit Genießerqualitäten engholmschen Formats ausgestattete Renate Schmidt (SPD) sagte bei „Beckmann“, sie erwarte ja auch keine Ersatzprämie, wenn sie nicht ein staatlich subventioniertes Opernhaus besuche. Da sollte die Oper mit der Kita verglichen werden. Der Vergleich geht aber schon deshalb nicht auf, weil Kindererziehung nicht nur Recht, sondern auch Pflicht der Eltern ist. Eine vergleichbare Pflicht zum Operngang besteht bislang nicht. Die Eltern kommen ihrer Erziehungspflicht nach, indem sie bestimmen, wo ihre Kinder bis zur Einschulung betreut werden, ob zu Hause, bei Nachbarn oder in der Kita.

Wenn sie zu den Eltern gehören, die in den ersten drei Lebensjahren ihrer Kinder keinen mit monatlich tausend Euro subventionierten Kita-Platz beanspruchen wollen – warum sollen sie dann nicht ersatzweise hundert beziehungsweise hundertfünfzig Euro im Monat staatliche Unterstützung für ihre privat organisierte Kinderbetreuung erwarten dürfen? Die Pflicht zur Erziehung ist ja keine Kita-Pflicht. Deshalb ist auch der Verzicht auf den Kita-Besuch nicht rechtfertigungsbedürfig.

Hundert Euro sind ein Witz

Das legte rhetorisch brillant die Journalistin Birgit Kelle dar, selbst Mutter von vier Kindern. Dass sie keine Krippe in Anspruch genommen habe, heiße ja nicht, dass sie keine Hilfe benötige. Katharina Saalfrank, die vom Fernsehen zur Erzieherin promoviert wurde und mit diesem Nimbus nun weiter Volkspädagogik betreibt, wandte ein, mit hundert Euro könne die Erziehungsleistung doch gar nicht abgegolten werden. Birgit Kelle ließ den sinistren Hinweis ins Leere laufen: Ja, hundert Euro seien ein Witz, aber hundert Euro seien nun einmal besser als nichts. Im übrigen möge man doch nicht so tun, als gebe es keine größere Katastrophe als die Erziehung durch die eigenen Eltern. Viele junge Frauen würden lieber eine Weile beruflich kürzer treten, um sich um ihre Babys selbst zu kümmern – eine Realität, auf die politisch zu reagieren sei, auch wenn sie sich den Imperativen der Wirtschaftsverbände nonchalant widersetze.

Nicht umsonst wird das Betreuungsgeld laut Umfragen bei den Achtzehn- bis Neunundzwanzigjährigen überdurchschnittlich geschätzt. Gerade in dieser Altersgruppe will man neben der Erziehungsarbeit auch noch einer eingeschränkten Erwerbsarbeit nachgehen – das Betreuungsgeld will das nicht verhindern, sondern fördern.

Krass genug: Die CSU als Hüterin der Rationalität

Wasser auf die Mühlen der CSU, der im „Glaubenskrieg“ (Reinhold Beckmann) ums Betreuungsgeld, krass genug, die Rolle einer Hüterin der Rationalität zufällt. Mit Gerda Hasselfeldt macht der coole Sachverstand den Durchmarsch, frei vom bornierten bayerischen Getue. Werde der Kita-Besuch als Regelfall unterstellt, sei das schon die verkehrte Diskussion, so Hasselfeldt, die im Übrigen den Ausbau der Krippen vorantreibt. Sie besticht mit der Abwesenheit des Ressentiments, wie es eigentlich zur Raison ihrer Partei gehört.

So wird erst im Spiegel der starken Hasselfeldt deutlich, welche Chance die Familienministerin Schröder verspielt. Statt die Debatte ums Betreuungsgeld an sich zu ziehen und das argumentative Potential freizulegen, laviert sie - und verliert.

Wie ist die Qualität der Kita-Plätze?

Ernüchternde Einigkeit von Renate Schmidt bis Birgit Kelle herrschte in der Einschätzung, dass die Qualität der Kitas oftmals zu wünschen übrig lasse. Das liege nicht unbedingt an den einzelnen Erzieherinnen, sondern am Personalschlüssel, erklärte Schmidt: Zu viele Kinder kämen auf eine Erzieherin, und bei der schlechten Bezahlung werde es auch nach Einführung eines Rechtsanspruchs auf einen Kita-Platz dort „keine gut qualifizierten Menschen in ausreichendem Maße“ geben. Wenn das aber so ist, dann stärkt dies zusätzlich jenen Eltern den Rücken, die sich für eine private Betreuung entscheiden.

Tatsächlich dürfe man nicht nur über die Quantität der Kita-Plätze sprechen, so Kelle, sondern müsse die Qualitätsdiskussion führen. Frühkindliche Sprachförderung etwa, wie sie als Erfordernis gelingender Integration beschworen werde, bleibe in der gemeinen Kita-Realität allermeist ein Wunschtraum. Und Markus Kambach, der Alibi-Mann in der Diskutanten-Runde, ein bedrückend verständnisvoller Vater in Elternzeit, tat an dieser Stelle, was er die ganze Sendung über tat: Er sagte „genau“ und nickte wohlgefällig.

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