Namensartikel in der FAZ vom 17. April

Eltern nicht pauschal misstrauen, nur weil sie ihre Kindererziehung selbst organisieren.

Das Betreuungsgeld gehört zu einem modernen Familienbild. Es ist die notwendige Ergänzung zur bestehenden Familienförderung in Deutschland. Würde vorwiegend in Krippenplätze und nicht in Alternativen investiert, so wäre das eine staatliche Bevorzugung der Krippenerziehung. Familien würden in eine bestimmte Richtung gelenkt. Das wollen wir nicht. Die CSU will Wahlfreiheit für Eltern. Diese Wahlfreiheit erreichen wir nur, wenn eine Vielfalt von Lebensmodellen gefördert wird. Vielfalt und Gerechtigkeit in der Familienpolitik heißt, auch die Eltern zu unterstützen, die sich selbst um ihre Kleinkinder unter drei Jahren kümmern wollen. Genau dies steht unter dem besonderen Schutz des Grundgesetzes, das die Kindererziehung als die „zuvörderst“ den Eltern obliegende Pflicht bezeichnet. Dabei sind die 100 Euro ab 2013 und 150 Euro ab 2014 eher als gering anzusehen im Vergleich zu der Subvention eines Krippenplatzes, der im Schnitt etwa 1000 Euro pro Monat kostet.

Das Betreuungsgeld sollen auch die Mütter und Väter erhalten, die arbeiten. Es steht einer Erwerbstätigkeit nicht im Wege. Unterstützt durch das Betreuungsgeld können Familien die Kinderbetreuung nach ihren Bedürfnissen organisieren: ob durch die Eltern selbst, mit Kinderfrau, Großeltern oder anders privat. Wir wollen jungen Paaren Lust machen auf Kinder und Familie. Wir dürfen nicht zulassen, dass sie verunsichert werden durch eine abfällige Sichtweise gegenüber Erziehungsarbeit und Müttern, die für ihre Kinder beruflich kürzertreten. Der diffamierende Begriff „Herdprämie“ legt diese familienfeindliche Sichtweise offen. Er ist sachlich falsch und wird auch durch beständige Wiederholung nicht zutreffender.

Es ist geradezu absurd, dass Stimmen aus der Wirtschaft das Kinderkriegen offenbar nur unter der Perspektive sehen, Mütter möglichst schnell wieder in den Arbeitsmarkt einzugliedern. Für die CSU gilt: Familien dürfen nicht dem Diktat der Ökonomie unterliegen, weder heute noch in Zukunft. Es geht nicht darum Mütter der Arbeitswelt anzupassen. Vielmehr braucht es umgekehrt eine Arbeitswelt, die sich Familien und ihren Bedürfnissen anpasst. Dazu gehören familienfreundliche Arbeitszeiten, eine gut organisierte Kinderbetreuung am Arbeitsplatz, mehr Verständnis für Väter, die in Elternzeit gehen, sowie mehr Frauen, die auch in Teilzeit Führungsaufgaben erhalten. Hier ist die Wirtschaft selbst gefordert.

Jeder, der Kinder großgezogen hat, weiß: Eine gute Eltern-Kind-Bindung ist die beste Basis für frühkindliche Bildung. Das belegen auch wissenschaftliche Studien. Das Betreuungsgeld fördert die Bindung zwischen Eltern und Kindern in den ersten Lebensjahren. Krippen und Erzieherinnen können nicht leisten, was die meisten Eltern wie selbstverständlich für ihr Kind und seine Entwicklung erbringen und zwar Tag und Nacht. Kinder zu erziehen, ist eine verantwortungsvolle und fordernde Lebensaufgabe. Die CSU will mit dem Betreuungsgeld mehr Wertschätzung für Familienarbeit erreichen und die Eigenverantwortlichkeit der Eltern fördern. Deshalb wollen wir auch, dass das Betreuungsgeld bar ausgezahlt wird. Alles andere käme einem generellen Misstrauen staatlicher Institutionen gegen Eltern und ihre Erziehungsfähigkeiten gleich. In diesem Sinne ist es auch herabwürdigend zu behaupten, das Betreuungsgeld sei schlecht für die Integration, weil gerade sozial schwache und bildungsferne Einwandererfamilien lieber das Geld nehmen würden, als ihr Kind in einer Krippe betreuen zu lassen. Diese Argumentation offenbart ein falsches Bild von Menschen mit Migrationshintergrund in unserem Land. Die CSU wendet sich klar gegen ein solches Bild.

Das Betreuungsgeld wird kommen. Es wurde bereits unter der Großen Koalition mit der SPD gesetzlich verankert. Wir haben es im Koalitionsvertrag als gemeinsames Ziel von CDU/CSU und FDP vereinbart und im Koalitionsausschuss im vergangenen November bestätigt. Wir brauchen nun rasch einen Gesetzesentwurf aus dem Familienministerium, der sich an die vereinbarten Eckpunkte hält. Natürlich sind die Untersuchungen zur Entwicklungsüberprüfung beim Kinderarzt für das Wohl des Kindes unverzichtbar. Die Teilnahme sicherzustellen, ist aber zunächst Aufgabe der Länder. Eine Verknüpfung mit der Auszahlung des Betreuungsgeldes, wie sie die Bundesfamilienministerin jetzt angedeutet hat, halte ich nicht für sinnvoll.

Es ist nicht das erste Mal, dass es in den eigenen Reihen der Koalition auch abweichende Meinungen zu einem Gesetzesvorhaben gibt. Aber wenn die Positionen ausgetauscht und Beschlüsse gefallen sind, muss sich jeder an das getroffene Ergebnis halten. Dabei haben wir als CSU es gar nicht nötig, mit dem Koalitionsfrieden zu drohen: Es gibt ausreichend sachliche Argumente, die für das Betreuungsgeld sprechen. Die Schärfe, mit der über die Einführung gestritten wird, zeigt allerdings, dass wir beständig weiter an einem familienfreundlichen Klima in Deutschland arbeiten müssen. Unser Verständnis einer modernen und nachhaltigen Familienpolitik ist klar: Eltern und Kinder brauchen die bestmögliche Unterstützung, um ihren individuellen Familienentwurf leben zu können – und dazu gehört das Betreuungsgeld genauso wie der Ausbau der staatlich geförderten Kinderbetreuungseinrichtungen.

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