Interview der Mittelbayerischen Zeitung mit Gerda Hasselfeldt, Vorsitzende der CSU-Landesgruppe

MZ-Korrespondent Reinhard Zweigler sprach mit CSU-Landesgruppenchefin Hasselfeldt über Vorratsdatenspeicherung, Praxisgebühr und Renten.

Frau Hasselfeldt, sind Sie mit der Rentenpolitik von Ministerin von der Leyen so unzufrieden, dass die CSU ein eigenes Rentenkonzept vorlegt?

Wir arbeiten im guten Austausch mit der Bundessozialministerin. Viele ihrer aktuellen Vorschläge zur Rente decken sich mit unseren Beschlüssen von Kreuth, so etwa die Pflicht für Selbstständige zur Altersvorsorge. Wir sind auch offen für Vorschläge wie die Zuschussrente, die Erziehungs- und Pflegezeiten beim Alterseinkommen stärker berücksichtigen. Hier sind vorwiegend Frauen betroffen. Sie haben in ihrer Alterssicherung mehr verdient als nur eine Grundsicherung. Die genauen Einzelheiten müssen noch geklärt werden.

Im Bundestag gibt es eine rechnerische Mehrheit für die Abschaffung der Praxisgebühr. Wann gehört die CSU dazu?

Die gesetzlichen Krankenkassen haben sich stabilisiert. Das ist erfreulich. Allerdings kann deren Finanzpolster…

…rund 20 Milliarden Euro…

…schnell aufgebraucht werden, wenn sich die Konjunktur abschwächt. Es ist besser, jetzt auf Kontinuität und Stabilität in der Finanzierung der Kassen zu setzen, statt Begehrlichkeiten nachzugeben, statt höhere Ausgaben zuzulassen, statt die Praxisgebühr abzuschaffen oder den Beitragssatz abzusenken.

Gerda Hasselfeldt

Gerda Hasselfeldt MdB im Gespräch
Foto: David Ausserhofer


Gesundheitsminister Daniel Bahr (FDP) meint jedoch, Krankenkassen sind keine Sparkassen. Versicherte wollen ihr Geld zurück.

Die Lage der einzelnen Krankenkassen ist unterschiedlich. Eine generelle Senkung der Beitragssätze wäre nicht gerechtfertigt. Krankenkassen, die dazu in der Lage sind, sollten den Versicherten mit den Prämien etwas von den eingezahlten Beiträgen zurückgeben. Das wäre vor dem Hintergrund der guten Finanzlage vieler Krankenkassengerechtfertigt.

Wann verabschiedet sich die CSU vom Betreuungsgeld?

Das Betreuungsgeld wird kommen. Wir haben es in der Koalition auf Wunsch der CSU beschlossen. Der Gesetzentwurf wird noch vor dem Sommer vorgelegt. Ich will noch einmal klarstellen: Das Betreuungsgeld ist keine Leistung für Nichterwerbstätige, sondern für all jene, die im zweiten und dritten Lebensjahr des Kindes keine staatlich geförderte Betreuung in Anspruch nehmen.

Die CDU-Frauen laufen Sturm dagegen, weil es gerade Kinder aus sozial schwachen Familien von frühkindlicher Erziehung fernhält.

Die Erfahrungen aus dem Land Thüringen, das seit einigen Jahren eine Art Betreuungsgeld zahlt, sind andere.

Streit mit der FDP gibt es bei der Vorratsdatenspeicherung. Wie lange will die Union die Blockade der Liberalen noch hinnehmen?

Die Verweigerungshaltung der FDP beim Thema Vorratsdatenspeicherung ist in der Tat unverantwortlich. Tatsache ist, dass eine EU-Richtlinie umgesetzt werden muss und bereits ein Vertragsverletzungsverfahren läuft. Die Vorschläge von Ministerin Leutheusser-Schnarrenberger werden den Vorgaben aus Brüssel nicht gerecht. Ich erwarte, dass die sehr intensiv geführten Verhandlungen von Innen- und Justizministerium rasch zu einem Ergebnis führen, spätestens bis zumSommer.

Gibt es wirklich bereits Ermittlungslücken beim Kampf gegen Terrorismus und organisierte Kriminalität, weil die Verbindungsdaten nicht mehr sechs Monate lang gespeichert werden dürfen?

Die gibt es nach Auskunft von Ermittlern in der Tat. Deshalb brauchen wir die anlasslose Speicherung dieser Daten, wie sie der Innenminister vorgeschlagen hat. Das sogenannte Quick-Freeze-Verfahren, bei dem Verbindungsdaten erst nach konkreten Hinweisen auf eine Straftat oder Gefahr für die Zukunft gesichert werden, ist keine Hilfe bei Ermittlungen.

Vorige Woche trafen sich die Innenminister, um über den Umgang mit der NPD zu beraten. Will die CSU überhaupt noch ein NPD-Verbotsverfahren?

Wir wollen das NPD-Verbot. Aber allein das Verfahren einzuleiten, ist noch kein Wert an sich. Deshalb wollen wir auch, dass ein solches Verfahren sorgfältig und schlüssig erfolgt. Ein nochmaliges Scheitern können wir uns nicht leisten.

Die Länder wollen die V-Leute in der NPD abschalten, der Bundesinnenminister will sie behalten. Was denn nun?

Bund und Länder sind sich einig, die V-Leute in den Führungsgremien der Partei abzuziehen. Allerdings kann nicht generell auf V-Leute verzichtet werden.

Trotz Dutzender V-Leute konnte die Zwickauer Terrorzelle zehn Jahre lang rauben und morden?

Das bedauere ich sehr. Allerdings kann man daraus nicht den Schluss ziehen, dass V-Leute für die Arbeit des Verfassungsschutzes unwichtig sind. Durch ihre Hinweise konnten im gleichen Zeitraum auch mehrere Gewalttaten verhindert werden.

Kommen wir zur Energiewende: Tut ein Bundesminister, der die nächsten Wochen immerzu mit Wahlkampf beschäftigt ist, der Energiewende gut?

Ich denke, dass Norbert Röttgen dieser Doppelbelastung in Berlin und in Nordrhein-Westfalen gewachsen ist. Aber das muss er letztlich mit seinem Landesverband entscheiden.

Nach einem großen politischen Aufschlag im Vorjahr kommt die Energiewende kaum voran. Misslingt die Abkehr von der Kernkraft, auch weil sich Rösler und Röttgen nicht grün sind?

Beide haben gerade einen gemeinsamen Vorschlag zur Änderung des Erneuerbare-Energien-Gesetzes vorgelegt, mit dem die Förderung der Photovoltaik schrittweise verringert wird. Die Energiewende wird gelingen. Allerdings müssen alle Beteiligten gemeinsam hart daran arbeiten. Die Genehmigungsverfahren müssen verkürzt werden. Wir brauchen den rascheren Ausbau von Netzen, Speichern sowie den Aufbau von Ersatzkraftwerken.

Schauen wir auf die Wahlen in Bayern 2013. Ist die CSU nervös wegen SPD-Spitzenmann Christian Ude?

Christian Ude wird in seiner Bedeutung über München hinaus überschätzt. Er hat sich mit landespolitischen Themen bislang nicht beschäftigt. Für Nervosität gibt es keinen Anlass. Im Gegenteil: Die Bilanz unserer Politik kann sich sehen lassen und wird auch außerhalb Bayerns neidlos anerkannt.

Druckversion