Gerda Hasselfeldt im Interview mit Welt online

Gerda Hasselfeldt, Landesgruppenchefin der CSU, fordert, dass sich das Gewicht Deutschlands stärker in den europäischen Institutionen niederschlagen muss.

Es ist ihr erster Auftritt als Gastgeberin der legendären Klausurtagung der CSU-Landesgruppe in Wildbad Kreuth, die im Zeichen der Schuldenkrise in Europa steht. Gerda Hasselfeldt übernahm im vergangenen Frühjahr die Führung der Landesgruppe.

Welt Online: Haben Sie Lampenfieber, Frau Hasselfeldt?

Gerda Hasselfeldt: Kreuth ist schon etwas Besonderes, das ist mir bewusst. Wir haben hochkarätige Gäste und spannende Themen. Ich freue mich darauf.

Welt Online: Wir haben Kreuth als Bühne für Populisten und Kraftmeier kennengelernt. Üben Sie schon Schimpfworte für den politischen Gegner?

Hasselfeldt: Ich denke nicht in schrillen Überschriften und werde meinen Stil nicht ändern. Trotzdem wird die Handschrift der CSU deutlich erkennbar sein. Allein darauf kommt es an. Mein Stil ist nicht Kraftmeierei und Beschimpfungen, sondern Auseinandersetzung mit Argumenten.

Welt Online: Ihr Generalsekretär Alexander Dobrindt ist da ganz unbefangen. Zuletzt hat er SPD und Grünen unterstellt, einen Pakt mit dem „Klassenkämpfer Lafontaine“ zu planen, der eine „Trillerpfeifendemokratie“ in Deutschland wolle. Sind Ihnen solche Töne zu schrill?

Hasselfeldt: Ein Generalsekretär muss zuspitzen. Als Vorsitzende der CSU-Landesgruppe habe ich eine andere Rolle, die ich in meinem Stil wahrnehme.

Welt Online: Von der CSU hat man in letzter Zeit nur noch Lob für Angela Merkel gehört. Wo bleibt der Geist von Kreuth?

Hasselfeldt: Die Handschrift der CSU ist klar erkennbar. Den klaren und durchsetzungsstarken Kurs der Kanzlerin unterstützen wir. Mit unserem Nein zu Euro-Bonds, zu einer Transferunion und zu einer Banklizenz für den Euro-Rettungsschirm haben wir die Entscheidungen in Brüssel maßgeblich bestimmt. Wir haben bei jeder Diskussion auf unsere Prinzipien von Stabilität und Solidität gepocht. Die Kanzlerin hat es auf europäischer Ebene durchgesetzt.

Welt Online: Welchen eigenen Akzent setzt die CSU?

Hasselfeldt: Wir wollen mehr Deutschland in Europa und mehr deutsche Stabilitätskultur in Europa. Dazu gehört eine Schuldenbremse in allen Mitgliedstaaten. Und wir werden aufpassen, dass sie tatsächlich in wirksamer Form verankert wird.

Welt Online: Bedeutet mehr Deutschland auch mehr Deutsche in Europa?

Hasselfeldt: Die Bedeutung und das Gewicht Deutschlands müssen sich in den europäischen Institutionen personell stärker niederschlagen. Außerdem gilt: In Europa muss noch mehr Deutsch gesprochen werden.

Welt Online: Volker Kauder wird das gerne hören.

Hasselfeldt: Ich meine das im buchstäblichen Sinn. In Europa muss die deutsche Sprache stärker gepflegt werden. Deutsch ist Arbeitssprache in der EU, aber vieles wird aus dem Englischen oder Französischen nicht mehr übersetzt. Ich finde es nicht richtig, wenn selbst in Deutschland in manchen Gremien ganz selbstverständlich nur noch Englisch gesprochen wird.

Welt Online: Warum fordern Sie das gerade jetzt?

Hasselfeldt: Wir stellen diese Entwicklung schon länger fest. Aber in der europäischen Schulden-Krise zeigt sie sich besonders. Wir haben als Parlamentarier zu häufig sehr kurzfristig über hochkomplexe Dinge entscheiden müssen, die dann nur in englischer Fassung vorlagen.

Welt Online: Alle reden von der Fiskalunion, die geschaffen werden soll. Was versteht die CSU darunter?

Hasselfeldt: Uns geht es um eine Stabilitätsunion mit Schuldenbremse und automatischen Sanktionen für Defizitsünder. Eine eigene europäische Wirtschaftsregierung lehnen wir ab. Und wir wollen auch keinen Kommissar, der über nationale Haushalte bestimmt. Solche Kernkompetenzen darf Deutschland nicht an Brüssel abgeben.

Welt Online: Soll es möglich werden, notorischen Schuldenstaaten den Euro zu entziehen?

Hasselfeldt: Diese Möglichkeit sollten wir schaffen. Staaten, die über längere Zeit ihren Haushalt nicht in Ordnung bringen, sollten aus der Eurozone ausgeschlossen werden können. Darüber werden wir in Kreuth beraten und dazu müssen Regeln gefunden werden.

Welt Online: Wenn es nicht mehr regnet, wird ein Schirm geschlossen. Gilt das auch für den Euro-Rettungsschirm, wenn die Krise überwunden ist?

Hasselfeldt: Die Existenz des Rettungsschirms hat eine stabilisierende Wirkung auf die Märkte. Ich will nicht ausschließen, dass es ihn auch noch in 20 Jahren geben wird. Ob er zum Einsatz kommt, ist eine andere Frage. Er ist ein Nothelfer.

Welt Online: Der Bundespräsident mag darauf hoffen, dass die Euro-Krise von der Affäre um seinen Privatkredit ablenkt. Tun Sie das auch?

Hasselfeldt: Ich glaube, dass die Diskussion unabhängig von der Euro-Frage bald beendet sein wird. Der Bundespräsident hat zu den Vorwürfen ausführlich Stellung genommen und sich persönlich entschuldigt. Eine weitere parteipolitisch motivierte Debatte würde das höchste Staatsamt beschädigen.

Welt Online: Ist dies nicht längst geschehen – und zwar durch Wulff selbst?

Hasselfeldt: Ich bin der Auffassung, dass der Bundespräsident sein Amt gut geführt hat. Dies sollte er so fortsetzen. Dann wird er auch die jetzige Situation wieder heilen. Zuletzt hatte er mit seiner Reaktion auf den Neonazi-Terror die Bevölkerung auf seiner Seite.

Welt Online: Worauf kommt es im Kampf gegen Rechtsextremismus jetzt an?

Hasselfeldt: Wir müssen jede Gelegenheit nutzen, um extremistischem Gedankengut entgegenzuwirken. Die Erkenntnisse der Verfassungsschutzbehörden müssen zusammengeführt werden, um eine lückenlose Aufklärung möglich zu machen. Außerdem brauchen wir die Vorratsdatenspeicherung so schnell wie möglich. Ich appelliere an die Bundesjustizministerin, endlich einzulenken.

Welt Online: Wagen Sie ein neues NPD-Verbotsverfahren?

Hasselfeldt: Ich möchte, dass die NPD verboten wird, aber das Verfahren muss gründlich vorbereitet werden. Ein zweites Scheitern darf es nicht geben.

Welt Online: Haben Sie einen Plan B, falls sich ein neuer Anlauf als zu riskant erweist?

Hasselfeldt: Wir sollten zusätzlich zum Verbotsverfahren prüfen, ob die Parteienfinanzierung für verfassungsfeindliche Parteien eingeschränkt werden kann. Dazu bräuchten wir eine Grundgesetzänderung.

Welt Online: Für Ihren Parteifreund Dobrindt ist auch die Linkspartei verfassungsfeindlich. Sollte auch die Linke kein Geld vom Staat mehr bekommen?

Hasselfeldt: Unter dem Dach der Partei ‚Die Linke′ sammeln sich auch Elemente und Gruppierungen, die verfassungsfeindlich sind. Deshalb wird sie aus gutem Grund vom Verfassungsschutz beobachtet. Wenn sich die Verfassungsfeindlichkeit der gesamten Partei belegen ließe, wäre dies in der Tat ein Grund, sie von der Parteienfinanzierung auszuschließen.

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