Dr. Hans-Peter Friedrich im Gespräch mit Jasper Barenberg, Deutschlandradio, zur Einigung über die Zukunft der Jobcenter

Zufrieden mit der Einigung von Bund und unionsgeführten Ländern zur Zukunft der Jobcenter hat sich Hans-Peter Friedrich, Vorsitzender der CSU-Landesgruppe im Bundestag, gezeigt. Es sei sichergestellt, dass der Bund die Kontrolle über die Verwendung der von ihm bereitgestellten Finanzmittel behalte.

Frage:
Wie soll die Betreuung der Langzeitarbeitslosen in den sogenannten Jobcentern künftig organisiert werden? Über zehn Millionen Betroffene warten schon lange auf eine Antwort. Zudem hat das Bundesverfassungsgericht Änderungen bis Jahresende angemahnt. Doch vor allem in der Union gab es offenen Streit über den richtigen Weg. Zuletzt hatte Hessens Ministerpräsident Roland Koch die Pläne von Arbeitsministerin Ursula von der Leyen torpediert und auf einer Grundgesetzänderung bestanden, damit auch in Zukunft Arbeitsagentur und Gemeinden in den Jobcentern zusammenarbeiten können. Auf diesen Weg nun haben sich Arbeitsministerin von der Leyen, Unions-Ministerpräsidenten und auch Fraktionschef Kauder gestern Abend verständigt, was nicht unbedingt zu erwarten gewesen war.

Am Telefon begrüße ich jetzt den Chef der CSU-Landesgruppe im Bundestag. Einen schönen guten Morgen, Hans-Peter Friedrich.

Dr. Hans-Peter Friedrich:
Guten Morgen aus Berlin!

Frage:
Herr Friedrich, seit Jahren hat sich die Unions-Fraktion strikt dagegen ausgesprochen und geweigert, das Grundgesetz in dieser Sache zu ändern. Warum jetzt der plötzliche Sinneswandel?

Dr. Hans-Peter Friedrich:
Es stand in der letzten Zeit ja eine Konstruktion im Raum, die für uns nicht akzeptabel war, nämlich neben dem Bund und den 16 Bundesländern 370 eigenständige Organisationen zu gründen, die also weder zum Bund, noch zu den Gemeinden gehören. Das war für uns nicht akzeptabel, das hätte das Grundgesetz auf den Kopf gestellt. Wir haben jetzt eine Lösung gefunden, die dem Grundgesetz und der Systematik der Verfassung entspricht, und diese Linie können wir mitgehen.

Frage:
Aber bisher haben Sie doch immer argumentiert, man könne eine Verfassungswidrigkeit, die ja in Karlsruhe festgestellt worden ist, nicht einfach mit einer Verfassungsänderung aufheben. Gilt das denn jetzt nicht mehr?

Dr. Hans-Peter Friedrich:
Wie gesagt, das was bisher im Raume stand war für uns nicht akzeptabel. Wir haben jetzt die Form gefunden, dass das was üblich ist in der Verfassung auch an anderer Stelle, nämlich dass Bund und Länder zusammenwirken können zu einer gemeinsamen Aufgabenwahrnehmung, dass das auch möglich sein soll zwischen Bund und Kommunen. Das ist neu. Dazu mussten natürlich die Länder sich auch durchringen. Und was wichtig ist: Wir haben den Ländern das Versprechen abgenommen, dass es auch die Möglichkeit geben soll, dass der Bund seine Finanzmittel, die er dazugibt, auch kontrollieren kann und muss, denn das ist natürlich wichtig, denn es sind Steuermittel, die uns anvertraut worden sind.

Frage:
Wie genau wollen Sie das organisieren, diese stärkere Kontrolle der Finanzströme?

Dr. Hans-Peter Friedrich:
Wir werden einen neuen Artikel, so unsere Vorstellung, schaffen, der grundsätzlich diese Möglichkeit der gemeinsamen Betreuung der Arbeitslosen einräumt, zweitens die Möglichkeit aber auch eröffnet, dass Kommunen die Aufgabe ganz übernehmen können, aber natürlich dann mit entsprechender Kontrolle des Bundes, und das wird der dritte wichtige Punkt sein, dass wir auch ein Nachhalten unserer Finanzmittel, der Verwendung unserer Finanzmittel sicherstellen. Ich denke, dass wir auf dieser Linie das, was jetzt erfolgreich in den Kreisen, in den Großstädten gemacht wird, absichern können, und jetzt geht es natürlich darum, dass wir mit der SPD eine gemeinsame Sprachregelung und Linie finden, aber ich bin sehr optimistisch, denn die SPD hat ihre Zustimmung ja schon angedeutet.

Frage:
Zumal die SPD ja auch einen Text für die Verfassungsänderung schon in der Schublade hat, in Gestalt eines Vorschlages des früheren Arbeitsministers Olaf Scholz. Werden Sie jetzt diesem Plan, diesem Text zustimmen?

Dr. Hans-Peter Friedrich:
Wie gesagt, wir werden nicht einem Vorschlag zustimmen, der 370 eigenständige Organisationen neben dem Bund und den Ländern gründet. Insofern werden wir auf der Basis dessen, was wir gestern besprochen haben, jetzt mit der SPD in Verhandlungen treten.

Frage:
Wo sehen Sie denn da die Hürden in den Verhandlungen mit der SPD, die jetzt anstehen?

Dr. Hans-Peter Friedrich:
Ich denke, dass wir mit der SPD gut zurecht kommen werden, denn die SPD hat natürlich genauso wie wir vor Augen die Situation in den Kommunen. Es geht jetzt um die Bürgerinnen und Bürger, die betroffen sind, die nach Möglichkeit nicht zu verschiedenen Behörden gehen wollen, sondern zu einer Behörde, und das ist, denke ich, machbar. Wir wollen eine möglichst unkomplizierte saubere Lösung zugunsten der Betroffenen. Das lässt sich machen und das lässt sich, glaube ich, auch im Interesse der Kommunen und des Bundes gestalten.

Frage:
Und es soll, Herr Friedrich, in Zukunft so sein, dass es nicht nur diese Argen weiter gibt, die Jobcenter, also die gemeinsamen Organisationen von Arbeitsagentur und Gemeinden, sondern es soll für die Städte und Gemeinden auch die Möglichkeit geben, gänzlich die Verantwortung in diesem Bereich zu nehmen. Schaffen wir also jetzt wieder zwei Systeme?

Dr. Hans-Peter Friedrich:
Wir haben momentan drei Systeme, die problemlos funktionieren. Zum Teil gibt es Kommunen, die die Betreuung komplett selbst übernommen haben, die sogenannten Optionskommunen, 69 an der Zahl. Wir haben die sogenannten Arbeitsgemeinschaften, Argen, wo beide, wo Bund und Kommunen zusammenwirken, und wir haben als dritte Form auch heute schon die komplette Trennung. In einigen Kreisen und Großstädten werden die Aufgaben getrennt wahrgenommen. Das funktioniert überall so und da, wo die entsprechenden Stellen sich gemeinsam einigen, glaube ich, ganz hervorragend, und daran soll sich auch in der Zukunft nichts ändern. Wir wollen formulieren, dass Bund und Kommunen zusammenwirken können, nicht müssen. Das muss man vor Ort, glaube ich, jeweils entscheiden. Hier soll also ein Maximum an Entscheidungsfreiheit der Kommunen und der Behörden vor Ort ermöglicht werden. Ich denke, das ist der wichtige Ansatz, auch für uns politisch wichtige Ansatz, dass wir möglichst dezentrale bürgernahe Strukturen schaffen.

Frage:
Die SPD hat sich ja in diesem Punkt bisher sehr zurückgehalten. Anders formuliert: Sie hat nicht gerade eine große Neigung gezeigt, die Zahl dieser sogenannten Optionskommunen auszuweiten. Rechnen Sie damit harten Verhandlungen mit der SPD?

Dr. Hans-Peter Friedrich:
Wir werden mit der SPD reden, was da möglich ist. Die Möglichkeit, eine Optionskommune zu gründen, muss natürlich auch ausgestaltet werden durch ein einfaches Gesetz und in diesem einfachen Gesetz, dass man dann neben der Verfassungsänderung gestalten müsste, könnte man durchaus auch eine zahlenmäßige Begrenzung aufnehmen, sicher nicht in der Verfassung, aber in diesem Gesetz, und wenn man sich da mit der SPD einigen kann, wäre das sicher eine Möglichkeit.

Frage:
Herr Friedrich, nun klingt es in Ihren Worten so, als sei eine Einigung ganz unkompliziert möglich, als läge sie schon längst auf dem Tisch, als hätten sich die Strukturen, die bestehen, längst bewährt. Warum dann also nicht gleich? Warum diese jahrelange Hängepartie?

Dr. Hans-Peter Friedrich:
Wir haben zwei wichtige Punkte, die ein Novum bedeuten, nämlich zum ersten Mal werden die Kommunen als eigenständige Aufgabenträger in der Verfassung genannt. Das ist ein großer Schritt für die Länder, ich denke das muss man sehen, dass die Kommunen anerkannt werden als Aufgabenträger. Das ist möglicherweise auch nicht ganz ohne Rechtsfolgen. Dazu mussten sich die Länder zunächst erst durchringen. Aber der zweite Punkt: Wir mussten als Bund darauf bestehen, dass auch die Verwendung unserer Mittel kontrolliert werden kann. Auch da gab es zunächst Widerstand, aber ich denke, dass das ganz selbstverständlich ist, dass das notwendig ist, und auch dazu haben die Länder jetzt grünes Licht gegeben. Insofern haben wir zäh und hart verhandelt, aber am Ende erfolgreich.

Frage:
Ursula von der Leyen dagegen ist mit ihrem ersten größeren Gesetzesprojekt gescheitert. Ist sie in ihrem neuen Amt nun beschädigt?

Dr. Hans-Peter Friedrich:
Überhaupt nicht! Ursula von der Leyen hat das gemacht, was wir gemeinsam zunächst verabredet hatten im Koalitionsvertrag, nämlich eine Lösung ohne Grundgesetzänderung zu erreichen. Das war der Versuch. Nun erklären uns die Länder, auch viele Kommunen, ohne Grundgesetzänderung geht es nicht, und deswegen waren die Verhandlungen gestern notwendig. Aber das hat mit der erfolgreichen Arbeit von Ursula von der Leyen nichts zu tun.

Frage:
Hans-Peter Friedrich, der Vorsitzende der CSU-Landesgruppe im Bundestag, heute Morgen im Deutschlandfunk. Vielen Dank, Herr Friedrich, für das Gespräch.

Dr. Hans-Peter Friedrich:
Gerne!

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