Gastbeitrag für Braunschweiger Zeitung

Das „lernende“ Verfahren des Bundestags erlaubt bis zuletzt differenzierte Lösungen und Kompromisse. Diese Feinsteuerung bietet ein Volksentscheid nicht, meint Hans-Peter Uhl in seinem Gastbeitrag für die Braunschweiger Zeitung: „Volksentscheide bringen keine bessere Demokratie.“

Volksentscheide können in Kommunen und vielen Bundesländern sinnvoll eingesetzt werden. Sie führen jedoch nicht unbedingt zu einer stärkeren Bürgerbeteiligung – wie das geringe Interesse an den Berliner Volksentscheiden zu Tempelhof oder zum Religionsunterricht gezeigt hat.

Auf Bundesebene könnten Volksentscheide hilfreich sein, um die politische Klasse deutlich auf gesellschaftliche Interessen hinzuweisen. Ein gutes Beispiel ist der Schweizer Entscheid gegen Minarette: Das Urteil kommt nicht von einem einzelnen „Bösewicht“ – man denke an Sarrazin –, sondern von einer eindrucksvollen demokratischen Mehrheit. An dieser Mahnung kommt niemand vorbei. Die Sorge vor einer Parallelgesellschaft ist ernst zu nehmen – vor Muslimen, die sich nicht integrieren wollen, sondern nach Dominanz streben. Ein traditionell-osmanisches Minarett fügt sich schlecht in ein gewachsenes Stadtbild ein. Andererseits eignet sich gerade eine solche (bauliche) Frage nicht, um in einem nationalen Entscheid pauschal geregelt zu werden. Dies sollte lokal im Einzelfall verhandelt werden.

Generell werden auf Bundesebene kaum Einzelprojekte entschieden. Die Weiterentwicklung des Rechts bezieht sich auf komplexe Sachverhalte, arbeitet mit umfangreichen Texten und technisch-fachlichen Begriffen. Ein grobes Pro- und Contra-Schema kann hier selten angelegt werden. Das „lernende“ Verfahren des Bundestags erlaubt bis zuletzt differenzierte Lösungen und Kompromisse. Diese Feinsteuerung bietet ein Volksentscheid nicht.

Die bewährten parlamentarischen Verfahren der Bundesgesetzgebung bieten Raum für gesellschaftlichen Dialog und identifizieren politische Verantwortung. Volksentscheide bringen keine bessere Demokratie.

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