Dr. Hans-Peter Friedrich im Gespräch mit Dirk Müller, Deutschlandradio, zu den Zielen der Koalition

Der neue CSU-Landesgruppenchef im Bundestag, Dr. Hans-Peter Friedrich, hat die Steuersenkungspläne der Koalition verteidigt. Angesichts der wirtschaftlichen Lage gehe es jetzt darum, Wachstumsimpulse zu setzen und die Unternehmen von Fesseln zu befreien. Man habe aber auch klare Vorstellungen, wie man die Schulden wieder abbauen könne.

Dirk Müller:
Aus Berlin ist zu hören, suboptimal ist es gelaufen. Zu diesem Wort können sich selbst die neuen schwarz-gelben Koalitionäre durchringen und meinen damit den Start der Wunschkonstellation. Suboptimal, also nicht gerade gut waren die Anfänge unter der neuen Regierung Merkel-Westerwelle. Der Steuerstreit, die Auseinandersetzung um die Haushaltspolitik, die Gräben in der Gesundheitspolitik und dann gab es auch noch so etwas wie eine dreistündige Forderung nach einer PKW-Maut, und da ist auch noch Opel und General Motors. Heute die Regierungserklärung der Kanzlerin im Deutschen Bundestag. Die sollte aus einem Guss sein, die sollte die Koalition zusammenschweißen, fordern viele Abgeordnete aus Union und FDP. "Von wegen" sagt da die Opposition.

Die Regierungserklärung der Kanzlerin also heute im Bundestag. Darüber sprechen wollen wir nun mit dem neuen CSU-Landesgruppenchef im Bundestag, Hans-Peter Friedrich, der auch heute Redepremiere hat in dieser Funktion. Guten Morgen!

Dr. Hans-Peter Friedrich:
Guten Morgen aus Berlin!

Dirk Müller:
Herr Friedrich, haben Sie schon Lampenfieber?

Dr. Hans-Peter Friedrich:
Na ja, so ein bisschen. Beim ersten Mal als Landesgruppenvorsitzender, das bleibt nicht aus.

Dirk Müller:
Werden Sie angreifen?

Dr. Hans-Peter Friedrich:
Nein, bestimmt nicht. Ich bin wild entschlossen, konstruktiv und sachlich das, was wir uns vorgenommen haben in dieser Koalition, darzustellen und das zu ergänzen, was Angela Merkel, die Bundeskanzlerin, schon in ihrer Regierungserklärung dazu sagen wird.

Dirk Müller:
Können Sie das, Herr Friedrich, nachvollziehen, dass Millionen - und nicht nur die Opposition im Bundestag - viele Fragezeichen haben mit Blick auf viele ungeklärte Fragen?

Dr. Hans-Peter Friedrich:
Zunächst mal überhaupt keine Frage, dass in einer so komplizierten Zeit wie heute, mit Wirtschaftskrise, mit vielen offenen Fragen auch in der Gesellschaft, viele Fragen auch an die Politiker gestellt werden. Aber ich denke, dass wir insgesamt mit diesem Koalitionsvertrag ein Gesamtwerk, das deutlich macht, wo wir hin wollen, verabschiedet haben und wir werden das heute darstellen.

Dirk Müller:
Sie wollen Steuersenkungen mit neuen Schulden. Seit wann ist das solide Politik?

Dr. Hans-Peter Friedrich:
Zunächst einmal wichtig ist, dass wir Wachstum in diesem Lande wieder schaffen. Wir müssen zurück zu dem Produktionsniveau wie vor der Krise, und dazu ist es wichtig, dass wir Impulse geben. Impulse, das bedeutet, dass wir Fesseln wegnehmen von den Unternehmen, dass wir psychologisch auch Signale setzen in die Wirtschaft, und dann haben wir eine gute Chance, dass wir aus dieser Krise herauskommen und dass wir dann auch die Bedingungen der Schuldenbremse, die ich übrigens selbst mit vereinbart habe in der Föderalismuskommission, einhalten.

Dirk Müller:
Aber Schulden geben ja auch Impulse, wenn auch in die andere Richtung.

Dr. Hans-Peter Friedrich:
Zunächst mal muss man sagen, dass in einer konjunkturell schwierigen Lage - und wenn die Konjunktur nach unten geht auch die Schuldenbremse vorsieht -, dass man mehr Kredit aufnehmen kann. Das ist automatisch so. Wir haben die sogenannten automatischen Stabilisatoren. Es wird mehr Arbeitslosenhilfe zum Beispiel ausgezahlt. Das alles, muss man sehen, gehört zusammen. Aber wichtig ist, dass wir auch klare Vorstellungen haben, wie wir diese Schulden wieder zurückzahlen. Das ist Bestandteil der Schuldenbremse und das ist auch unabdingbarer Bestandteil unserer Pläne.

Dirk Müller:
Sie haben Ideen dafür, aber woher kommt das Geld zum Zurückzahlen?

Dr. Hans-Peter Friedrich:
Wie gesagt, Wachstum ist die wichtigste Voraussetzung. Ich glaube, dass zu viele Umverteilungspolitiker viel zu statisch denken. Sie denken, wir haben einen bestimmten Betrag X, den wir verteilen müssen auf so und so viele Köpfe; das ist nicht so. Die Wirtschaft wächst, die Wirtschaft entwickelt sich und je mehr es uns gelingt, unsere deutsche Wirtschaft auch wieder im Exportgeschäft flott zu machen, umso mehr haben wir auch Chancen, das alles, was wir zurecht an Wünschen in Deutschland haben, zu finanzieren.

Dirk Müller:
Wir haben in den vergangenen Jahren häufig von der CSU, auch von der FDP gehört (aber reden wir über die CSU), auch Sparen ist eine Tugend. Wo sparen Sie?

Dr. Hans-Peter Friedrich:
Das ist zweifellos richtig, wobei ich glaube, dass das völlig überbewertet wird. Wenn wir es schaffen, dass wir die Ausgaben im Lande nicht weiter ansteigen lassen, dann werden wir automatisch durch die Steigerung des Bruttosozialprodukts einen Rückgang der Schuldenstandsquote haben, und das ist eigentlich das Ziel, um das es geht.

Dirk Müller:
Also man braucht nicht mehr sparen?

Dr. Hans-Peter Friedrich:
Sparen muss man natürlich insofern, als man nicht zusätzlich neue Ausgaben macht, aber ich denke, es würde ausreichen, wenn wir das Ausgabenniveau, das wir haben, einfrieren und gleichzeitig mit neuem Wachstum dann dafür sorgen, dass Schulden zurückgedreht werden.

Dirk Müller:
Das ist eine neue Definition von Sparen. Sparen heißt, wenn ich Sie richtig verstanden habe, nicht mehr Geld ausgeben?

Dr. Hans-Peter Friedrich:
Sparen heißt für mich zunächst mal nicht mehr Geld ausgeben - das ist, glaube ich, ein ganz, ganz wichtiger Punkt -, sich auch zu bescheiden in der Zukunft bei vielen Wünschen, die man hat, ein bisschen kürzer zu treten. Das ist, glaube ich, ein wichtiger Punkt. Wir haben das übrigens mal ausgerechnet. Wenn wir vor 10 Jahren schon einen ausgeglichenen Haushalt gehabt hätten und nicht mehr ausgegeben hätten als wir einnehmen, dann hätten wir heute eine Schuldenstandsquote von nur noch 25 Prozent. Also das funktioniert!

Dirk Müller:
Weil es auch die Große Koalition verpasst hat, in guten Zeiten abzubauen?

Dr. Hans-Peter Friedrich:
Sicher wäre das eine oder andere auch da mehr wünschenswert gewesen, aber die Große Koalition war sich leider nicht immer so einig, wie jetzt die neue schwarz-gelbe es ist.

Dirk Müller:
Die CSU ist nur noch die dritte Kraft in der Koalition, also hinter der FDP. Hat die bayerische Trumpfkarte damit ausgespielt?

Dr. Hans-Peter Friedrich:
Die CSU ist sehr selbstbewusst. Wir haben das erste Mal in der Geschichte überhaupt alle 45 Bundestagswahlkreise in Bayern gewonnen, direkt gewonnen. Wir haben also sozusagen die höchste Form der demokratischen Legitimation von unseren Wählern bekommen. Wir sind als CSU Bestandteil dieser Koalition und notwendig. Wenn wir nicht mitstimmen, hat diese neue Koalition keine Mehrheit. Also insofern sehen wir uns als gleichberechtigten, starken und auch konstruktiven Partner in dieser Koalition.

Dirk Müller:
Wenn die CSU noch dieses Droh- und auch Druckpotenzial hat, wie Sie es gerade beschreiben, Herr Friedrich, werden Sie dann etwas daran ändern, dass die FDP einen Stufentarif haben möchte?

Dr. Hans-Peter Friedrich:
Zunächst mal muss man sehen, was dieser Stufentarif überhaupt ist. Darüber reden ja viele Leute, ohne sich klar zu machen, was das bedeutet. Der Stufentarif ist ja im Grunde eine Vereinfachung. Man hat also keinen linear ansteigenden Tarif, sondern man auf mehreren Stufen sozusagen einen gleichbleibenden Tarif. Es ist eine Vereinfachung. Diese Idee wurde schon in den 90er-Jahren auch von CDU-Politikern propagiert. Das ist auch eine gute Idee. Allerdings hat sie den Nachteil, dass dieses Einziehen dieser Stufen sehr, sehr viel Geld kostet, und wir müssen sehen, was wir uns da leisten können, wie schnell wir Stufen einziehen können, welche Stufen im Einzelnen wir einziehen wollen, und das alles werden wir im nächsten Jahr ganz ruhig und sachlich miteinander besprechen, FDP, CDU, CSU, und dann werden wir zu einer Lösung kommen.

Dirk Müller:
Dann haben wir CSU-Parteichef Horst Seehofer falsch verstanden, der da sagt, mit dem Stufentarif das wird schwierig.

Dr. Hans-Peter Friedrich:
Wenn man sich vorstellt, dass wir von heute auf morgen einen Drei-Stufen-Tarif einführen, dann wird es sicher schwierig bis unmöglich werden. Wenn man sich aber vorstellt, dass wir vielleicht mal, wenn wir Spielräume haben, 2011 mit einer ersten Stufe beginnen, die ja schon eine Menge Entlastungspotenzial haben muss, und vielleicht später eine weitere Stufe einziehen, dann machen wir einen Einstieg im Sinne der FDP, aber auch ein uns Strecken nach der Decke, wie wir es fordern, und ich glaube, das ist eine gute Sache. Es gibt immer Lösungen und Kompromissmöglichkeiten, die auch in die Zukunft weisen.

Dirk Müller:
Das hört sich aber mehr nach Kosmetik, denn nach Substanz an.

Dr. Hans-Peter Friedrich:
Überhaupt nicht. Das ist überhaupt keine Kosmetik, sondern das ist sozusagen die Verwirklichung von Zielen, die man sich vorgenommen hat, Schritt für Schritt, und das ist, glaube ich, Politik, weil es was mit Realität zu tun hat, dass man leider nicht immer alles auf einmal haben kann.

Dirk Müller:
Gesundheitspolitik, Herr Friedrich. Macht die CSU mit, die paritätische Mitfinanzierung aufzuheben?

Dr. Hans-Peter Friedrich:
Ich glaube, die Gesundheitspolitik ist ein ganz komplexes Thema. Da geht es um die Leistungsseite auf der einen Seite, sehr, sehr umstritten. Wir reden jetzt um die Finanzierung. Das, was Sie angesprochen haben, paritätische Finanzierung, heißt, Arbeitgeber, Arbeitnehmer finanzieren gleichermaßen die Krankenkassenbeiträge.

Dirk Müller:
Soll das so bleiben?

Dr. Hans-Peter Friedrich:
Das hat zur Folge, das muss man wissen, wenn wir ein weiteres Ansteigen der Gesundheitskosten haben, dass jedes Mal, wenn diese Beiträge ansteigen, Arbeitsplätze in Deutschland vernichtet werden. Das kann auf Dauer nicht so bleiben.
Dirk Müller:
Also soll der Arbeitnehmer zahlen?

Dr. Hans-Peter Friedrich:
Nein! Ich bin dafür, dass der Arbeitgeberbeitrag auf einer bestimmten Stelle eingefroren wird und wir das, was dann an Lücke entsteht, aus Steuermitteln finanzieren. Das halte ich für dringend notwendig und das wäre dann auch ein solidarischer Beitrag aller Steuerzahler und nicht nur der in der gesetzlichen Krankenversicherung Versicherten.

Dirk Müller:
Arbeitgeber werden geschont?

Dr. Hans-Peter Friedrich:
Arbeitgeber werden nicht geschont, sondern Arbeitsplätze in Deutschland bleiben erhalten, indem nicht jedes Mal, wenn Sozialkosten ansteigen, Menschen in Deutschland entlassen werden, weil die Lohnkosten, die Lohnnebenkosten zu hoch werden.

Dirk Müller:
Bei uns im Deutschlandfunk der neue CSU-Landesgruppenchef im Bundestag, Hans-Peter Friedrich. Vielen Dank für das Gespräch und auf Wiederhören.

Dr. Hans-Peter Friedrich:
Gerne!

© 2009 Deutschlandradio

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