CSU-Landesgruppenvorsitzender Peter Peter Ramsauer im Interview mit dem Hamburger Abendblatt. Das Interview führten Florian Kain und Barbara Möller. Veröffentlichung mit freundlicher Genehmigung des "Hamburger Abendblatts"

Frage:
Herr Peter Ramsauer, steht der Termin für die groß angekündigte Präsentation des gemeinsamen Wahlprogramms von CDU und CSU eigentlich noch?

Peter Ramsauer:
Wieso fragen Sie? Wir haben einen gemeinsamen Fahrplan festgelegt, und der gilt weiterhin. Am Sonntag tagen die Vorstandschaften von CDU und CSU, und am kommenden Montag werden wir der Öffentlichkeit unser Programm vorstellen.

Frage:
Aber es wird noch heftig um ein pikantes Detail gestritten. Die CSU fordert plötzlich, in das Programm genaue Daten für Steuerentlastungsstufen aufzunehmen – und die CDU ist strikt dagegen.

Peter Ramsauer:
Das ist kein Streit. Im Kern sind sich CDU und CSU einig, dass die Einkommensteuer weiter gesenkt werden soll, indem wir den Eingangssteuersatz senken und die kalte Progression abmildern. Dadurch werden zurzeit diejenigen belastet, die in Deutschland den Karren ziehen – die Leistungsträger, die von jeder Gehaltserhöhung derzeit so viel an den Staat abgeben müssen, dass fast nichts mehr übrig bleibt. Außerdem werden wir Korrekturen im Bereich der Erbschafts- und Umsatzsteuer vornehmen.

Frage:
Trotzdem sind sich beide Parteien weiter uneins darüber, ob diese Maßnahmen bereits im Programm an ganz konkrete Daten geknüpft werden. Sie haben den Entwurf des Programms für die CSU mit verfasst…

Peter Ramsauer:
… und ich sage: Es wäre sehr plausibel, ja, einfach nur logisch, an die bereits beschlossenen Entlastungen für die Jahre 2009 und 2010 anzuschließen. Dass hieße, unter anderem den Eingangssteuersatz 2011 von 14 auf 13 Prozent und 2012 von 13 auf 12 Prozent zu senken und auch den Betrag, bei dem der Spitzensteuersatz greift, in zwei Stufen anzuheben.

Frage:
Das steht so bislang aber noch nicht im Entwurf.

Peter Ramsauer:
Das ist der Vorschlag meiner Partei, und ich mache ihn mir als Spitzenkandidat für die Bundestagswahl zueigen. Ich weigere mich aber, das Gespräch um Jahreszahlen ins Zentrum der steuerpolitischen Auseinandersetzung zu stellen. Wir werden bis Montag eine Lösung finden und unseren politischen Gegnern nicht den Gefallen tun, uns darüber öffentlich zu zerstreiten. Geschlossenes Auftreten ist eine wesentliche Voraussetzung für den gemeinsamen Erfolg. Nicht nur unsere Stammwähler, auch die Wechselwähler werden sehr genau darauf achten, wie einheitlich die Schwesterparteien für ihre Ziele eintreten. Streit ist ein schlechter Ratgeber für Wahlkämpfe.

Frage:
Wer soll der Union überhaupt glauben, dass in diesen schwierigen Zeiten und angesichts der Rekordverschuldung Spielraum für Steuersenkungen existiert?

Peter Ramsauer:
Zum Beispiel all jene, die aufgrund der ersten vereinbarten Senkungsschritte bereits seit Jahresbeginn mehr Geld im Portemonnaie haben. Wir halten unser Wort! Das, was in den nächsten Jahren an weiteren Entlastungen kommen soll, ist die konsequente Fortsetzung des bereits eingeschlagenen Wegs. Glaubwürdiger geht es nicht.

Frage:
Es gibt in der Union Kollegen, die gerade keine weiteren Spielräume sehen.

Peter Ramsauer:
Wer behauptet, es gäbe keinen weiteren Spielraum für Steuersenkungen, hat Unrecht. Ich empfehle die Lektüre der Steuerschätzung, die gerade veröffentlicht wurde. Die besagt, dass wir – sollte es nicht zu den von uns geplanten weiteren Entlastungsschritten kommen – 2013 sogar noch 48 Milliarden Euro mehr in der Steuerkasse haben werden als in diesem Jahr. Einen Teil dieses Geldes sollten wir den Bürgern lieber gleich lassen.

Frage:
Wie sehen Sie vor diesem Hintergrund die aufkommende Debatte darum, ob in der kommenden Legislaturperiode die Mehrwertsteuer ein weiteres Mal kräftig angehoben werden muss?

Peter Ramsauer:
Wir werden uns nicht die Forderungen von verrückt gewordenen Professoren aus irgendwelchen Forschungsinstituten zueigen machen. Wir lassen uns von solchen Wissenschaftlern nicht in die politische Suppe spucken. Mit uns wird es keine Mehrwertsteuererhöhung nach der Wahl geben.

Frage:
Das Programm enthält ein klares Bekenntnis zu einer Koalition mit den Liberalen. Was sagen Sie vor diesem Hintergrund zu der aufgeflammten Diskussion um Schwarz-Grün?

Peter Ramsauer:
Das ist eine Phantomdiskussion. Sie ist nur dazu geeignet, unsere Stammwähler zu verstören.

Frage:
Aber es war Ihr Parteikollege Karl-Theodor zu Guttenberg, der sie aufgebracht hat.

Peter Ramsauer:
Den man fehl interpretiert hat.

Frage:
In Hamburg klappt Schwarz-Grün doch ganz gut.

Peter Ramsauer:
Das kann so sein, aber für die Bundesebene sehe ich da keinerlei Chancen. Im Übrigen gibt das konservative Leitbild CDU und CSU ja geradezu auf, eine ökologisch nachhaltige Politik zu betreiben.

Frage:
Das spräche doch gerade für Schwarz-Grün.

Peter Ramsauer:
Nein. Das beweist, dass es der Grünen überhaupt nicht bedarf. Abgesehen davon kämen wir in der Energiepolitik auf keinen gemeinsamen Nenner, denn wir halten die Verlängerung der Kernkraftlaufzeiten für unabdingbar. X-beliebig zusammengewürfelte Lebensgemeinschaften sind aus unserer Sicht auch keine Familien, und eine Zuwanderungspolitik, wie sie die Grünen wollen, ist mit uns auch nicht zu machen.

Frage:
Doch gilt in der Union auch vieles von dem, was die Liberalen fordern, als unvereinbar mit dem Wertekanon der Union. Beispielsweise in der Gentechnologie oder in der Stammzellenforschung.

Peter Ramsauer:
Es stimmt, dass die FDP aus ihrem liberalistischen Weltbild heraus beispielsweiseeine ethisch schrankenlose Forschung will, die mit uns nicht zu machen ist. Die Koalitionsverhandlungen mit der FDP werden nicht ganz einfach. Aber in den Differenzierungen liegen ja auch Möglichkeiten, das bürgerliche Wählerpotenzial auszuschöpfen. Andererseits gibt es weitgehende Übereinstimmungen in der Wirtschafts-, Steuer- und Finanzpolitik, also auf den zentralen Feldern der nächsten Legislaturperiode.

Frage:
Wenn Abgrenzung so wichtig ist, welchen Sinn hat dann die Koalitionsaussage zugunsten der Liberalen, die Sie im Wahlprogramm festschreiben werden?

Peter Ramsauer:
Der Wähler muss Klarheit darüber haben, was wir nach der Wahl machen wollen. Ich warne aber trotzdem alle, die mit der Idee spielen, dieses Mal vielleicht FDP zu wählen, vor dem Risiko, das damit verbunden ist: Falls es am 27. September für Schwarz-Gelb nicht reicht – was wir nicht hoffen wollen –, könnten die Liberalen entgegen Guido Westerwelles Beteuerungen mit SPD und Grünen eine Ampelkoalition bilden.

Frage:
Ist das Unionswahlprogramm aus Ihrer Sicht linker als das von 2005?

Peter Ramsauer:
Weder linker noch rechter. Unser Forderungskatalog ist realistischer als letztes Mal. Die marktliberale Grundtonalität des alten Programms ist herausgefallen. Das ist auch gut so, denn CDU und CSU müssen Volksparteien bleiben. Die CDU lief vor vier Jahren Gefahr, sich zu einer ordoliberalen Klientel-Partei zu entwickeln. Es ist richtig dass dieser Kurs korrigiert wurde. Die CSU hat das nie nötig gehabt. Sie hat auch die Interessen der Arbeitnehmer immer im Blick gehabt, und deshalb sagen manche: Die CSU ist die letzte große Volkspartei in ganz Europa.

Frage:
Für Irritationen hat in den zurückliegenden Wochen das Gerücht gesorgt, dass Horst Seehofer wieder mit seiner Ex-Geliebten zusammen sei. Wann haben Sie zum ersten Mal von diesem Gerücht gehört?

Peter Ramsauer:
Ich halte mich an das bewährte Rezept meines Parteivorsitzenden, diese Dinge nicht zu kommentieren. Die Art und Weise, wie die Gerüchte wieder abflauen, zeigt, dass dieses Rezept richtig ist.

Frage:
Die „taz“ hat in diesem Zusammenhang getitelt: „CSU wieder schwanger“. Fanden Sie das witzig?

Peter Ramsauer:
Das habe ich gar nicht gelesen.

Frage:
Dann war es auch kein Thema in der CSU-Landesgruppe?

Peter Ramsauer:
Nein.

Frage:
Was hat sich in der CSU geändert, seit Seehofer Vorsitzender ist?

Peter Ramsauer:
Wir haben inzwischen eine sehr straffe Führungskultur umgesetzt. Es gibt eine intensive, andauernde, kontinuierliche Verständigung zwischen München und Berlin. Wir haben uns inhaltlich sehr klar positioniert, etwa in der grünen Gentechnik, aber noch viel deutlicher in vielen außenpolitischen Fragen.

Frage:
Welche Perspektiven sehen Sie für sich nach der nächsten Bundestagswahl?

Peter Ramsauer:
Ich werde mich zwei Tage nach der Bundestagswahl als Landesgruppenvorsitzender zur Wiederwahl stellen.

Frage:
Sie können sich also keine Rolle im Kabinett vorstellen?

Peter Ramsauer:
An solchen Spekulationen beteilige ich mich nicht.

Frage:
Man weiß, dass Sie sich für Außenpolitik interessieren…

Peter Ramsauer:
Jetzt bestrafe ich Sie mit einer viertelstündigen Rede!

Frage:
Danke, nicht nötig.

Peter Ramsauer:
Nur soviel: Auch wenn meine Reise nach Teheran im vergangenen Jahr keineswegs bei allen auf ungeteilte Freude gestoßen ist, kann ich doch heute sagen: Wie richtig war das! Wie viel mehr müsste man eigentlich mit dem Iran und den verschiedenen Kräften dort sprechen! Ich sage Ihnen: Außenpolitik ist immer eine Domäne der CSU gewesen. Und es ist keineswegs in Stein gemeißelt, dass die FDP das Außenministerium bis zum jüngsten Tag für sich beanspruchen kann.

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