Beschluss der CDU/CSU-Bundestagsfraktion

In allen Mitgliedstaaten der Europäischen Union verdienen Frauen weniger als Männer - der geschlechterbezogene Einkommensunterschied beträgt im Durchschnitt 17,4 Prozent. Deutschland liegt mit einer Entgeltlücke von 23 Prozent im europäischen Vergleich auf einem der hinteren Plätze. Dabei gibt es ein deutliches Gefälle zwischen West- (24%) und Ost-Deutschland (6%). Die Verdienstabstände fallen in einzelnen Wirtschaftsbereichen unterschiedlich hoch aus, und sie werden mit höherer Ausbildung und mit zunehmendem Alter der Frauen größer. Es gibt ferner einen deutlichen Unterschied im Lohnabstand zwischen ländlichen Gebieten (33%) und Großstädten (12%). Jüngere Frauen holen aber aufgrund ihrer besseren Qualifikation auf – auch hat sich die gesellschaftliche Realität gewandelt: Frauen sind und wollen häufig nicht mehr nur „Hinzuverdiener“ sein, sondern den Lebensunterhalt für sich und ihre Familie mitbestreiten.
 
Da der Grundsatz der Entgeltgleichheit im deutschen Recht schon lange verankert ist, sind Lohnunterschiede oft auf versteckte Ursachen zurückzuführen, die es herauszufiltern und zu bekämpfen gilt. Die Ursachen sind vielfältig. Sie beginnen bei der Ausbildungs-und Berufswahl von Frauen und führen über Erwerbsunterbrechungen während der Familienphase bis hin zu schlechteren Aufstiegschancen – auch von kinderlosen – Frauen. Im Ergebnis haben die Unterschiede außerdem negative Auswirkungen auf die Altersvorsorge von Frauen. Die Bekämpfung der Ursachen der Entgeltungleichheit ist daher eine zentrale Herausforderung der Gleichstellungspolitik, die nur in präziser Kenntnis der Ursachen gelingen kann.
 
Ausbildungs- und Berufswahl
Junge Frauen konzentrieren sich bei ihrer Ausbildungs- und Berufswahl immer noch auf Berufe, die zum Teil weniger Karriere- und Aufstiegsmöglichkeiten bieten. So beginnen über die Hälfte der jungen Frauen eine Ausbildung in einem von nur zehn Berufen, darunter zum Beispiel Bürokauffrau, Kauffrau im Einzelhandel, Arzthelferin und Friseurin – allesamt Berufe mit geringen Karrierechancen.
 
Es ist daher wichtig, Mädchen das breite Spektrum an Berufen - insbesondere technische Berufe - schmackhaft zu machen, aber auf der anderen Seite auch bei Jungen für Berufe zu werben, bei denen sie schwach vertreten sind (Erzieher, Grundschullehrer, Alten- und Krankenpfleger). Dabei soll aber niemand in bestimmte Berufe gedrängt werden, sondern Interesse an verschiedenen Berufen sowie das Selbstvertrauen geweckt werden, diese zu erlernen. Die bisher existierenden Programme wie z.B. Girls‘ Day, Neue Wege für Jungs, Nationaler Pakt für Frauen in MINT-Berufen (MINT = Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften, Technik) zielen in die richtige Richtung.
 
Daneben geht es um die Problematik der Unterbewertung von frauendominierten Tätigkeiten in tariflichen und betrieblichen Regelungen und Praktiken. So werden häufig Tätigkeiten, die hauptsächlich von Männern ausgeübt werden, anders gewertet als solche, die überwiegend in Frauenhand sind. Dies gilt zum Beispiel für die körperliche Beanspruchung auf einer Baustelle oder die Verantwortung für Mitarbeiter, die stärker gewichtet und somit höher entlohnt werden als z.B. die körperliche Beanspruchung und die Verantwortung für Menschen in pflegenden Berufen.
 
Frauen in Führungspositionen
Frauen erreichen nicht in gleicher Zahl Führungspositionen wie Männer. Insgesamt ist festzustellen, dass der Frauenanteil in Führungspositionen mit der Größe des Unternehmens und auch mit steigender Hierarchie im Unternehmen abnimmt: Frauen gelingt es eher, in kleinen und mittleren Unternehmen Führungspositionen einzunehmen. In Großkonzernen dagegen sind Vorstände und Aufsichtsräte und selbst die zweite Führungsebene fast ausschließlich männlich.
 
Es gilt, die Unternehmen mit ins Boot zu holen und ihnen deutlich zu machen, welche negativen Konsequenzen der demographische Wandel mit seinem Fachkräftemangel für sie hat - und wie wichtig es für die Zukunftsfähigkeit ihres Unternehmens ist, für Frauen als Leistungsträgerinnen bessere Bedingungen zu schaffen.
 
Vereinbarkeit Beruf und Familie
Frauen wird immer noch die Hauptverantwortung für die Familienarbeit zugeschrieben, den Männern die Zuständigkeit für den Familienunterhalt. Viele Frauen unterbrechen daher ihre Erwerbstätigkeit für die Erziehung der Kinder. Nach längeren familienbedingten Erwerbsunterbrechungen können Frauen jedoch den Einkommensvorsprung ihrer männlichen Kollegen nicht mehr leicht aufholen. In vielen Fällen führt die Entscheidung für eine längere Erwerbsunterbrechung im Nachhinein zu Schwierigkeiten, überhaupt in die Erwerbstätigkeit zurückkehren zu können.
 
Ohne eine Neuausrichtung der Verantwortlichkeiten in Familie und Beruf und ohne das Bereitstellen der hierfür erforderlichen Rahmenbedingungen ist Gleichstellung nicht durchsetzbar. Durch die Einführung der sog. Vätermonate beim Elterngeld werden die Familienphasen nicht mehr nur von den Frauen übernommen. Es ist zu hoffen, dass die stärkere Beteiligung von Männern in Zukunft zu einer Öffnung der starren Rollenbilder führt.
 
Trotz aller bisher beschlossenen Maßnahmen bestehen immer noch Probleme bei der Vereinbarkeit von Beruf und Familie. Viele Mütter – aber inzwischen auch immer mehr Väter – möchten zumindest für einen gewissen Zeitraum ihre Erwerbstätigkeit unterbrechen oder flexible Arbeitszeitmodelle in Anspruch nehmen. Doch gerade Teilzeitarbeit genießt in der Regel ein geringeres Ansehen als eine Vollzeittätigkeit. In Gehaltsverhandlungen spielt deshalb für Frauen häufig nicht die Bezahlung eine Rolle, sondern sie verhandeln ein Paket, in dem die Vereinbarkeit von Familie und Beruf ein wichtiger Faktor ist.
 
Wiedereinstieg
Die Verbesserung der Wiedereinstiegschancen von Frauen ist ein zentraler Baustein zur Überwindung der fortbestehenden Entgeltungleichheit zwischen Frauen und Männern. Eine Erleichterung des beruflichen Wiedereinstiegs ist auch für die Unternehmen von Interesse: Mit maßgeschneiderten Lösungen zum Beispiel durch Urlaubsvertretungen und Teilzeitarbeit bricht der Kontakt zum Arbeitgeber nicht ab und fachliche Kompetenzen bleiben erhalten. Mit dem Programm „Perspektive Wiedereinstieg“ des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend soll der Wiedereinstieg qualifiziert gestaltet werden, so dass die verbleibenden 20 bis 30 Jahre bis zur Altersgrenze auch mit wirklichen beruflichen Aufstiegschancen verbunden sind.
 
Die CDU/CSU-Fraktion hält daher folgende Maßnahmen für erforderlich:
  1. Um das Berufswahlverhalten von Mädchen und jungen Frauen zu erweitern, sollte schon in der frühkindlichen Erziehung und fortlaufend in der schulischen Bildung das Interesse zu Naturwissenschaft und Technik geweckt und Stereotypen in Ausbildung, Studium und Beruf abgebaut werden. In diesem Zusammenhang ist zu prüfen, inwieweit stellenweise geschlechtergetrennter Unterricht zu mehr Selbstvertrauen von Mädchen führen kann. Ferner soll auf die Länder hingewirkt werden, sich bei den Hochschulen für die Errichtung neuer Studiengänge einzusetzen, die naturwissenschaftliche und technische Ausbildungsgänge mit kommunikativen und/oder sprachwissenschaftlichen Fachbereichen sinnvoll kombinieren.
  2. Es ist auf die Tarifparteien hinzuwirken, die Bewertung von gesellschaftlich wichtigen Tätigkeiten im sozialen Sektor – meist frauendominierte Branchen – (z.B. Erzieher, Lehrer, Kranken- und Altenpfleger oder Berufe im Dienstleistungssektor) zu überprüfen und evtl. aufzuwerten, so dass sie für Frauen, gerade aber auch für Männer attraktiver werden.
  3. Ferner gilt es, das Ansehen von Teilzeittätigkeit zu erhöhen und mehr Modelle für Führungsfunktionen zu schaffen.
  4. Die Vereinbarung zwischen der Bundesregierung und den Spitzenverbänden der Deutschen Wirtschaft zur Förderung der Chancengleichheit aus dem Jahr 2001 ist konsequent weiter umzusetzen und fortzuentwickeln z.B. mit unternehmensinternen Zielvorgaben zur Förderung von Frauen, der Anrechnung von in der Familienphase erworbenen Sozialkompetenzen, einem Aufbrechen der Präsenzkultur, transparenteren Gehaltsstrukturen, Mentoring-Programmen und Best Practice-Beispielen. Auch ist die Einführung eines freiwilligen Lohntests zu prüfen, wie er bereits in der Schweiz existiert (LOGIB), um mehr Transparenz zu schaffen.
  5. Um die Aufstiegschancen von Frauen zu verbessern, ist darauf hinzuwirken, die Empfehlungen des Deutschen Corporate Governance Kodex so zu ergänzen, dass eine höhere Repräsentanz von Frauen im Aufsichtsrat und auch im Vorstand gewährleistet ist. Dieses ist in geeigneter Form transparent zu machen, insbesondere auch dadurch, dass bei bestehenden Berichtspflichten – z.B. nach dem Handelsgesetzbuch – diese Berichte ergänzt werden um den Frauenanteil in Führungspositionen und um Maßnahmen zur Frauenförderung.
  6. Bei den existierenden Berichtspflichten der Bundesbehörden zu Gleichstellungaspekten müssen klare Indikatoren eingeführt werden, z.B. der Anteil von Frauen und Müttern bzw. Männer und Väter in Leitungsfunktionen, differenziert nach Leitungsebenen, damit diese Berichte besser ausgewertet werden können.
  7. Zur besseren Vereinbarkeit von Familie und Beruf soll bei den Unternehmen dafür geworben werden, Familienfreundlichkeit noch mehr als Wirtschaftsfaktor zu sehen und Maßnahmen zur besseren Vereinbarkeit von Familie und Beruf (Programme zum beruflichen Wiedereinstieg, betriebliche Kinderbetreuung, flexible Arbeitszeitmodelle, Telearbeit) einzuführen.
  8. Um Familien bei einer gewünschten Neuausrichtung der Verantwortlichkeit von Familie und Beruf zu unterstützen, sind die Partnermonate des Elterngeldes durch eine Verlängerung weiter auszubauen. Des Weiteren wird die Umsetzung des beschlossenen Ausbaus von Kinderbetreuungsplätzen mit Nachdruck vorangetrieben.
  9. Die Information über zielführende Weiterbildungsmaßnahmen und die Finanzierung für Mütter und Väter während familienbedingter Erwerbsunterbrechungen soll verbessert werden. Der unmittelbare berufliche Wiedereinstieg von Müttern und Vätern nach einer längeren familienbedingten Erwerbsunterbrechung soll entsprechend der Nachfrage mit Hilfe von Umschulungen durch die Bundesagentur für Arbeit verstärkt gefördert werden. Zur Erleichterung des Wiedereinstiegs nach einer längeren Familienphase sind starre Altersgrenzen aufzuheben, z.B. bei einer Verbeamtung.
  10. Zur Entlastung der Familien im Haushalt sind die gegenwärtigen Rahmenbedingungen für Privathaushalte bei der Inanspruchnahme haushaltsnaher Dienstleistungen so auszubauen, dass Privathaushalte wie Unternehmen behandelt werden, um mehr sozialversicherungspflichtige Beschäftigungsverhältnisse zu schaffen.

 

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