Positionspapier der CDU/CSU-Bundestagsfraktion
Die CDU/CSU-Bundestagsfraktion hat ein Positionspapier zum Bildungsgipfel verabschiedet. Darin legt sie sich auf konkrete Ziele fest, die sie bis 2015 erreichen will.
Deutschland gehört zu den wettbewerbsfähigsten Ländern der Welt und ist bevorzugter Standort für Investitionen internationaler Unternehmen. Der wesentliche Faktor dafür sind die hochqualifizierten Arbeitskräfte in Deutschland: ausgebildete Facharbeiter ebenso wie Hochschulabsolventen und Höchstleistungsträger in der Forschung. Qualifizierung ist für Deutschland der wichtigste „Rohstoff“, um auch in Zukunft im internationalen Wettbewerb konkurrenzfähig zu bleiben. Dabei umfasst Qualifizierung nicht nur Schule, Studium oder Berufsausbildung, sondern auch Lernen im gesamten Lebensverlauf.
In der Bundesrepublik Deutschland gibt es für die Bildung nicht nur eine Zuständigkeit, sondern mehrere: die der Kommunen, der Länder, des Bundes, die der Wirtschaft, aber eben auch die jedes einzelnen in seiner Eigenverantwortung. Eine Zentralisierung bedingt nicht zwingend eine Verbesserung, wie manche glauben machen wollen. Bei einem Wettbewerbs-Föderalismus, der seine Stärke im Ringen um die besten Konzepte sieht, werden mehr Entwicklungspotenziale freigesetzt und es findet keine Nivellierung auf dem kleinsten gemeinsamen Nenner statt.
Voraussetzung hierfür ist aber eine Abstimmung an den Übergängen zu den nächsten Stufen. Während die Länder für die Schulpolitik verantwortlich sind, regelt der Bund die außerschulische berufliche Qualifizierung. Hinsichtlich der Hochschulbildung verfügen Bund und Länder je über eigene Zuständigkeiten sowie über Möglichkeiten zu gemeinsamen Initiativen. Der Arbeitsmarkt, die Bundesagentur für Arbeit und die berufliche Weiterbildung fallen in die Zuständigkeit des Bundes und der Arbeitgeber. Wegen der Verzahnung der einzelnen Bildungsbereiche ist stets eine enge Kooperation erforderlich.
Dabei geht es nicht darum, Strukturen zu vereinheitlichen und Detailvorgaben hinsichtlich der Umsetzung von Bildungsstandards zu erarbeiten. Vielmehr gilt es, miteinander Ziele zu vereinbaren, um an den Übergängen (Schulreife, Ausbildungsreife, Hochschulreife, Berufsqualifikation) ein qualitativ hochwertiges und den Erfordernissen des anschließenden Bereichs entsprechendes Niveau zu erreichen.
Um einen echten föderalen Wettbewerb für die beste Bildung wirken zu lassen, muss auch ein Qualitätsmanagement eingeführt werden, das Ländervergleiche ausdrücklich einschließt. Ein Instrument dafür ist die von uns mit der Föderalismusreform eingeführte gemeinsame nationale Bildungsberichterstattung. Die bisherigen internationalen Berichte wie IGLU und PISA sind daher auch weiter fortzuführen. Das Setzen von quantitativen Vorgaben ist nur sinnvoll, wenn auch die Qualität überprüft wird. Das Absenken des Niveaus beseitigt das Problem nicht.
Der Bildungsgipfel ist die übergreifende Klammer der nationalen Qualifizierungsinitiative, zu dem die Bundeskanzlerin die Regierungschefs der Länder am 22. Oktober 2008 nach Dresden einlädt. Für die Arbeitsgruppe Bildung und Forschung der CDU/CSU-Bundestagsfraktion sind dabei folgende Ziele vorrangig:
Investitionen in die Zukunft
Vorrangiges Ziel der CDU/CSU-Bundestagsfraktion ist die Konsolidierung der öffentlichen Haushalte. Nur wenn die Konsolidierung gelingt, werden wir künftig auch ausreichende Haushaltsmittel insbesondere für Bildung und Forschung bereitstellen können. Bereits ab 2010 wollen wir drei Prozent des BIP in Forschung und Entwicklung investieren. Hierzu sind wir auf einem guten Weg. Ebenso wichtig sind uns Investitionen in die Bildung. Leider ist der Anteil der Bildungsausgaben am BIP zwischen 1995 und 2005 gesunken, von 6,9 auf 6,2 Prozent. Diesen Trend kehren wir um. Seit 2005 haben wir die Begabtenförderung erheblich ausgeweitet, 2007 das BAföG um 10 Prozent erhöht und den Kreis der Empfänger um 100.000 Studierende erweitert. 2009 werden wir die Rahmenbedingungen für das Meister-BAföG deutlich verbessern und zusätzliche Berufsgruppen in die Förderung einbeziehen. Eine solide Finanzpolitik ist die Voraussetzung für Investitionen in Bildung und Forschung.
Ziel: Schuldenfreie Haushalte, um langfristig zehn Prozent in Bildung und Forschung investieren zu können!
Bildung - Erziehung - Ausbildungsreife
Bildung ist die Grundlage und der Motor des gesellschaftlichen, wirtschaftlichen und sozialen Fortschritts. Sie prägt aber auch die Lebensentwürfe des Einzelnen, ist Fundament für Einstellungen und Haltungen, ist Orientierungsrahmen für Wert-, Moral- und Sinnfragen. Bildung ist Bedingung für innere und äußere Freiheit durch geistige Selbständigkeit und Urteilsvermögen. In einem freiheitlichen und demokratischen Land ist die Gestaltung der Rahmenbedingungen für Bildung daher - unter Ausschöpfung der Möglichkeiten von Ländern und Bund - eine gesamtstaatliche politische Aufgabe von nationaler Bedeutung.
Spätestens nach den Ergebnissen von PISA und IGLU ist Bildung zu einem „Mega-Thema“ geworden. Die Bevölkerung verfügt zwar über einen hohen Bildungsstand. Allerdings traten durch den erstmals durchgeführten Ländervergleich große Unterschiede zwischen den einzelnen Ländern zu Tage. Seither haben die Länder erhebliche Anstrengungen unternommen, um im internationalen Wettbewerb zu bestehen. (In der Sekundarstufe I haben sich bei der PISA-Studie die Ergebnisse der deutschen Schulen von 2000 bis 2006 verbessert. Beim Lesen und in der Mathematik liegen sie im OECD-Durchschnitt, bei den Naturwissenschaften erstmals im Jahr 2006 über dem OECD-Durchschnitt.)
Bildung und Erziehung beginnt nicht erst in der Schule. Eltern sind die wichtigsten Stützen der Bildungskarriere eines Kindes. Ihnen obliegt der Erziehungsauftrag (Art. 6 Absatz 2 GG). Erziehung ist die Voraussetzung für Bildung. Ohne Erziehung bleibt Bildung wirkungslos. Darüber hinaus stellt der Bund zum Aufbau von Kinderkrippen als professionelles Unterstützungsangebot 4 Mrd. Euro zur Verfügung.
Ziel: Bedarfsgerechte Unterstützungsangebote für Familien
Das Beherrschen der deutschen Sprache ist Voraussetzung für Bildungsteilhabe. Diese Forderung wurde nicht immer von allen geteilt, ist mittlerweile aber von allen politischen Kräften akzeptiert. Das Ziel, Vorschulkinder entsprechend zu fördern, wird in den verschiedenen Ländern mit unterschiedlichem Nachdruck verfolgt. Entscheidend ist, dass bei der Einschulung alle Kinder in der Lage sind, uneingeschränkt dem Unterricht in deutscher Sprache zu folgen. Der Einstieg in das Schulleben ist von wesentlicher Bedeutung für den weiteren Schul- bzw. Lebensweg. Wir setzen uns deshalb dafür ein, dass flächendeckend eine für die Kinder verbindliche und kostenfreie Sprachförderung vor der Einschulung angeboten wird.
Ziel: Beherrschung der deutschen Sprache durch alle Schulanfänger
Soweit auch - besonders in der Übergangszeit, bis die Sprachförderung überall greift - noch nach der Einschulung Sprachdefizite bestehen, sind diese mit Vorrang durch individuelle Förderung zu beheben. Die Förderung soll im Rahmen der Schule erfolgen. Die Maßnahmen sollen durch Bundesprogramme zur Integration unterstützt werden. In jedem Falle ist zu gewährleisten, dass Schulabgänger aller Schularten die deutsche Sprache in Wort und Schrift beherrschen und keiner Nachqualifizierung mehr bedürfen.
Ziel: Behebung noch vorhandener Sprachdefizite während der Schulzeit
Immer noch knapp acht Prozent eines Jahrgangs verlassen die Schulen ohne jeden Abschluss. Das sind rund 75.000 Jugendliche pro Jahr (2006). Viele der Abbrecher holen allerdings später einen Abschluss an der Berufsschule oder im Rahmen von Berufsvorbereitungsmaßnahmen nach. Letztlich hatten 2006 „nur“ 3,4 Prozent der erwachsenen Bevölkerung keinen allgemeinen Schulabschluss. Durch das Nachholen von allgemeiner Schulbildung kommt es zu erheblichen Verzögerungen bei der Berufsausbildung. Das Durchschnittsalter bei Ausbildungsbeginn liegt inzwischen bei über 19 Jahren. Außerdem entstehen durch die Nachqualifizierung erhebliche Kosten für Bund, Länder und Beitragszahler. Deshalb sind insbesondere die Länder aufgefordert, das ihnen Mögliche zu tun, um die Zahl der Schulabbrecher zu reduzieren. Ein verantwortungsvoller Umgang mit der Lebenszeit der Betroffenen verlangt verstärkte Anstrengungen besonders im Bereich der Hauptschulausbildung. Hierzu gehören mehr individuelle Förderung bei Problemlagen, Ganztagsangebote und stärkere Praxisorientierung. Durch frühzeitige Förderung sollen teure Nachqualifizierungen vermieden werden.
Ziel: Weniger als 4 Prozent der Schulabgänger ohne Abschluss
Der Hauptschulabschluss besitzt für die Inhaber des Abschlusses jedoch nur einen Wert, wenn damit gegenüber möglichen Ausbildungsbetrieben die Ausbildungsreife dokumentiert werden kann. 2003 und 2004 verließen jeweils rund 220.000 Absolventen Schulen, die zum Hauptschulabschluss führen, ohne ausreichende Mindestqualifikation (Lesekompetenzstufe II), davon die meisten mit Hauptschulabschluss.
Hauptschulbildung und Hauptschulabschluss müssen daher so gestaltet werden, dass die Wirtschaft sich auf die bescheinigten Inhalte verlassen kann.
Ziel: Hauptschulabschluss = Ausbildungsreife
Wir wollen, dass jedes Kind auch im staatlichen Schulsystem nach seinen Talenten bestmöglich gefördert wird. Deswegen brauchen wir auch Förderangebote für leistungsstarke und hochbegabte Schülerinnen und Schüler. Wir setzen uns daher für den Erhalt des Gymnasiums ein. Diese Schulform hat sich internationalen und nationalen Vergleichsstudien zufolge bewährt. Sie ist Vorbild für Schulstrukturreformen in anderen Ländern. Nur wenn wir auch den Leistungsstarken weiterhin eine angemessene Schulform bieten, werden wir sie in die Lage versetzen, zu Leistungsträgern zu werden. Wie in allen hochentwickelten Gesellschaften muss auch in Deutschland die gezielte Förderung der Besten in Schule, Wirtschaft und Wissenschaft zum staatlichen Bildungsauftrag gehören.
Ziel: Erhalt und Ausbau der Förderangebote für Leistungsstarke und Hochbegabte
Wer sein Leben eigenverantwortlich gestalten und aktiv am Wirtschaftsleben teilnehmen will, braucht ein solides Fundament an ökonomischer Bildung. Unkenntnis über wirtschaftliche Zusammenhänge öffnet hingegen Demagogen Tor und Tür. Der verantwortungsvolle Umgang mit Geld und unternehmerisches Denken müssen früh vermittelt werden und stärker als bisher die Schulbildung prägen. Deshalb sollen schon in der Grundschule Kenntnisse über ökonomische Zusammenhänge vermittelt werden.
Ziel: Erhöhung des Stellenwertes der ökonomischen Bildung in den Lehrplänen
Bei der Vergabe von Ausbildungs- und Studienplätzen spielen die Abschlussnoten oft eine entscheidende Rolle. Um eine echte Vergleichbarkeit der Noten zu gewährleisten, müssen einheitliche Maßstäbe zugrunde liegen. Wir setzen uns daher für bundesweit einheitliche Standards ein. Deutschlandweite Abschlussprüfungen, zumindest in den Kernfächern Deutsch und Mathematik, sollen für alle Schulen verbindlich werden.
Ziel: einheitliche Prüfungsstandards
Berufliche Aus- und Weiterbildung
Das duale Berufsbildungssystem gewährleistet einen im internationalen Vergleich sehr hohen Bildungsstand der Gesamtbevölkerung. 84 Prozent der Erwachsenen in Deutschland besitzen mindestens einen Abschluss der Sekundarstufe II (OECD-Durchschnitt: 69 Prozent). Leider wird bei bestimmten internationalen Vergleichsstudien die deutsche Berufsbildung einfach ignoriert. Das deutsche Bildungssystem wird mit Bildungssystemen von Ländern verglichen, in denen selbst Handwerksberufe akademisch ausgebildet werden („Bachelor of Hairdressing“).
Als Ergebnis wird regelmäßig eine unterdurchschnittliche Akademiker-Quote attestiert. Dabei verfügt Deutschland neben dem Hochschulsystem mit dem dualen System über ein hervorragendes Berufsausbildungssystem. Insbesondere wegen der durch die Praxisnähe gewonnenen Handlungskompetenz sind die Absolventen auf dem Arbeitsmarkt begehrt. Die Jugendarbeitslosigkeit ist deutlich geringer als im OECD oder EU-Durchschnitt. Eine Ausbildung im dualen System ist daher auch für viele Schulabgänger mit Hochschulzugangsberechtigung attraktiv.
Vor diesem Hintergrund und forciert durch den technischen Fortschritt sind die Anforderungen in vielen Ausbildungsberufen allerdings zuletzt erheblich gestiegen (z.B. Kfz-Mechatroniker, IT-Berufe etc.). Hierdurch sind die Auswahlmöglichkeiten für Schulabgänger mit Hauptschulabschluss eingeschränkt worden. Verordnungsgeber und Sozialpartner sind daher aufgefordert, im Rahmen künftiger Ordnungsverfahren stärker die Zielgruppe der eher praktisch Begabten zu berücksichtigen. Dabei bietet insbesondere die Stufung von Ausbildungsgängen für Spätstarter gute Berufsperspektiven. Auch Ausbildungsbausteine bieten eine gute Chance für die schrittweise Qualifizierung junger Menschen. Zum Einstieg in eine Ausbildung für Altbewerber fördert die Bundesregierung mit dem Programm Jobstarter Connect den Ausbildungseinstieg junger Menschen über Ausbildungsbausteine.
Ziel: Mehr Ausbildungsberufe für praktisch begabte Jugendliche
Jugendliche, die keine Ausbildungsstelle bekommen haben, aber noch der Schulpflicht unterliegen, bedürfen der besonderen Aufmerksamkeit. Ziel muss ein engmaschiges Netz sein, das diese Jugendlichen künftig zum einen möglichst ausnahmslos der Berufsberatung bei der Bundesagentur für Arbeit zuführt und zum anderen konkrete berufsvorbereitende Maßnahmen bereitstellt, die jedem dieser Jugendlichen offenstehen. Diese Maßnahmen sollten kooperativ (nicht rein schulisch) angelegt sein und es sollte ständig evaluiert werden, ob die Vermittlung in eine Ausbildungsstelle oder in Dauerarbeitsverhältnisse gelingt.
Ziel: Begleitung unvermittelter Jugendlicher mit dem Ziel der Eingliederung in eine Berufsausbildung
Leider brechen immer noch etwa 20 Prozent der Auszubildenden ihre Ausbildung ab. Grund sind oft falsche Vorstellungen über den Ausbildungsberuf. Ein Ausbildungsabbruch ist für alle Betroffenen mit Nachteilen verbunden. Durch frühzeitige Berufsorientierungsmaßnahmen bereits ab der 8. Klasse und damit verbundene individuelle Berufsberatung soll die Quote der Abbrüche erheblich gesenkt werden. Das Bundesministerium für Bildung und Forschung hat hierzu ein Programm für die Förderung der Berufsorientierung in überbetrieblichen und vergleichbaren Berufsbildungsstätten aufgelegt, das in den nächsten Jahren möglichst bedarfsdeckend erweitert werden soll.
Ziel: Weniger als 10 Prozent Ausbildungsabbrecher
Durch die schlechte wirtschaftliche Lage der ersten Jahre dieses Jahrzehnts konnten viele Jugendliche nicht unmittelbar nach Schulabschluss eine Ausbildungsstelle finden. Die sogenannten Altbewerber stellen mittlerweile etwa die Hälfte der aktuellen Bewerber um eine Ausbildungsstelle. Ihr Abschluss liegt ein Jahr oder länger zurück und sie haben oft zusätzlich mit weiteren Vermittlungshemmnissen zu kämpfen.
Um für diesen Kreis eine zusätzliche Chance zu schaffen, haben wir einen Ausbildungsbonus auf den Weg gebracht. Er soll einen zusätzlichen Anreiz für Arbeitgeber schaffen, speziell für diesen Bewerberkreis eine zusätzliche Ausbildungsstelle zu schaffen. Oft ist den Betrieben mit einem gezielten Einsatz von berufsbegleitenden Maßnahmen geholfen. Diese sollen den Betrieb beim Betreuungsaufwand entlasten.
Ziel: Weniger als ein Drittel Altbewerber
Das Berufliche Bildungssystem zeichnet sich aber auch durch die hervorragende Ausbildung von leistungsstarken Jugendlichen aus. Es bietet attraktive Aufstiegsmöglichkeiten. Meister und Techniker werden in Betrieben wie Ingenieure eingesetzt und sind sehr begehrt. Die Weiterbildungsmöglichkeiten im beruflichen Bereich müssen daher weiter ausgebaut und unterstützt werden.
Deshalb haben wir eine Novelle des Aufstiegsfortbildungsförderungsgesetzes (AFBG) - besser bekannt unter Meister-Bafög - auf den Weg gebracht, das eine Verbesserung und Ausweitung der Förderung sowie eine wesentliche Erhöhung der Mittel vorsieht. Ferner wird der Bund ein Aufstiegsstipendium für besonders beruflich Qualifizierte einführen, um einen Anreiz zur Aufnahme eines Studiums zu setzen.
Ziel: Weiterer Ausbau des „Meister-BAföG“ und der Aufstiegsstipendien
Die Entscheidung der Eltern für eine bestimmte Form der weiterführenden Schule darf nicht den Ausschluss von späteren Entwicklungsmöglichkeiten des Kindes beinhalten. Deshalb muss eine Weiterentwicklung aus allen Schulformen heraus möglich sein. Es muss auch neben dem Gymnasium noch andere Wege geben, eine Studienberechtigung zu erwerben. In Bayern ist die Durchlässigkeit z.B. sehr weit entwickelt. Über 40 Prozent der Studienberechtigungen werden bereits außerhalb des Gymnasiums erworben.
Die Hochschulzulassung für beruflich Qualifizierte und die Anrechnung beruflicher Kompetenzen auf die Studienleistungen sind in den Ländern sehr unterschiedlich geregelt. Hier sollte ein nachvollziehbares und transparentes Angebot für alle Interessierten entwickelt werden. Die Möglichkeit für beruflich Qualifizierte, ein Studium zu beginnen, muss verbessert werden, insbesondere wenn es sich um eine Fortentwicklung im entsprechenden Berufsfeld handelt. Die Qualifikation für die Aufnahme eines Studiums kann auch von den Universitäten selbst durch Eingangsprüfungen oder Probesemester festgestellt werden. Transparenz und vereinbarte Standards der Länder sowie Hochschuleingangsprüfungen und/oder Probesemester schaffen gleiche Chancen für alle – ganz gleich, welchen Bildungsweg sie genommen haben.
Ziel: Mehr Durchlässigkeit – kein Abschluss ohne Anschluss
Hochschulabsolventen
Im Hochschul- und Wissenschaftsbereich ist der Bund bereits sehr engagiert. Insgesamt haben wir die Mittel für den Bereich des Ministeriums für Bildung und Forschung in dieser Legislaturperiode von rund 8 Mrd. € in 2006 auf über 10 Mrd. € (Regierungsentwurf) erhöht. Wir haben einen Hochschulpakt mit den Ländern geschlossen, der zusätzliche Studienplätze mitfinanzieren soll (565 Mio. €). Wir entlasten die Hochschulen im Bereich der Forschung mit einer Gemeinkosten-Finanzierung aus DFG-Mitteln (700 Mio. €). Wir haben etwa 1,4 Mrd. Euro für die Exzellenzinitiative zur Verfügung gestellt und zuletzt die BAföG-Förderung erheblich erweitert.
Die Hochschulen in Deutschland stehen vor großen Herausforderungen. Die Zahl der Studienberechtigten wird sich voraussichtlich in den nächsten Jahren deutlich erhöhen. Um die Leistungsfähigkeit der Hochschulen zu sichern und die Hochschulen offen zu halten für eine erhöhte Zahl von Studienanfängern, haben Bund und Länder den Hochschulpakt geschlossen. Damit können die Hochschulen bis 2010 insgesamt 91.370 zusätzliche Studienanfänger gegenüber 2005 aufnehmen und erhalten in der Forschung Unterstützung durch die Finanzierung von Programmpauschalen. Nach 2010 soll der Hochschulpakt fortgeschrieben werden.
Ziel: Studienplatzangebot für 40 Prozent eines Jahrgangs
Durch eine BAföG-Novelle haben wir erst 2008 die Bedarfssätze um 10 Prozent und die Freibeträge um 8 Prozent angehoben. Hierdurch werden noch mehr Studierende und Schüler in den Genuss der Förderung kommen (rd. 100.000 zusätzlich).
Außerdem haben wir die Mittel für die Begabtenförderung deutlich erhöht. Bis zum Ende der Legislaturperiode soll ein Prozent der Studierenden gefördert werden (vorher 0,6 Prozent). Darüber hinaus sollen Barrieren für private Stipendien oder Studienkredite beseitigt werden. Schließlich unterstützen wir mit Aufstiegsstipendien beruflich Qualifizierte beim Studium.
In der Diskussion um die Einführung der Studienbeiträge/Studiengebühren war es auch die Wirtschaft, die für die Einführung von Stipendien geworben und Kompensation für die Studierenden durch Stipendien in Aussicht gestellt hat. Anders als im Bereich der beruflichen Bildung, bei der die Wirtschaft zum überwiegenden Teil die Kosten für die Ausbildung ihrer künftigen Fachkräfte trägt, gibt es im Bereich der Hochschulbildung noch keine den Interessen der Unternehmen entsprechende finanzielle Beteiligung der Wirtschaft an den Ausbildungskosten.
Ziel: Stipendien der Wirtschaft für mindestens 5 Prozent der Studierenden
Der Arbeitsmarkt verzeichnet einen steigenden Bedarf an Hochqualifizierten, sowohl aus dem akademischen als auch dem berufsbildenden Bereich. 2006 bestanden insgesamt 221.000 Menschen eine Hochschulprüfung. Das waren 30 Prozent mehr als 2001. Hinzu kamen rund 96.000 Personen, die ihre Fortbildungsprüfungen als Meister, Techniker und Fachwirte bestanden. Daraus ergab sich eine Hochqualifizierungsquote von rund 33 Prozent. Ziel muss sein, diese Quote weiter zu steigern. Dabei kommt es nicht darauf an, auf welchem Wege dies erreicht wird (z.B. Steigerung der Abiturientenquote, Steigerung der Studienanfängerquote, Öffnung der Hochschulen für beruflich Qualifizierte, Verbesserung der Bedingungen für berufsbegleitende Studiengänge, Reduzierung der Abbrecherquoten, Reduzierung der Durchfallquoten etc.). Der beste Weg dorthin ist in einem transparenten Wettbewerb zwischen den Ländern zu ermitteln, beispielsweise durch zentrale Abschlussprüfungen an Schulen und Gymnasien.
Ziel: Mehr als 40 Prozent Hochqualifizierte
Fachkräftemangel im MINT-Bereich
Eine breite Basis an gut ausgebildeten, engagierten und motivierten Technikern, Ingenieuren und Naturwissenschaftlern ist die Voraussetzung für unseren künftigen Wohlstand. Die gegenwärtigen Absolventenzahlen reichen – trotz Steigerungsrate - nicht aus, den altersbedingten Abgang zu decken. Besonders junge Frauen entscheiden sich in Deutschland sehr selten für einen technischen Beruf. In Frankreich und Großbritannien sind es deutlich mehr. Deshalb ist die Initiative „Mehr Frauen in MINT-Berufen“, in der sich die Bundesregierung und Vertreter aus Wirtschaft und Wissenschaft, Medien und Gesellschaft verpflichtet haben, Frauen nachdrücklich zu fördern, sehr zu begrüßen. Schon in der Grundschule wird die Basis für ein technisches Verständnis und Interesse gelegt. Dies muss sich vermehrt in der Unterrichtsgestaltung widerspiegeln. Außerdem darf aus unserer Sicht auf Mathematik als Abiturfach nicht verzichtet werden.
Um die Grundlagen für ein technisches oder naturwissenschaftliches Studium in den Schulen legen zu können, brauchen wir gerade in diesem Bereich gut ausgebildete Lehrkräfte, die es schaffen, die Begeisterung für Technik und Naturwissenschaften in den jungen Menschen frühzeitig zu wecken. Dazu geeignete außerschulische Projekte wie z.B. das Potsdamer „Exploratorium“ oder das Berliner „Spektrum“ müssen staatlich gefördert werden.
Nur 16 Prozent der Hochschulabsolventen erwarben 2006 einen Abschluss der Ingenieurwissenschaften. Im Bereich der Naturwissenschaften waren es 10 Prozent, in Mathematik und Informatik zusammen knapp acht Prozent. Bei den Fortbildungsprüfungen sind mehr als die Hälfte der Abschlüsse technischen Berufen zuzuordnen. Nach Angaben des Vereins Deutscher Ingenieure waren im Juni 2008 insgesamt 96.200 Ingenieurstellen (darunter über 40.000 Maschinenbauer und über 20.000 Elektroingenieure) unbesetzt. Hochschulabsolventen der MINT-Fächer sowie Meister und Techniker in diesem Bereich werden dringend benötigt. Vor allem die Hochschulen müssen ihre Studienangebote entsprechend ausrichten. Insbesondere müssen künftig mehr Studienanfänger zu einem Abschluss geführt werden. Gerade in den Fächern Maschinenbau und Elektrotechnik sind Abbruchquoten von einem Drittel nicht hinnehmbar.
Nachdem gerade in diesem Bereich der Mangel an Fachkräften die wirtschaftliche Entwicklung bremst, könnte hier die Wirtschaft selbst durch eigene Stipendien Anreize setzen. Der Bereich der MINT-Fächer würde sich für ein verstärktes Engagement geradezu anbieten, um genügend eigenen Nachwuchs für diesen Bereich zu gewinnen.
Das große Potenzial von beruflich Qualifizierten muss für die Aufnahme eines Studiums in diesem Bereich gewonnen werden – auch mit einem direkten Zugang zu den Hochschulen, falls es sich um eine Qualifizierung im gleichen Berufsfeld handelt. Insbesondere bei Meistern und Technikern ist zu überprüfen, inwieweit bereits im Beruf erworbene Kompetenzen im Studium angerechnet werden können.
Ziel: 40 Prozent Absolventen in den MINT-Fächern
Weiterbildung
Steigende Lebenserwartung und niedrige Geburtenrate führen zu längeren Lebensarbeitszeiten. Gleichzeitig verändern technischer Fortschritt und gesellschaftlicher Wandel die Anforderungen an qualifizierte Arbeitskräfte in immer kürzeren Abständen. Nur mit regelmäßiger Weiterbildung können Arbeitskraft und soziale Partizipation erhalten werden.
„Lernen ist wie rudern gegen den Strom. Wer damit aufhört, fällt zurück!“ (Lao-Tse, 6. Jhd. v. Chr.)
Deswegen ist es besorgniserregend, dass die Teilnahmequote an Weiterbildung in den vergangenen Jahren sogar rückläufig war und erst 2006 eine Trendwende erreicht werden konnte. Vor allem in der Gruppe der über 50jährigen, der Migranten und der gering Qualifizierten muss das Bewusstsein um die Notwendigkeit der Weiterbildung gestärkt werden. Hier gilt es, die Rahmenbedingungen weiter zu verbessern und innovative Lernformen zu unterstützen. Wir werden dazu das Vermögensbildungsgesetz um das Bildungssparen erweitern und die Bildungsprämie einführen. Wir haben zum ersten Mal ein Bildungskreditsystem eingeführt und wollen dieses verstärkt auch auf den Bereich der Weiterbildung ausdehnen. Neben diesen Maßnahmen gehören natürlich auch die Erkenntnis und das Engagement jedes Einzelnen dazu.
Zur Weiterbildung braucht man auch entsprechende Anbieter. Die Universitäten und Fachhochschulen müssen hier vermehrt Angebote schaffen, genauso wie die Überbetrieblichen Ausbildungsstätten im beruflichen Sektor. Aber auch die Wirtschaft muss hier - genauso wie in der beruflichen Ausbildung - im eigenen Interesse verstärkte Anstrengungen unternehmen. Die Fachkräfte werden in der Wirtschaft benötigt!
Schließlich müssen die Weiterbildungszertifikate die im Rahmen der Weiterbildung vermittelten Bildungsinhalte detailliert (und überprüfbar) wiedergeben.
Ziel: Erhöhung der Weiterbildungsquote auf über 50 Prozent