CSU-Landesgruppenvorsitzender Dr. Peter Ramsauer besuchte am 21. und 22. Juli 2008 in Begleitung des Parlamentarischen Geschäftsführers Hartmut Koschyk, Warschau.
Neun Monate nach Regierungsantritt der europäischen Schwesterpartei PO - Bürgerplattform bezeichnete Ramsauer diesen Besuch als dringend überfällig. Entsprechend hochrangig wurde der Besuch von polnischer Seite wahrgenommen.
Bei den Treffen mit Vertretern von Regierung und Parlament sprach Ramsauer insbesondere bilaterale und europapolitische Themen an. Dabei thematisierte er auch die Lage der deutschen Minderheit.
Nach den turbulenten und bisweilen das deutsch-polnische Verhältnis schwer belastenden Monaten der Regierungszeit von Ministerpräsident Kaczynski hat die neue Regierung nach Ansicht Ramsauers ihr möglichstes getan, um die bilateralen Beziehungen wieder in ruhigeres Fahrwasser zu bringen.
Dies trat insbesondere in den Gesprächen mit Außenminister Sikorski und Ministerpräsidentenberater Professor Bartoszewski zutage. Für den Herbst sind verschiedene direkte Begegnungen von Regierungsmitgliedern beider Seiten vorgesehen. Im Dezember werden sich sogar beide Kabinette zu Regierungskonsultationen in Polen treffen. Zuvor soll das deutsch-polnische Forum reaktiviert werden, das zuletzt im Jahr 2003 getagt hatte. Es wird in diesem Jahr in Deutschland abgehalten.
Besonders wichtig ist es nach Ansicht von Ramsauer, dass nach Neubesetzung der Gremien von polnischer Seite auch das deutsch-polnische Jugendwerk wieder funktionsfähig ist. Diese nach Vorbild des deutsch-französischen Jugendwerks geschaffene Einrichtung dient dem gegenseitigen Kennenlernen und soll nach Willen der Gründer lebenslange Freundschaften zwischen jungen Deutschen und Polen begründen.
Ramsauer dankte Staatssekretär Wladislaw Bartoszewski ausdrücklich für sein Engagement, mit dem er ungeachtet seines Alters von nunmehr 86 Jahren für die deutsch-polnischen Beziehungen kämpfe. Bartoszewski entgegnete, dass er dies als ehemaliger Hochschullehrer in Bayern (von 1983 bis 1990) sehr gern leiste.
In der Frage der Ratifizierung des Lissaboner Vertrages erhielt die deutsche Delegation unterschiedliche Antworten: Die Gesprächspartner der Präsidentenpartei PiS meinten, Polen müsse kein "Musterschüler" in der EU sein. Die Vertreter beider Regierungsparteien, Bürgerplattform PO und bäuerliche Volkspartei PSL, hingegen gingen davon aus, dass Präsident Kaczynski bald die noch ausstehende Hinterlegungsurkunde zum Vertrag unterzeichnen werde. Ramsauer merkte an, dass auch in Deutschland der Präsident damit abwarten müsse, weil das Bundesverfassungsgericht zuvor über Klagen gegen den Vertrag zu entscheiden habe.
In der Frage der von Polen kritisierten Ostseepipeline von St. Petersburg nach Mecklenburg-Vorpommern ("north stream") dankte Ramsauer für den sachlichen Ton, der inzwischen in der Diskussion eingetreten sei. Deutschland werde alles tun, um polnische Befürchtungen, übergangen zu werden, zu beseitigen. Das Angebot einer eigenen Abzweigung der Pipeline nach Polen bestehe weiterhin.
Zuversichtlich gab sich der Vertreter der deutschen Minderheit im Sejm, Ryszard Galla. So habe sich auch auf Druck der CSU-Landesgruppe im Deutschen Bundestag die Lage sehr positiv entwickelt. Deutsch sei in einigen Gemeinden Oberschlesiens zweite Amtssprache. Auch seien dort zweisprachige Ortsschilder erlaubt. Für den deutschen Vertreter im nationalen Parlament gelte die nach deutschem Vorbild eingeführte 5%-Hürde nicht. Auch auf regionaler Ebene seien die Deutschen gut vertreten. Bundesinnenministerium und Auswärtiges Amt unterstützten die deutsche Minderheit weiterhin, was auch dazu beitrage, dass das vorhandene Stiftungskapital nicht weiter aufgebraucht werden müsste.
Zum geplanten Erinnerungs- und Dokumentationszentrum der deutschen Vertreibung "Sichtbares Zeichen" in Berlin hat sich der polnische Widerstand gelegt. Lediglich die mögliche Beteiligung der Vorsitzenden des Bundes der Vertriebenen, Frau Erika Steinbach MdB, am Beirat des Zentrums, stößt nach wie vor auf erbitterte Ablehnung. Ramsauer warnte vor einer Dämonisierung der Personalie, die vollkommen irrational sei.
Zum Auftakt ihrer Gespräche hatten Ramsauer und Koschyk das Museum des Warschauer Aufstandes von 1944 besucht, das eindrücklich die Verbrechen des Zweiten Weltkriegs schildert. Zum Schluss besuchten sie das Dokumentationszentrum der Stiftung für deutsch-polnische Aussöhnung und sprachen mit einem im KZ Oranienburg-Sachsenhausen zu Zwangsarbeit verpflichteten Zeitzeugen. Beide Besuche wollten sie auch als Geste gegen das Vergessen verstanden wissen.
Neben einer ausführlichen Diskussion mit Journalisten in den Räumen der Konrad Adenauer-Stiftung, die den Besuch vorbereitet hatte, trafen sich Ramsauer und Koschyk auch mit dem Generalsekretär der polnischen Bischofskonferenz, Bischof Budzik, mit dem sie über das Verhältnis zwischen Staat und Kirche sowie die Strukturen der polnischen Bischofskonferenz sprachen.
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