Dr. Peter Ramsauer im Interview mit SUPERillu-Redakteur Dirk Baller
Der CSU-Landesgruppenchef Dr. Peter Ramsauer drängt im Deutschen Bundestag auf eine langfristige Rückzugsstrategie beim Afghanistan-Einsatz der Bundeswehr.
Bundespräsident Köhler hat im Interview mit SUPERillu eine »Agenda 2020« mit dem Ziel der Vollbeschäftigung in Deutschland angeregt. Begrüßen Sie seine Vorschläge?
Die Äußerungen von Bundespräsident Köhler begrüße ich in zweierlei Hinsicht. Es war immer sein Markenzeichen, sich in Richtungsentscheidungen der Politik hörbar einzuschalten. Da bleibt er sich auch jetzt treu, und das schätze ich sehr an ihm. Zum anderen weist er mit seiner »Agenda 2020« der Politik inhaltlich den richtigen Weg. Wir sind derzeit leider dabei, aus einer Mischung von Reformmüdigkeit und Selbstzufriedenheit heraus uns vom Reform-Kurs zu verabschieden, stattdessen Wohlfühl-Politik zu betreiben und die Zukunft unseres Landes aus dem Auge zu verlieren. Deshalb ist dieser Vorstoß von Horst Köhler richtig und wichtig.
Dass Köhler dabei auch die Erfolge der »Agenda 2010« und Ex-Kanzler Schröder lobt, das stört Sie nicht?
Nein. Das zeigt doch, dass der Bundespräsident ein wirklich unabhängiger Mahner und Einforderer ist. Wir als Union haben seinerzeit als Opposition im Übrigen wichtige Teile der »Agenda 2010« über den Bundesrat auch mitgestaltet und verbessert. Ich finde es eine gute Idee, wenn jetzt mit »Agenda 2020« der Blick auf die nächsten zwölf Jahre gelenkt wird. Das Falscheste wäre es, Politik nur bis zum nächsten Wahltag zu betreiben.
Hat Köhler mit den drei von ihm genannten „Kernbestandteilen“ – mehr private und öffentliche Investitionen, mehr Bildung und Forschung, mehr betriebliche Bündnisse für Arbeit – die richtigen Schwerpunkte gesetzt?
Diese drei Punkte würde ich sofort unterschreiben. Und man könnte noch einige hinzufügen, etwa das unbedingte Festhalten am Ziel der Haushaltskonsolidierung auch in schlechteren Zeiten. Wir dürfen das Ziel, 2011 im Bund ohne neue Schulden auszukommen, auf gar keinen Fall aufgeben. Denn nur aus einem ausgeglichenen Bundeshaushalt heraus erwächst die Stärke und Investitionskraft, die wir für den Weg, den der Bundespräsident weist, brauchen.
Die Inflationsrate hat mit 3,1 % fast Rekord-Niveau erreicht, die Bürger stöhnen über immer höhere Preise z.B. für Lebensmittel, Energie und Sprit. Was muss geschehen, um sie zu entlasten?
Die Große Koalition hat in den vergangenen Jahren bereits eine Reihe von wichtigen Maßnahmen ergriffen, die den Geldbeutel der Bevölkerung entlasten – zum Beispiel die Halbierung des Beitragssatzes zur Arbeitslosenversicherung. Die Entwicklung der Inflation müssen wir ernst nehmen. Was die steigenden Lebensmittel-Preise an- geht, da warne ich allerdings vor Hysterie. Der Anteil des Einkommens, den durchschnittliche Haushalte für Lebensmittel ausgeben, liegt mit etwa elf Prozent heute immer noch so tief wie nie. Zum Vergleich: 1962 waren es etwa 33 Prozent. Bei den Energiepreisen sollten wir genau hinschauen, auch mit Mitteln des Wettbewerbsrechts. Denn man kann sich des Eindrucks nicht erwehren, als wären insbesondere im Strom- und Mineralöl-Bereich da und dort Preis-Kartelle am Werk.
Und was ist mit der Pendler-Pauschale, die für die meisten Arbeitnehmer mit Beginn des Jahres 2007 praktisch abgeschafft wurde?
Die Wiedereinführung der Pendlerpauschale steht für die CSU als politische Kraft, die sich insbesondere auch den Menschen im ländlichen Raum verpflichtet sieht, ganz oben auf der Tagesordnung. Wir werden diese Forderung in den Koalitionsausschuss einbringen – mit dem Ziel, möglichst bald zur alten oder einer ähnlichen Regelung zu kommen, die eine Absetzbarkeit der Fahrtkosten ab dem ersten Kilometer ermöglicht.
Darüber hinaus will die CSU weitere steuerliche Entlastungen vor allem für Arbeitnehmer erreichen. Was ist da geplant?
Ein erster wichtiger Schritt wird die innerhalb der Koalition verabredete Anhebung des steuerlichen Kinderfreibetrages und damit auch des Kindergeldes ab 2009 sein. Basis dafür wird der Existenzminimumsbericht sein, den die Bundesfamilienministerin im Herbst vorlegt. Daneben wird meine Partei im Laufe des Mai erste Überlegungen und Eckpunkte für eine Einkommensteuerreform vorlegen, die gerade die Leistungsträger im unteren und mittleren Einkommensbereich entlasten soll. Denn gerade die Menschen, die täglich zur Arbeit gehen, um sich und ihre Familien zu ernähren, dürfen nicht das Gefühl haben, sie wären die Dummen der Nation. Neben der sozialen Gerechtigkeit muss die Politik sich auch vermehrt am Kriterium der Leistungsgerechtigkeit orientieren. Sprich: Gerechtigkeit gegenüber denjenigen, die den Kuchen erwirtschaften, von dem viele leben.
Wann soll’s mit der Entlastung losgehen?
Sobald es die Haushaltslage zulässt, mit zusätzlichen Schulden darf die Einkommensteuer-Reform nicht erkauft werden. Möglicherweise wird es auch eine zeitliche Staffelung der Entlastungsschritte geben. Wichtig ist, dass wir einen Anfang machen.
Und wie soll die Reform genau aussehen?
Für Details ist es noch zu früh. Ich könnte mir aber vorstellen, dass wir an verschiedenen Stellschrauben drehen, um dem Ziel der Leistungsgerechtigkeit näherzukommen. Dazu zählt für mich die Erhöhung des Grundfreibetrages, die Absenkung des Eingangssteuersatzes, ein flacherer Tarifverlauf in der Progressionszone – und ein späteres Einsetzen des Spitzensteuersatzes.
Im Herbst steht die Verlängerung des Afghanistan-Mandats durch den Bundestag an. Bundeswehr-Generalinspekteur Schneiderhan plädiert dafür, die Truppenstärke von 3500 noch zu erhöhen, damit die Truppe in Krisensituationen aufgestockt werden kann. Kann er mit Ihrer Unterstützung rechnen?
Der Generalinspekteur hat sich da etwas weit aus dem Fenster gelehnt. Ich habe das Gefühl, da steckt eine Art Salamitaktik dahinter. Bisher hieß es, wir haben die Obergrenze von 3500 Mann, schicken aber nur 2500 bis 2700 Soldaten nach Afghanistan, damit wir „atmen“ können. Nun schöpft man das Mandat aus und fordert eine neue Obergrenze von 4000 oder noch mehr Mann, die aber womöglich auch bald wieder ausgeschöpft sein wird. Mir gefällt diese Vorgehensweise ganz und gar nicht, schon allein vor dem Hintergrund der großen Skepsis in der Öffentlichkeit. Und ich stelle mir zwei Fragen: Wo soll das alles noch hinführen? Und: Wann gehen wir wieder raus aus Afghanistan? Wir brauchen eine Exit-Strategie, in der definiert ist, welche Ziele wir erreichen wollen. Dazu gehört für mich nicht nur der Aufbau einer vernünftigen Verwaltung und einer funktionsfähigen Polizei, sondern vor allem auch die Bekämpfung des geradezu explosionsartig ansteigenden Drogenanbaus. Afghanistan liefert inzwischen 92 Prozent der weltweiten Opium-Produktion. Das kann auf Dauer so nicht hingenommen werden, zumal die Barone des Drogengeschäfts dem Vernehmen nach sogar in unmittelbarer Nähe von höchsten Regierungsspitzen zu finden sind. Hier muss die UNO in ihrer Gesamtverantwortung eine wirksame Gegenstrategie entwickeln. Unseren Soldatinnen und Soldaten ist jedenfalls auf Dauer nicht zuzumuten, ihr Leben für die Sicherheit und Entwicklung eines Landes zu riskieren, in dem an fast jeder Ecke Drogen angebaut oder gehandelt werden.