Interview in der Tageszeitung DIE WELT

Nach Ansicht des stellvertretenden Fraktionsvorsitzenden Wolfgang Zöller muss es noch Änderungen am Gesetzentwurf zur Pflegereform geben. Pflegestützpunkte bedeuten zusätzliche Bürokratie und kosten Millionen, eine umfassende Beratung sei auch schon jetzt möglich.

Beitragssteigerungen bei der Krankenversicherung seien nicht auf den kommenden Gesundheitsfonds, sondern auf steigende Honorare und Arzneimittelausgaben zurückzuführen, betont er.

Die Welt:Herr Zöller, wie teuer wird die Gesundheitsreform für die Versicherten?
 
Wolfgang Zöller: Eventuelle Beitragssteigerungen haben nichts mit dem Gesundheitsfonds zu tun, der 2009 starten soll. Die Bundesregierung legt den einheitlichen Beitragssatz so fest, dass die Ausgaben der Krankenkassen gedeckt sind.
 
Frage: Weshalb sagen die Krankenkassen dann Beiträge von mehr als 15 Prozent voraus?
 
Zöller: Die Kassen beziehen sich auf eine sehr zweifelhafte Studie. Abgesehen von groben Rechenfehlern, geht diese Studie von der Annahme aus, dass der Gesundheitsfonds die Ausgaben der Kassen nicht deckt. Das ist absurd. Im Gesetz steht etwas anders.
 
Frage: Alles nur Panikmache?
 
Zöller: Der durchschnittliche Beitragssatz beträgt jetzt 14,8 Prozent. Wenndie Arzneimittelausgaben weiter steigen und die Ärzte mehr Honorar bekommen, dann wird es zu einer Beitragssatzsteigerung kommen. Das ist logisch. Das hat aber nichts mit dem Fonds zu tun.
 
Frage: Warum brauchen wir den Gesundheitsfonds überhaupt?
 
Zöller: Er war der Kompromiss, der in der großen Koalition möglich war. Der Fonds ermöglicht der SPD, die Bürgerversicherung einzuführen, und er ermöglicht der Union, die Gesundheitsprämie einzuführen.
 
Frage: Herzstück des Fonds ist der neue Finanzausgleich zwischen den Kassen. Experten legen zurzeit 50 bis 80 Krankheiten fest, die dafür der Maßstab sein sollen. Sind Sie mit den ersten Ergebnissen zufrieden?
 
Zöller: Im Koalitionsvertrag ist die Redevon 50 bis 80 Krankheiten. Was jetzt auf dem Tisch liegt, ist eine Liste von über 2000 Diagnosen, die in 80 Gruppen zusammengefasst sind. Da gibt es Diagnosen wie "Intelligenzminderung ohne Auffälligkeit", die in der Liste nichts zu suchen haben. Je mehr Krankheiten erfasst sind, desto umfangreicher ist der Kostenausgleich und desto geringer der Wettbewerb zwischen den Kassen. Das macht die Union nicht mit. Das Ministerium hat sich mit einer Beratergruppe in die Arbeit der Experten eingemischt. Das ist nicht zu akzeptieren.
 
Frage: Was können Sie noch ändern?
 
Zöller:Das Verfahren liegt in der Hand des Bundesversicherungsamts. Im Februar gibt es ein Gespräch der Koalitionsfraktionen mit den Experten. Sie sollen uns erklären, wie sie sich diesen Finanzausgleich vorstellen.
 
Frage: Hat die Union schlecht verhandelt?
 
Zöller:Wir werden darauf pochen, dass der Finanzausgleich so kommt, wie ihn die Koalition vereinbart hat. Frau Schmidt kann sich über diese Vereinbarung nicht hinwegsetzen.
 
Frage: Wie gut ist Ihre Zusammenarbeit mit dem Gesundheitsministerium?
 
Zöller:Das, was Frau Schmidt macht, hat mit kollegialer Zusammenarbeit nichts mehr zu tun. Sie trickst und täuscht, was das Zeug hält. Beispiel Pflegereform: Frau Schmidt weiß, dass wir die Pflegestützpunkte ablehnen, die ihr Gesetzentwurf vorsieht. Trotzdem schreibt sie in den Pflegebericht der Bundesregierung: Pflegestützpunkte werden begrüßt. Und dann veranlasst ihr Ministerium noch vor dem Kabinettsentscheid eine Pressemeldung, in der steht, dass das Kabinett Pflegestützpunkte begrüßt. So geht es nicht! Oder nehmen Sie das Präventionsgesetz: Da sitzen wir morgens mit ihrem Staatssekretär in guter Atmosphäre zusammen und machen einen Zeitplan. Währenddessen macht die Ministerin eine neue Kabinettsvorlage! Ich vertraue Frau Schmidt nicht mehr.
 
Frage: Sie erwähnten die umstrittenen Pflegestützpunkte. Wie will die Union sie aus dem Gesetzentwurf wieder herausbekommen?
 
Zöller:Die Unionsfraktion muss nicht alles abnicken, was dem Parlament vorgelegt wird. Die Pflegestützpunkte bedeuten zusätzliche Bürokratie, die dreistellige Millionenbeträge kostet und den Pflegebedürftigen nichts bringt. Wir hatten von Anfang an Bedenken dagegen. Eine umfassende Beratung ist schon jetzt, nach geltendem Recht, möglich. Pflegestützpunkte werden derzeit in Modellprojekten auf ihren Nutzen überprüft. Dies sollten wir erst einmal abwarten, bevor wir sie mit hohem Aufwand flächendeckend einführen.
 
Frage: Und wie wollen Sie sie nun im Gesetz verhindern?
 
Zöller:Die Anhörung zur Pflegereform heute wird zeigen, dass diese Stützpunkte keine Befürworter haben. Dann muss auch die SPD die fachlichen Argumente anerkennen.
 
Frage: Und wenn nicht?
 
Zöller:Frau Schmidt wird die Pflegereform nicht an den Pflegestützpunkten scheitern lassen.
 
Mit dem stellvertretenden Fraktionsvorsitzenden der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Wolfgang Zöller, sprach Philipp Neumann.
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