Interview mit WDR 5- Mittagsecho

Johannes Singhammer hält wenig von dem Vorschlage, das Kindergeld zugunsten der Kinderbetreuung zu kürzen. Im WDR5-Interview verweist er vielmehr auf die Vereinbarung in der Großen Koalition, alle Familienleistungen auf den Prüfstand zu stellen und auf Zielgenauigkeit und Nützlichkeit zu bewerten

Frage: Was halten Sie von dem Vorstoß von Ministerpräsident Platzeck, das Kindergeld zugunsten von Kinderbetreuung zu kürzen?

Singhammer: Ich halte von dieser Idee wenig, denn wir wissen doch, dass viele Eltern gerade mal so mit dem Familienbudget zurecht kommen. Wenn man jetzt das Kindergeld beschneidet, Teile davon den Eltern wegnimmt, dann fällt das natürlich auch wieder auf die Kinder zurück.

Frage: Also Sie denken, dass es vor allem die Eltern mit geringem Einkommen sehr hart treffen könnte?

Singhammer: So ist es in der Tat. Wir wissen doch, dass viele wirklich jeden Cent und jeden Euro umdrehen müssen. Und deshalb bringt eine Verringerung des Kindergelds eine große Zahl von Familien in Deutschland in eine ganz, ganz schwierige Schräglage. Das kann eigentlich niemand wollen.

Frage: Fakt ist aber auch, dass die Kindertagesstätten - die Kinderbetreuung, die Herr Platzeck verbessern will mit dem übrigen Geld - oft in miserablem Zustand sind. Was will die Union denn da tun?

Singhammer: Da gibt es nur eine einzige Lösung: Wir müssen mehr für Kinder und für Familien tun. Es werden ja immer weniger Kinder. Die Deutschen sind dynamisch - allerdings vor allem beim Aussterben. Und deshalb bedarf es einer großen Aktion aller Gutwilligen, dass Deutschland wieder zu einem Kinderland wird. Und da müssen wir ganz zum Schluss natürlich mehr Geld in die Hand nehmen, wenn wir das wollen.
Momentan stellen wir ja fest, dass beispielsweise in den Kommunen bis zum Jahr 2010 allein aufgrund des Geburtenrückgangs 3,6 Milliarden Euro eingespart werden in der vorschulischen Betreuung, also im Bereich Kindergärten und Kinderkrippen. Dieses eingesparte Geld muss wieder für die Eltern und ihre Kinder aufgebracht werden. Und dann lässt sich allein schon damit eine bessere und qualitativ anspruchsvolle Kinderbetreuung finanzieren.
Ich weiß auch, dass die Kommunen in schwerer finanzieller Schräglage sind, aber ich denke, man darf jetzt nicht auf dem Rücken der Kinder und der Familien diese Konsolidierung leisten. Ich bin der Meinung: Wenn, muss auf verschiedenen Ebenen gespart werden und zuallerletzt auf Kosten unserer Zukunft - das sind die Kinder und das ist ihre Bildung. Und deshalb halte ich es für einen ganz falschen Weg, jetzt den Eltern auf der einen Seite etwas wegzunehmen, wo sie ohnehin schon wenig haben, und dann in einen Bereich der Betreuung zu stecken, wo die Kommunen in den nächsten Jahren ohnehin erhebliche Einsparungen haben werden.

Frage: Wollen Sie denn das Kindergeld, wie bisher gehabt, in den kommenden Jahren weiter erhöhen?

Singhammer: Ich denke, darüber muss man in der Tat reden. Wir haben vereinbart in der Bundesregierung, dass wir alle Familienleistungen auf den Prüfstand stellen wollen. Wir wollen diese bewerten und wollen schauen: Welche kommen zielgenau an, welche nutzen den Familien besonders und welche sind weniger hilfreich? Das haben wir in der Koalition vereinbart und deshalb finde ich es jetzt auch etwas überraschend, dass von Seiten des Koalitionspartners ein einzelner - wenn auch gewichtiger - Teil der Familienförderung herausgegriffen wird. Ich denke, es macht Sinn, diese Vereinbarung der Koalition einzuhalten, Familienleistungen insgesamt neu zu bewerten.

Die Fragen stellte Gertrud Sterzl
Quelle: Bundespresseamt

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