Interview mit DeutschlandRadio Kultur zur Bahnreform

Es kann nicht sein, dass betriebswirtschaftliche Gesichtspunkte bei der Zukunft der Infrastruktur und des Schienennetzes in Deutschland die dominierende Rolle spielen, meint Dr. Hans-Peter Friedrich im DLR-Interview. Deswegen sollte das Schienennetz in der Obhut des Bundes bleiben. Ein Problem: Wer kann schon den Netzzustand als Laie von außen beurteilen?

Frage: Ein Zufall dürfte die Meldung nicht gewesen sein, einen Tag vor der Expertenanhörung im Verkehrsausschuss, aber vielleicht auch doch. Die Deutsche Bahn steigert einmal mehr Umsatz und Verkehrsleistung. Bahnchef Mehdorn steuert einen klaren Kurs. Er will an die Börse, und zwar so schnell wie möglich. Ungeniert setzt er die Politik unter Druck und die Bilanzen, die er auf den Tisch legt wie gestern, die lassen sich ja durchaus sehen. Wolfgang Tiefensee von der SPD, der Bundesverkehrsminister, hat derzeit die undankbare Aufgabe, einen Gesetzentwurf zu erarbeiten, der die Teilprivatisierung der Bahn vorsieht. Ob der im Einklang mit der Verfassung steht, das ist die Frage, wenn heute fünf Stunden lang sieben Sachverständige zu Wort kommen. -  Eigentlich sieht doch die Koalitionsvereinbarung vor, dass es keine strikte Trennung von Netz und Betrieb geben soll. Wie stehen Sie dazu? Wäre es nicht doch besser, sie zu trennen?
 
Friedrich: In der Koalitionsvereinbarung steht eigentlich nur, dass wir die Privatisierung der Deutschen Bahn AG vorantreiben wollen. Sie hat ja begonnen in den 90er Jahren, indem man aus der Bundesbahn und der Deutschen Reichsbahn der DDR eine Aktiengesellschaft gemacht hat, und jetzt geht es eigentlich darum, den nächsten Schritt zu machen. Wie der Schritt ausschaut, ist in der Koalitionsvereinbarung nicht abschließend und konkret geregelt. Aber ich will sagen, dass in der Union eine klare Meinung ist ja, wir sollten Netz und Betrieb trennen.
 
Frage: Und es den Briten und Franzosen nachmachen?
 
Friedrich: Bei den Briten und Franzosen ist das gemacht worden. Es gibt natürlich verschiedene Möglichkeiten, wie man das macht: Soll man das Netz wirklich, die Infrastruktur wirklich privatisieren, oder soll man die Infrastruktur unter der Kontrolle des Staates halten? Ich bin für die letztere Möglichkeit.
 
Frage: Ja, aber wenn die Bahn entscheidet, der Staat zu 51 Prozent dagegen Eigentümer ist, sind dann Konflikte nicht ganz einfach programmiert? Wie wollen Sie die verfassungsrechtlichen Bedenken ausräumen?
 
Friedrich: Wir haben ja jetzt eine ganz andere Situation. Die Trennung von Netz und Betrieb wird nicht stattfinden, jedenfalls nicht so, wie wir uns das ordnungspolitisch gewünscht hätten, weil die SPD, weil die Gewerkschaften, weil Herr Mehdorn sagen nein, das muss alles zusammenbleiben, integrierter Konzern, Schiene und Betrieb, das gehört zusammen.
 
Frage: Moment! Das war aber auch der BDI, also nicht nur die Gruppen, die Sie angesprochen haben.
 
Friedrich: Der BDI ist für Trennung. Die Wirtschaft ist für Trennung, weil sie sagen, ordnungspolitisch ist die Trennung sauber, weil dann Wettbewerb auf der Schiene möglich ist. Aber wie gesagt: Wir haben jetzt eine andere Situation. Wir haben einen Beschluss des Bundestages, auch der Großen Koalition, die sagt, wir wollen auf der einen Seite, dass das Eigentum an der Infrastruktur, Bahnhöfe, Schienen, beim Bund bleibt. Auf der anderen Seite soll aber die Bahn das ganze in ihrer Bilanz bilanzieren dürfen und das ist eine sehr, sehr schwierige Konstruktion, die, wie wir seit einigen Wochen wissen aus Gutachten der Professoren, auch verfassungsrechtliche Probleme aufwirft.
 
Frage: Und wie wollen Sie diese Probleme umgehen, wenn Sie heute mit den Experten reden und sich sozusagen Positionen anhören, die Ihnen möglicherweise schon bekannt sind?
 
Friedrich: Wie das eben so ist bei Juristen: Es gibt verschiedene Meinungen. Wir haben durchaus auch Gutachten die sagen, was Tiefensee vorgelegt hat, ist verfassungsrechtlich völlig in Ordnung. Es gibt andere, die sagen nein, diese komplizierte Konstruktion, die ihr gemacht habt, ist nicht ausreichend, um der Verfassung gerecht zu werden, in der es heißt, dass das Wohl der Allgemeinheit beim Ausbau und beim Erhalt und beim Betrieb des Eisenbahnverkehrs zu berücksichtigen ist. Wir werden uns heute anhören, was die Sachverständigen dazu zu sagen haben, und am Ende werden dann die Minister im Kabinett entscheiden müssen, welcher Linie sie folgen.
 
Frage: Herr Friedrich, die Juristerei ist hoch kompliziert. Sie haben es schon gesagt. Drei Juristen, mindestens vier Meinungen. Lassen Sie uns auch mal über wirtschaftliche Aspekte sprechen. Solide sei die Teilprivatisierung der Deutschen Bahn in dieser Legislaturperiode nicht zu stemmen. Das sagen Fachleute, die sich sehr intensiv mit der Materie beschäftigt haben. Hat die Bundesbahn die richtige Strategie? Mehdorn will einen Weltlogistikkonzern und andere werfen ihm vor, den nationalen Bahnverkehr zu vernachlässigen. Also welche Akzente wünschten Sie sich?
 
Friedrich: Mehdorn hat eine Strategie. Er will einen internationalen Logistikkonzern. Ich finde das ist eine unternehmerisch sehr passable Position. Aber wir sagen ganz klar auch als CDU/CSU: Es kann nicht sein, dass betriebswirtschaftliche Gesichtspunkte bei der Zukunft der Infrastruktur und des Schienennetzes in Deutschland die dominierende Rolle spielen. Deswegen sind wir der Meinung, dass das Schienennetz in der Obhut des Bundes bleiben soll und dass der Rest, also das, was Herr Mehdorn an internationalen Plänen hat, unter die Kontrolle der Finanzmärkte kommt, die sehr effizient dann sagen werden was gut und was schlecht ist und Herrn Mehdorn sozusagen den Weg weisen werden. Schon aus diesem Grund sind wir eigentlich für eine Trennung beider Bereiche.
 
Frage: Sind Sie da Herrn Mehdorn eigentlich auch mal auf die Füße getreten und haben gefragt, wo sind die Bilanzen, sozusagen die Schadensmeldungen, was die Strecken betrifft, die Bahnhöfe betrifft, wie es sich um deren Zustand handelt, ob die gut sind oder nicht gut?
 
Friedrich: Das ist ein großes Problem. Wer kann schon den Netzzustand als Laie von außen beurteilen.
 
Frage: Ich nicht!
 
Friedrich: Das ist auch für uns natürlich sehr schwer. Wir haben ein Eisenbahnbundesamt, das Möglichkeiten hat. Aber ich sage auch: Uns sind alle Daten, alle Messdaten, die die Bahn hat, noch nicht zur Verfügung gestellt worden und wir verlangen als Bund, dass unser Eigentum, das es jetzt ist und das es in der Zukunft bleiben soll, in seinem Zustand uns auch offengelegt werden muss.
 
Die Fragen stellte Hanns Ostermann
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