Rede zum Ausländerrecht

In der heutigen Debatte über das Gesetz zur Umsetzung aufenthalts- und asylrechtlicher Richtlinien der Europäischen Union führte Dr. Hans-Peter Uhl folgendes aus:

Frau Präsidentin!
Meine sehr geehrten Damen und Herren!
Liebe Kolleginnen und Kollegen!
 
Jahrzehntelang war die öffentliche Diskussion geprägt von dem fruchtlosen Streit über die Frage: Ist Deutschland ein Einwanderungsland oder nicht?
 
(Zuruf von der SPD: Ist es!)
 
Während wir hier über Definitionen gestritten haben, fand jahrelang ungeregelte Zuwanderung nach Deutschland statt. Man hat die Zuwanderer sich selbst überlassen, und zwar aus finanzpolitischen, aber auch aus ideologischen Gründen. Integration erledigt sich aber nicht einfach von selbst. Integration ist ein Prozess, der beiden Seiten - dem Zuwanderer und der Aufnahmegesellschaft - viel abverlangt. Vor allem aber ist Integration für den Staat, wenn er sie ernst nimmt, sehr, sehr teuer. Es ist noch nicht so lange her, es war in den 90er-Jahren,
 
(Wolfgang Wieland (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Wir erinnern uns!)
 
während meiner Zeit als Kreisverwaltungsreferent in München, als ich das gefordert habe, was heute Gesetz wird, Herr Winkler.
 
(Josef Philip Winkler (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Das war ich nicht!)
 
Wenn damals jemand Deutschkenntnisse von Migranten verlangte, wurde er vor allem von den Grünen auf übelste Weise beschimpft.
 
(Zuruf vom BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Zu Recht! - Claudia Roth (Augsburg) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Ach, Herr Uhl, da gab es andere Gründe, Sie zu beschimpfen! - Silke Stokar von Neuforn (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Er hat nicht begriffen, warum wir ihn beschimpft haben!)
 
Zwangsgermanisierung oder administrativer Rassismus waren die übelsten Schimpfworte. So wurde dies diskriminiert.
 
Mittlerweile sind die meisten Politiker bis hinein in die Reihen der Grünen in der Realität der Zuwanderungsgesellschaft angekommen. Erstmals wird Integration als eine der größten Herausforderungen unserer Gesellschaft verstanden. Der Paradigmenwechsel dieses Gesetzes lässt sich auf den Punkt bringen: Nicht alle Menschen, die zuwandern, sind eine Bereicherung, aber alle Menschen, die auf Dauer hier bleiben wollen, müssen integriert werden.
 
   Der Unterschied zwischen Arm und Reich wird größer. Der Migrationsdruck auf Europa nimmt zu. Früher kamen die Menschen hauptsächlich im Asylverfahren. Inzwischen kommen sie vermehrt durch Familiennachzug. Allein im vergangenen Jahr sind 43 000 Menschen im Zuge des Ehegattennachzugs eingereist. Aber nicht nur diese legale Zuwanderung, sondern auch die illegale Migration nimmt zu.
 
   Angesichts dieser Situation ist es unsere Aufgabe, den sozialen Frieden zu erhalten. Was heißt das konkret? Wir müssen die Zuwanderungsströme in unser Land kontrollieren
 
(Josef Philip Winkler (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Welche Ströme denn?)
 
und - das ist in einer Industrie- und Wissensgesellschaft mit einem ständigen Fachkräftemangel noch viel wichtiger - dafür sorgen, dass hochqualifizierte Menschen den Weg nach Deutschland finden.
 
(Dr. Dieter Wiefelspütz (SPD): Fachleute wie Sie, Herr Uhl!)
 
In diesem Zusammenhang sind zwei Zahlen zu beachten, die zusammengehören und die uns alle wachrütteln sollten. Im vergangenen Jahr - das ist die Folge der noch unter Rot-Grün eingeführten Greencard-Regelung - sind ganze 400 hochqualifizierte Fachkräfte nach Deutschland eingereist.
 
(Josef Philip Winkler (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Ach, jetzt sind wir schuld! Wer will denn immer abschotten?)
 
Das hat keine ausländerrechtlichen Gründe gehabt.
 
(Reinhard Grindel (CDU/CSU): So ist es!)
 
Denn allein 2005 haben 145 000 in der Regel hochqualifizierte Deutsche dieses Land verlassen. Kollege Grindel hat gestern im Innenausschuss bereits darauf hingewiesen. 400 Menschen kamen aus dem Ausland; 145 000 gingen ins Ausland. Das kann doch nichts mit ausländerrechtlichen Bestimmungen zu tun haben. Es muss andere Gründe haben. Ich lege großen Wert darauf, dass wir diese Gründe näher betrachten,
 
(Volker Beck (Köln) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): In der modernen Welt gehen Leute und kommen Leute!)
 
und zwar zusammen mit der FDP, die dazu sehr vernünftige Ansichten vertritt.
 
   Es muss also arbeitsmarktpolitische, wirtschaftspolitische und gesellschaftspolitische Gründe haben, warum so viele hochqualifizierte Menschen gehen und so wenige kommen.
 
   Den sozialen Frieden zu bewahren, bedeutet auch, sich mehr um die hier lebenden Ausländer zu kümmern und die Integration durchzusetzen.
 
(Josef Philip Winkler (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Das nennen Sie kümmern? Na bravo!)
 
Dazu gehört auch, dass Integrationsverweigerung wirksamer als bisher sanktioniert wird. Einem Hartz IV-Empfänger in Deutschland, der sich weigert, sich zu integrieren und ein Minimum an Deutsch zu lernen, aber gleichzeitig die Hand aufhält und Sozialleistungen in Empfang nimmt, können diese Sozialleistungen in Zukunft um bis zu 30 Prozent gekürzt werden. Das ist gut so.
 
(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU - Zuruf von der LINKEN: Eine Frechheit!)
 
   Mitten unter uns leben Frauen,
 
(Zuruf von der SPD: Ja, das stimmt!)
 
die in arrangierten Ehen eingesperrt und ihrer Rechte beraubt sind. Sie werden bewusst daran gehindert, Deutsch zu lernen. Diese frauenfeindlichen Parallelgesellschaften müssen von uns aufgebrochen werden.
 
(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP - Josef Philip Winkler (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Machen Sie mal was!)
 
Diesem Problem - das ist der Paradigmenwechsel, zu dem wir uns klar bekennen - werden wir uns mit zwei neuen Vorschriften zuwenden. Erstens wird beim Ehegattennachzug erstmals ein Mindestalter von 18 Jahren festgelegt. Zweitens - das ist vielleicht noch wichtiger - muss der nachziehende Ehegatte vor seiner Einreise einfachste deutsche Sprachkenntnisse vorweisen.
 
(Volker Beck (Köln) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Art. 6! Das ist der besondere Schutz der Ehe! Sehen Sie sich als Christdemokraten?)
 
- Das Ziel dieser Regelung ist nicht, wie Sie, meine Damen und Herren von den Grünen, verleumderisch verbreiten lassen, dass wir Ehegattennachzug verhindern wollen. Ziel dieser Regelung ist vielmehr die Förderung der Integration. Bevor sich ein Mensch entschließt, seinen Lebensmittelpunkt nach Deutschland zu verlagern,
 
(Volker Beck (Köln) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Art. 6!)
 
um hier eine Ehe einzugehen, Kinder zu bekommen und diese einzuschulen, kann man erwarten, dass er sich im Heimatland um einfachste Sprachkenntnisse bemüht, um sich in die Lage zu versetzen, sich sprachlich in unsere deutsche Gesellschaft einzufügen. Das ist alles, was wir wollen.
 
(Beifall bei der CDU/CSU - Zuruf vom BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Das kann er auch hier lernen!)
 
Wenn er auf diesem untersten Niveau, was seine Sprachkenntnisse angeht, in Deutschland angekommen ist, dann kann er hier richtig Deutsch lernen.
 
(Claudia Roth (Augsburg) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Ein Japaner muss das aber nicht!)
 
Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt:
Herr Kollege, möchten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Beck zulassen?
 
Dr. Hans-Peter Uhl (CDU/CSU):
Ja, bitte schön.
 
Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt:
Bitte schön, Herr Beck.
 
Volker Beck (Köln) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Die Regelung, wonach Grundkenntnisse der deutschen Sprache vorhanden sein müssen, müsste dann für jeden Ausländer gelten, egal woher er kommt. Warum gilt dann aber diese Regelung für den Türken und nicht für den Amerikaner und den Japaner? Hat die Unionsfraktion eigentlich schon etwas von dem besonderen Schutz von Ehe und Familie in Art. 6 des Grundgesetzes gehört, der nicht unter Sprachvorbehalt steht?
 
(Reinhard Grindel (CDU/CSU): Aber das gilt nicht für Zwangsehen, Herr Beck!)
 
Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt:
Herr Kollege Uhl, Ihre Antwort wäre gleichzeitig das Ende Ihrer Rede. Ich möchte nur, dass Sie sie entsprechend gestalten.
 
Dr. Hans-Peter Uhl (CDU/CSU):
Ich werde das Ende meiner Rede so gestalten, dass Sie, Herr Beck, eine Antwort bekommen. Diese lautet wie folgt: Art. 6 des Grundgesetzes wurde von uns natürlich berücksichtigt. Wir haben dabei externen Sachverstand genutzt. Die fragliche Regelung wird mit Sicherheit in Karlsruhe überprüft werden. Das Ergebnis wird lauten - das prognostiziere ich ganz kühn -: Sie ist verfassungsgemäß.
 
(Zuruf von der SPD: Sehr kühn, Herr Kollege!)
 
   Kein Mensch fordert Sprachkenntnisse auf Abiturniveau. Die Europäische Union unterscheidet bei den Sprachkenntnissen zwischen den Fallgruppen A 1, A 2, B 1, B 2, C 1 und C 2. - Bitte bleiben Sie stehen, Herr Beck, wenn ich Sie aufkläre. Sie haben offensichtlich davon keine Kenntnis.
 
(Volker Beck (Köln) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Sie beantworten meine Frage nicht! Ich habe nach Türken, Amerikanern und Japanern gefragt!)
 
- Ich beantworte Ihre Frage. - Sie wollen wissen, wie das, was wir fordern, mit Art. 6 des Grundgesetzes in Einklang zu bringen ist.
 
(Volker Beck (Köln) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Ich stelle fest: Sie beantworten meine Frage nicht! - Gegenruf des Abg. Dr. Norbert Röttgen (CDU/CSU): Vielleicht darf der Redner sagen, was er für richtig hält!)
 
Wir fordern, dass diejenigen, die zu uns kommen, deutsche Sprachkenntnisse beherrschen, die der untersten der sechs Stufen, A 1, entsprechen. Sprachkenntnisse dieser Stufe befähigen dazu, zum Beispiel in einem Laden eine Flasche Milch zu kaufen, mehr nicht. Erst dann beginnt das eigentliche Erlernen der deutschen Sprache. Dies müssen wir voraussetzen, weil Sprachdefizite in bestimmten Fällen als Hauptintegrationshindernis auftreten. Die Kurse ?Mama lernt Deutsch“ sind eine Antwort auf dieses Problem. Mütter, die zugewandert sind und hier Kinder bekommen haben, sind oft nicht in der Lage, ihren Kindern, die eine deutsche Schule besuchen, zu helfen, wenigstens einen Teil der Hausaufgaben zu kontrollieren oder ein Gespräch mit dem Lehrer zu führen.
 
(Volker Beck (Köln) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Wenn Sie meine Frage nicht beantworten, muss ich mich setzen!)
 
Wenn ein Geschäftsmann mit seiner japanischen Ehefrau nach Deutschland kommt, findet diese Regelung keine Anwendung, weil es auf diesem Gebiet gar keine Integrationsdefizite gibt; das ist der Punkt.
 
(Dr. Norbert Röttgen (CDU/CSU): So ist es!)
 
Das ist eine intelligente Lösung.
 
(Beifall bei der CDU/CSU)
 
   Das Prinzip des Förderns und Forderns wird nun - das hat sich schon auf dem Integrationsgipfel widergespiegelt, der auf Veranlassung der Bundeskanzlerin durchgeführt wurde - erstmalig durchgesetzt. Vor 50 Jahren kam der erste sogenannte Gastarbeiter. Inzwischen sind Jahrzehnte ins Land gegangen. Sie rühmen sich zwar des Leitbildes einer multikulturellen Gesellschaft, sind aber nie auf die Idee gekommen, einen Integrationsgipfel durchzuführen, um sich um diese Menschen wirklich zu kümmern.
 
(Josef Philip Winkler (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Wir sind ja auch erst 1998 an die Regierung gekommen!)
 
Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt:
Herr Kollege, kommen Sie bitte zum Schluss.
 
Dr. Hans-Peter Uhl (CDU/CSU):
Ich habe mit dem Herrn Minister vereinbart, dass ich noch eine Minute sprechen darf.
 
Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt:
Gut.
 
Dr. Hans-Peter Uhl (CDU/CSU):
Unter Kaufleuten gilt: Wer schweigt, stimmt zu.
 
Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt:
Der Minister hat genickt.
 
Dr. Hans-Peter Uhl (CDU/CSU):
Er hat sogar genickt. Danke schön, Herr Minister.
 
   Wir mussten offensichtlich Parallelgesellschaften in unseren Großstädten sich entwickeln lassen, um zu lernen, dass man Integration einfordern muss. Wir mussten offensichtlich erst zur Kenntnis nehmen, dass in einer Stadt wie Berlin jeder zweite arbeitsfähige Mensch mit Migrationshintergrund arbeitslos ist, um zu handeln. Wir mussten erst feststellen, dass im Bereich der Jugendgruppengewalt 70 bis 80 Prozent der Jugendlichen in Berlin einen Migrationshintergrund haben, um uns diesem Personenkreis intensiv zuzuwenden.
 
   Ich bin froh, dass wir zu einer Einigung gekommen sind. Ich möchte mich in aller Form bei der SPD-Fraktion für die eineinhalbjährigen konstruktiven Verhandlungen bedanken. Das war nicht einfach; denn wir mussten Sie bei Rot-Grün abholen
 
(Heiterkeit bei der CDU/CSU)
 
und auf den Weg einer Volkspartei führen.
 
(Dr. Norbert Röttgen (CDU/CSU): Ins Land der Erkenntnis!)
 
Wir sind gemeinsam dort angekommen. Vielen Dank für die konstruktiven Gespräche!
 
(Beifall bei der CDU/CSU)
 
   Noch mehr bedanken möchte ich mich bei Innenminister Schäuble. Immer dann, wenn es in den vergangenen eineinhalb Jahren schwierig wurde, sagten wir gemeinsam, Herr Wiefelspütz: ?Hier hilft nur noch ein klärendes Ministerwort“, und dann wurden die Gespräche bei Minister Schäuble fortgesetzt.
 
Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt:
Ich bin jetzt nicht sicher, ob Herrn Schäuble überhaupt noch Redezeit bleibt.
 
Dr. Hans-Peter Uhl (CDU/CSU):
Mit diesem Dank an den Minister geht auch ein Dank an die Beamten des Innenministeriums.
 
   Danke schön.
 
(Beifall bei der CDU/CSU)
 
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