Seltene Erkrankungen sind eine Herausforderung für Millionen Menschen in Deutschland. Erich Irlstorfer ruft im Bundestag zu verstärktem Engagement, schnellerer Diagnostik und besserer Versorgung auf – eine dringende Botschaft, die bis nach Europa reicht.
Herr Präsident! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Betroffene!
Mir ist bekannt, dass heute besonders viele Menschen dieser Debatte zuhören und darauf schauen, was wir hier im Plenum des Deutschen Bundestages debattieren. Es ist ein wichtiges Zeichen, dass wir uns zum ersten Mal in dieser Tiefe mit dem Thema „Seltene Erkrankungen“ und der Selbsthilfe befassen.
Besonders freut es mich, dass dieser Antrag dem Koalitionsbruch nicht zum Opfer fällt, sondern heute hier noch seinen Weg ins Plenum findet. Persönlich – und ich weiß, dass es vielen anderen Personen auch so geht – bedeutet mir diese Debatte viel. Lassen Sie es uns gemeinsam anpacken!
Nachdem ich Ende 2022 mit der Eva Luise und Horst Köhler Stiftung eine Kampagne initiiert habe und 2023 mit mehr als 60 Selbsthilfegruppen eine Veranstaltungsreihe in Bayern durchführen durfte, habe ich das Leid der 4,5 Millionen betroffenen Menschen in Deutschland deutlich besser kennengelernt. Häufig handelt es sich hier auch um Kinder und um Jugendliche. Deren Diagnoseweg dauert durchschnittlich fünf Jahre. Es ist erschreckend: Drei von zehn Kindern mit einer Seltenen Erkrankung erleben ihren fünften Geburtstag nicht.
Ich habe auf mehr als 60 Veranstaltungen schmerzlich die Grenzen und gnadenlosen Hürden unseres Gesundheitswesens kennenlernen dürfen. Menschen mit Seltenen Erkrankungen sind oft auf sich allein gestellt und fallen aufgrund der Komplexität der Erkrankung durch das Raster unseres guten Gesundheitssystems. Aus diesem Grund habe ich es mir zur Aufgabe gemacht, diesen Menschen eine politische Stimme zu geben.
Ich habe vor Kurzem mit meinem Team ein Weißbuch veröffentlicht, das auf mehr als 120 Seiten die Nöte und Bedürfnisse der Betroffenen darstellt. Dieses Weißbuch hat jede und jeder aktive Abgeordnete in Deutschland erhalten, genauso auch die Selbstverwaltung, genauso auch die pharmazeutische Industrie und die Wissenschaft. Zudem haben wir eine Übersetzung hergestellt, die heute fertig geworden ist, und wir werden dieses englische Dokument morgen mit all seinen Handlungsempfehlungen an das gesamte Europäische Parlament versenden. Es kann nicht mehr heißen: „Keiner hat’s gewusst“, meine sehr geehrten Damen und Herren.
Lassen Sie es mich klar und deutlich sagen: Die Zeit des Abwartens muss ein Ende haben. Wir können die Betroffenen und deren Angehörige nicht mehr alleinlassen. Menschen mit Seltenen Erkrankungen brauchen unsere Unterstützung, eine langfristige Perspektive, und, ich glaube, sie brauchen eine bessere Versorgung, die unser Gesundheitssystem momentan nicht bietet.
Unser Antrag greift alle wichtigen Forderungen dazu auf. Der Diagnoseweg muss verkürzt werden; hier können Digitalisierung und eine bessere Vernetzung helfen. Wir brauchen eine bedarfsgerechte Versorgung der Betroffenen. Und Forschen hilft heilen. Nur die Erforschung von Krankheiten und möglichen Therapien kann Menschenleben retten und die Situation der Betroffenen verbessern.
Mein Dank gilt an dieser Stelle allen Betroffenen, allen Selbsthilfegruppen und allen Organisationen, mit denen ich in den vergangenen Jahren zusammenarbeiten durfte. Mein Dank geht aber auch an Sie, dass wir heute so weit sind, dass wir das Thema hier im Deutschen Bundestag, im höchsten Haus Deutschlands, behandeln.
Ich kann Ihnen nur sagen: Ohne dieses unerschütterliche Engagement wären wir nie so weit gekommen. Ich bitte Sie: Bleiben Sie an dem Thema dran, auch im neuen Bundestag!
Herzlichen Dank.
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