Redeauszug des Bundestagsabgeordneten Dr. Volker Ullrich in der Haushaltsdebatte im Deutschen Bundestag zum Thema Justiz, 13.09.2024.
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren!
Die Debatte über den Justizhaushalt ist immer auch eine Standortbestimmung über den Zustand von Verfassung und Rechtsstaat.
Und auch angesichts dieser Auseinandersetzung eben ist wichtig, festzuhalten, dass es in unserem Land einen Konsens braucht gegen extremistische Kräfte und für die demokratische Verfasstheit unseres Staates. Das ist die Kernaufgabe von Rechtsstaat und wehrhafter Demokratie.
Dazu braucht die Politik nicht nur Worte, sondern sie muss auch in den Feldern, in denen sie gefordert ist, liefern und umsetzen.
Wir haben diese Woche sehr viel über die Themen „Migration“ und auch „Zurückweisung an der Grenze“ debattiert. Es ist nicht Aufgabe der Rechtsdebatte, das alles noch mal aufzudröseln. Aber ich will auf eines zu sprechen kommen: Die demokratischen Kräfte haben die Aufgabe, dieses Problem zu lösen, auch mit Mut und Entschlossenheit. Da sich die Ampelkoalition noch nicht auf die Zurückweisung an der Grenze verständigen konnte, auch mit dem Hinweis auf das Recht, möchte ich Ihnen zwei Dinge entgegenhalten.
Erster Punkt. Die Zurückweisung an der Grenze ist europarechtlich und nach unserer Verfassungslage zulässig. Der zweite Punkt ist aber – er ist viel entscheidender –: Allein der Hinweis auf die Rechtslage ist noch nicht Politik. Es ist Aufgabe verantwortungsvoller und tatkräftiger Politik, notfalls auch die Rechtslage zu ändern. Das ist unsere Aufgabe.
Wenn wir über die Ereignisse der letzten Wochen und Monate sprechen, dann stehen auch die Fragen von Opferschutz und Befugnissen von Ermittlungsbehörden im Mittelpunkt. Es hat sich einfach gezeigt, dass wir im Kampf gegen die Feinde unserer Freiheit stärker werden müssen. Dazu gehört, dass wir den Ermittlungsbehörden die Befugnisse geben, die sie brauchen, um diesen Kampf gewinnen zu können.
Und ja, wir brauchen dazu die Speicherung von IP- Adressen. Das ist ein zentrales Element und übrigens eines, bei dem wir uns zwischen Regierung und Opposition gar nicht komplett unterscheiden. Die SPD-Innenministerin Nancy Faeser ist für die Speicherung der IP- Adressen.
Erstaunlicherweise – ich finde das einen guten Schritt – haben sich die Grünen in Nordrhein-Westfalen mit der dortigen CDU in ihrem Sicherheitspaket darauf verständigt, Verbindungsdaten zu speichern und eine Bundesratsinitiative herbeizuführen.
Das Problem bei dieser Sache ist die FDP, die sich hier der notwendigen Sicherheit in unserem Land verweigert. Deswegen sage ich Ihnen: Geben Sie sich einen Ruck, dass wir hier zu einer Lösung kommen!
Das Gleiche gilt übrigens auch für das Thema der V- Personen. Wir waren in der letzten Wahlperiode stundenlang im Breitscheidplatz-Untersuchungsschuss und haben das Thema V-Personen besprochen.
Deswegen kann es nicht sein, dass ein Gesetzentwurf anstehen sollte, der das V-Mann-System so gestaltet, dass es praktisch nicht mehr einsetzbar ist. Der wehrhafte Rechtsstaat braucht dieses Ermittlungsinstrument, um schwere Straftaten zu verhindern und aufzuklären.
Jetzt noch mal zu der Frage: Wie sieht unsere Justiz aus? Ist Vertrauen in die Justiz da? Ja, dieses Vertrauen ist da. Es darf nicht von vornherein von der Politik der Eindruck vermittelt werden, dieses Vertrauen sei verschwunden. Aber wir müssen daran arbeiten, und wir müssen die Verfahrensdauern zurückfahren. Wir müssen gerade im Bereich der Strafjustiz zu einem Zustand kommen, bei dem nicht nur noch jedes 15. Verfahren zur Anklage kommt, bei dem es nicht 1 Million offene Verfahren gibt.
Und auch wenn es verfassungsrechtlich zwischen Bund und Ländern eine Kompetenzaufteilung gibt: Wir brauchen die Verstetigung des Pakts für den Rechtsstaat. Wir brauchen mehr Stellen für die Justiz, damit insgesamt das Vertrauen in die Justiz bleibt. Das ist unsere gemeinsame Aufgabe. Lassen Sie uns daran arbeiten.
Vielen Dank.