Redeauszug des Bundestagsabgeordneten Volker Ullrich in der Bundestagsdebatte zum Justizstandort-Stärkungsgesetz, 4.7.2024:

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren!

Die Beobachtung ist zutreffend, dass es im internationalen Rechtsverkehr und bei der Frage der rechtlichen Gestaltung von Verträgen zunehmend zu einer Abwicklung der Verträge in englischer Sprache kommt und bei entsprechender Fehlerhaftigkeit auch zu Verfahren vor einer internationalen Schiedsgerichtsbarkeit. Vor dem Hintergrund der Überlegung, dass wir Vertrauen in unseren Standort, aber auch in den Rechtsstaat stärken wollen, ist es doch wesentlich besser, wenn diese Verfahren, auch zur Rechtsfortbildung und für mehr Transparenz, vor unseren Land- und Oberlandesgerichten stattfinden.

Vor dem Hintergrund ist es richtig, dass sogenannte Commercial Courts eingerichtet werden, bei denen auch in englischer Sprache verhandelt werden kann. Und genauso richtig ist es, dass wir den Instanzenzug verkürzen und mit den OLG und dem BGH zwei Stufen anbieten. Was ich aber nicht ganz verstehe, ist, warum dann die englische Sprache ausgerechnet für den BGH nicht verpflichtend eingeführt wird. Das wäre nur konsequent gewesen.

Es ist übrigens nicht nur eine Frage der Verfahrensordnung, sondern auch des materiellen Rechts. Wenn Sie sich mit Unternehmen unterhalten, dann erfahren Sie, dass die strikte AGB-Inhaltskontrolle im unternehmerischen Rechtsverkehr ein Hindernis bei der Gestaltung von Verträgen im deutschen Recht ist. Deswegen müssen wir zur Stärkung unseres Rechtsstandorts an diese Frage herangehen, nicht im Sinne der Abschaffung, sondern im Sinne von unternehmensfreundlichen Regulierungen, um wettbewerbsfähig zu sein.

Vor dem Hintergrund verstehe ich nicht, weshalb Sie bei zwei Punkten in Ihrem Gesetzentwurf schlichtweg stehen geblieben sind.

Das eine ist die Frage des Streitwerts. Es ist gut, dass Sie die Streitwertgrenze, die ursprünglich bei 1 Million Euro lag, auf 500 000 Euro abgesenkt haben. Aber gerade, wenn es um Streitigkeiten grundlegender Art geht, die vielleicht nicht die Grenze von einer halben Million Euro erreichen: Warum lassen Sie nicht trotzdem zu, dass diese Parteien das vor den Commercial Courts verhandeln? Ich finde, eine Streitwertgrenze macht vor dem Hintergrund, dass es sich ja ohnehin um eine Parteienvereinbarung handelt, gar keinen Sinn.

Und wenn wir über die Disposition der Parteien sprechen, dann ist die Frage, warum Sie eigentlich wesentliche Rechtsgebiete ausklammern. Wir hätten uns gewünscht, dass der gewerbliche Rechtsschutz, das Urheberrecht, das Patentrecht, das Markenrecht, auch in diese Vereinbarung fällt. Das hätte zur Modernisierung wesentlich beigetragen, meine Damen und Herren.

Und ja, Commercial Courts und Englisch als Verfahrenssprache sind nicht allein ausschlaggebend für die Frage der Modernisierung der Justiz. Es kommt auf den Stellenaufwuchs an und auf die Frage, wie wir Digitalisierung abbilden. Es bleibt dabei: Bis zum Jahr 2030 werden 25 bis 30 Prozent der Richterschaft in den Ruhestand gehen. Die Justiz muss attraktiv bleiben, und wir brauchen einen Stellenaufwuchs.

Deswegen möchte ich Sie schon an ein Versprechen erinnern, das Sie als Ampel gegeben haben, nämlich den Pakt für den Rechtsstaat zu verstetigen. Sie können sich jetzt nicht damit herausreden, dass Sie die finanziellen Mittel nicht haben. Ich darf Ihnen sagen: Wenn wir in Deutschland nur 1 Prozent Wirtschaftswachstum pro Jahr hätten und nicht Stagnation aufgrund Ihrer Politik, hätten wir etwa 12 Milliarden Euro mehr Steuereinnahmen, mit denen wir das finanzieren könnten. So bleibt die Justiz auf der Strecke.

Letztlich, um es metaphorisch auszudrücken: Die Justiz dürstet nach Modernisierung, und das Glas ist durch Ihren Gesetzentwurf sicherlich halbvoll. Wir hätten es mit unserem Änderungsantrag noch ein Stück weit voller gemacht. Dennoch ist es besser als nichts, und deswegen stimmen wir zu.

Ich bitte aber darum, dass Sie auch unseren Änderungsanträgen zustimmen, um das Gesetz noch besser zu machen.

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