Redeauszug des Bundestagsabgeordneten Reinhard Brandl in der Bundestagsdebatte zum Aufbau einer Drohnenarmee, 16.5.2024:

Herr Präsident! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! 

Seit über zehn Jahren fordern wir in jedem Positionspapier, das wir als CDU/CSU zur Bundeswehr schreiben, die Einführung von bewaffneten Drohnen. Seit über zehn Jahren wurde sie jedes Mal von der SPD aus ideologischen Gründen blockiert.

Das Ergebnis ist ein Desaster für die Bundeswehr. Jeder moderne Krieg wird heute vor allem auch mit Drohnen geführt. Bergkarabach war ein erster Fingerzeig. In der Ukraine werden jeden Monat von der Ukraine 10 000 Drohnen verbraucht. Es werden also Drohnen eingesetzt, die nachher nicht mehr zur Verfügung stehen, weil sie zum Beispiel abgeschossen werden. Die Russen haben wahrscheinlich ähnliche Zahlen.

Jetzt sagt die Ukraine, das reicht ihnen nicht. Sie wollen ihre Produktion steigern. Sie brauchen mehr Drohnen für ihre Verteidigung und wollen ihre Produktion auf 1 Million Drohnen im Jahr steigern. In so einem Szenario könnte die Bundeswehr genau zwei Tage lang mithalten. Das muss man sich mal auf der Zunge zergehen lassen angesichts der historischen Rede, die an dieser Stelle Olaf Scholz im Februar 2022 gehalten hat. Ich möchte aus dieser Rede mal zitieren:

„Wir müssen uns daher fragen: Welche Fähigkeiten besitzt Putins Russland, und welche Fähigkeiten brauchen wir, um dieser Bedrohung zu begegnen, heute und in … Zukunft? Klar ist: Wir müssen deutlich mehr in die Sicherheit unseres Landes investieren, um auf diese Weise unsere Freiheit und unsere Demokratie zu schützen. Das ist eine große nationale Kraftanstrengung. Das Ziel ist eine leistungsfähige, hochmoderne, fortschrittliche Bundeswehr, die uns zuverlässig schützt.“

Besser hätte ich es nicht sagen können. Fakt ist aber: Mit all dem, was Boris Pistorius für das laufende Jahr und für das kommende Jahr an neuen Drohnen plant, könnte die Bundeswehr genau einen Tag länger in einem Ukraineszenario überleben. Das ist erbärmlich, meine verehrten Kolleginnen und Kollegen.

Bei dem, was er neu beschafft, ist wieder keine einzige bewaffnete Drohne dabei. Die Bundeswehr beschafft nur Aufklärungsdrohnen. Ich kann sagen: SPD gewinnt, Bundeswehr verliert. – Der Applaus vom SPD-Parteitag hilft unseren Soldaten im Gefecht keinen Millimeter weiter. Es ist doch klar: Ein potenzieller Gegner wird zuerst auf unsere Schwachstellen zielen. Eine unserer Schwachstellen sind die nicht vorhandenen Drohnen, eine andere ist die kaum vorhandene Drohnenabwehr.

Das wird uns im Moment jeden Tag vor Augen geführt. Bis zum Jahr 2022 kam es praktisch nicht vor, dass zivile Drohnen über einem Bundeswehrgelände gesichtet worden sind; es gab mal Ausreißer. Seitdem wir auf unseren Truppenübungsplätzen Ukrainer ausbilden, kommt es praktisch jeden Tag vor. Im Jahr 2022 gab es dort 127 Sichtungen von Drohnen, im Jahr 2023 446. 446- mal wurde eine Drohne gesichtet und gemeldet. Das heißt, es waren in Wahrheit viel mehr, weil nicht jede Drohne automatisch gesehen wird.

Wissen Sie, verehrte Kolleginnen und Kollegen von der Ampel, wie viele Drohnen die Bundeswehr davon abgewehrt hat? Genau eine einzige. Das ist erniedrigend. Unsere Soldaten, unsere ukrainischen Freunde werden dort ausgebildet. Sie sehen eine Drohne, möglicherweise gesteuert von einem russischen Spion, und sie können nichts machen. Sie können zuschauen oder am besten noch wegschauen, damit sie sich nicht ärgern müssen.

Das ist Ihre Verantwortung. Sie hätten schon lange einen Rechtsrahmen schaffen können, damit die Bundeswehr in der Lage ist, auch im Inland eine funktionierende Drohnenabwehr auf die Beine zu stellen.

Wir haben das heute wieder zum Thema gemacht, weil wir Sie, liebe Ampel, an der Stelle auch nicht loslassen wollen, weil wir zeigen wollen: „Wenn der politische Wille da ist, dann kann man was verändern“, und weil wir zeigen wollen, dass es sich lohnt, von der Ukraine zu lernen.

Deswegen fordern wir in unserem Antrag, erstens, den Aufbau einer eigenen Truppengattung „Unbemannte Systeme“. Die Ukrainer machen gerade genau das, weil sie gelernt haben, dass es für diese modernen Technologien neue Einsatzregeln braucht, neue Führung braucht und auch neue Ausbildungsformen braucht. Und sie sind damit erfolgreich. Den Ukrainern ist es zum Beispiel gelungen, mit unbemannten Booten, vollgeladen mit Sprengstoff, die übermächtige Schwarzmeerflotte von Russland weitgehend auf Distanz zu ihren Küsten zu halten.

Zweitens. Wir brauchen eine Beschaffungsinitiative, und zwar in allen Größenklassen, für unbemannte Systeme und für alle Teilstreitkräfte. Das wäre auch ein Signal an die Industrie, Kapazitäten aufzubauen; denn das wird sie nicht tun, wenn die Bundeswehr weiter 20-stückweise bestellt.

Drittens. Wir müssen in Forschung und Entwicklung investieren. Der Witz ist ja: Trotz dieser Fähigkeitslücke geht der Anteil für Forschung und Entwicklung im Drohnenbereich zurück. Dort wird gekürzt; dort sparen Sie. Sie müssen in diesen Bereich investieren! Die Bundeswehr hätte Strukturen dafür. Sie hat sogar einen eigenen Drone Innovation Hub, sie hat einen Cyber Innovation Hub. Das heißt, wenn Sie in diese Strukturen investieren würden, wären die Leute, die Kompetenzen da. Man muss es nur wollen.

Viertens. Jede einzelne kämpfende Truppengattung braucht Fähigkeiten zur Drohnenabwehr. Die Soldaten müssen darin ausgebildet werden; denn im Gefecht müssen sie damit rechnen, von Drohnen beobachtet, unter Umständen auch von Drohnen bekämpft zu werden. Das muss eine Jedermannaufgabe in der Bundeswehr werden.
Fünftens. Wir brauchen dringend einen Rechtsrahmen, der es der Bundeswehr erlaubt, auch in Friedenszeiten, auch in Deutschland Drohnen zu bekämpfen; sonst machen wir uns lächerlich.

Lieber Herr Arlt, Sie werden gleich nach mir sprechen. Sie sind ja noch einer der Vernünftigen in der SPD. Sagen Sie Ihrem Bundesverteidigungsminister, wenn er dieses Thema nicht angeht, dann ist seine Forderung nach Kriegstüchtigkeit nicht mehr als eine hohle Phrase.

Danke.
 

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