Redeauszug des Bundestagsabgeordneten Alois Rainer in der Bundestagsdebatte zur Senkung der Steuerbelastung, 16.05.2024:

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Meine sehr verehrten Damen und Herren! 

Gestern war der Tag der Familien. Die Wertschätzung der Ampelkoalition für diesen Tag war nicht vorhanden, zumindest nicht erkennbar. In unserem Antrag heute geht es darum, die arbeitende Mitte zu stärken, die Steuerbelastungen zu senken und Familien zu entlasten.

Liebe Kolleginnen und Kollegen der Ampelkoalition, das Bürgergeld haben Sie zum 1. Januar 2023 eingeführt und frühzeitig, im letzten Herbst, zum 1. Januar 2024 um 12 Prozent kräftig erhöht. Die Finanzierung dieser Erhöhung des Bürgergeldes hat für Sie in dieser Zeit keine Rolle gespielt. Den steuerlichen Grundfreibetrag und den Kinderfreibetrag, die Beträge also, die die arbeitende Mitte entlasten würden, haben Sie bisher nicht angepasst. Angekündigt hatten Sie eine rückwirkende Erhöhung des steuerlichen Grundfreibetrages um 8 Prozent und des Kinderfreibetrages um 10 Prozent zum 1. Januar 2024.

Das wäre zumindest besser gewesen als nichts; denn bisher ist nichts passiert. Zwar angekündigt, aber es ist nichts passiert, sehr geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Sie haben bis heute keinerlei Erhöhung vorgenommen.

Das Jahressteuergesetz ist angekündigt. Letztes Jahr gab es keins – das wissen wir alle miteinander –, aus welchen Gründen auch immer; sie erschließen sich nicht.
Nach dieser Sitzungswoche sind es bis zur Sommerpause noch vier Sitzungswochen. Wie wollen Sie ein Jahressteuergesetz beschließen, wenn es jetzt noch nicht einmal im Umlauf ist? Wollen Sie dann ab September ein Jahressteuergesetz rückwirkend zum 1. Januar 2024 machen? Viel Spaß!

Sie haben trotz mehrfacher Aufforderungen nicht erklärt, weshalb die Erhöhung des Bürgergeldes um 12 Prozent vorgenommen wurde, der Kinderfreibetrag und der steuerliche Grundfreibetrag aber nicht in gleicher Weise erhöht worden sind. Liebe Kolleginnen und Kollegen von der Ampel, Sie sorgen vor allem dafür, dass sich in bestimmten Einkommensbereichen Arbeiten kaum noch lohnt und das Lohnabstandsgebot nicht mehr ausreichend gewahrt wird.

Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts stellt das sozialhilferechtlich definierte Existenzminimum die Untergrenze für das einkommensteuerliche Existenzminimum dar und darf nicht unterschritten werden. Genau dies besagt das Lohnabstandsgebot. Liebe Kolleginnen und Kollegen, Sie spalten mit Ihrer Politik und mit dem von Ihnen eingeführten Bürgergeld unsere Gesellschaft.

Wenn wir einer forsa-Umfrage glauben dürfen – und ich glaube ihr –, sind sogar 54 Prozent der Wählerinnen und Wähler der SPD gegen das Bürgergeld. Insgesamt sind es zwei Drittel der Bürger in unserem Land, die das Bürgergeld als ungerecht empfinden. Gerade in Zeiten, in denen wir erleben, wie die Preisspirale sich insbesondere bei Familien von Geringverdienern mit Kindern über Gebühr bemerkbar macht, wäre es ein mehr als erforderliches Zeichen gewesen, endlich zu handeln und der arbeitenden Mitte Entlastungen zukommen zu lassen. Dazu gehören die Erhöhung des Grundfreibetrages und die Erhöhung des Kinderfreibetrages.

Vizepräsidentin Petra Pau:

Kollege Rainer, ich habe die Uhr angehalten. Gestatten Sie eine Frage oder Bemerkung aus der SPD-Fraktion?

Alois Rainer (CDU/CSU):

Ja, bitte.

Carlos Kasper (SPD):

Sehr geehrter Herr Rainer, Sie haben jetzt mehrmals das Bürgergeld angesprochen, es sehr deutlich kritisiert und auch gesagt, dass das zwei Drittel der Deutschen als ungerecht empfinden. Deswegen habe ich eine Frage. Sie haben ja die Ampelkoalition dafür verantwortlich gemacht. Das war auch ein Projekt von uns Sozialdemokraten. Wir haben das auf einem langen Weg aus der Partei heraus in den Koalitionsvertrag eingebracht und dann tatsächlich in Regierungshandeln umgesetzt. Trotzdem vergessen Sie, dass Sie im Bundestag nicht nur den Regelsätzen, sondern auch dem Bürgergeld und der Bürgergeldreform zugestimmt haben. Daran wollte ich Sie einfach erinnern, weil das aus Ihrer Rede eben nicht so herausklang. Vielleicht können Sie den Bürgerinnen und Bürgern und auch den Zuhörerinnen und Zuhörern hier erläutern, was Sie da gemeint haben.

Alois Rainer (CDU/CSU):

Ja, das kann ich gerne machen. Danke für Ihre Frage. – Es stimmt, wir haben dem Bürgergeld und den dazugehörigen Regularien zugestimmt. Mir geht es aber nicht explizit um das Bürgergeld – wenn Sie mich ausreden lassen, kann ich das sagen –, sondern um den Vergleich von Bürgergeld und dem steuerlichen Grundfreibetrag und dem Kinderfreibetrag. Dieser Vergleich hinkt nämlich. Im Herbst letzten Jahres wurde beschlossen, ohne irgendeine Kenntnis, ob das finanzierbar ist, das Bürgergeld um 12 Prozent anzuheben; das wurde oft genug gesagt. Die Freibeträge, die ich gerade angesprochen habe, wurden bis heute nicht angepasst. Das ist mein Ansatz. – Danke.

Meine Damen und Herren, diejenigen, die arbeiten, Steuern zahlen und damit dafür sorgen, dass unser Staat überhaupt in der Lage ist, zu investieren und Sozialleistungen zu zahlen, haben es verdient, dass sie von Ihnen, liebe Ampelkoalitionäre, mit der gleichen Geschwindigkeit und in der gleichen Höhe Entlastungen erhalten wie die gerade angesprochenen Bürgergeldempfänger.

Gerade für Paare, die sich für Kinder entscheiden, ist es von besonderer Bedeutung, dass sie das Gefühl haben, vom Staat ausreichend unterstützt zu werden. Deshalb fordern wir nicht nur, das Kindergeld für 2024 entsprechend anzuheben, sondern insbesondere auch, die bis 2022 bestandene Stufung für kinderreiche Familien ab dem dritten und vierten Kind wieder einzuführen.

Was die Inflation anbelangt, meine Damen und Herren: Es wird ja immer kolportiert, Sie seien verantwortlich für die Senkung der Inflationsrate. In erster Linie war das die EZB durch ihre Zinserhöhungen. Zweitens muss man sagen, dass die Inflationsrate durch einen Vergleich mit dem gleichen Monat des Vorjahres berechnet wird. Wenn Sie sagen, die Energiepreise seien zu niedrig, dann fahren Sie mal zu mir aufs Land an die Tanke X oder an die Tanke Y. Dort sehen Sie, dass die Energiepreise nach wie vor auf einem unglaublich hohen Niveau sind. Die waren schon letztes Jahr hoch und sind dieses Jahr immer noch hoch. Deshalb: Nicht nur auf die Inflation abstellen, sondern auch auf die Realität achten, wie sie in unserem Land gegeben ist!

Danke schön.
 

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