Redeauszug der Bundestagsabgeordneten Katrin Staffler in der Bundestagsdebatte zur Änderung des Bundesausbildungsförderungsgesetzes, 16.5.2024:

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!

Über zwei Jahre Diskussion zur Zukunft des BAföGs liegen hinter uns. Der Gesetzentwurf, der uns heute jetzt hier vorliegt, ist von der Regierung als nicht weniger angekündigt worden als „eine große strukturelle Reform, die das BAföG in die Zukunft führen soll“.

Liebe Kolleginnen und Kollegen von der Ampelregierung, genau das haben Sie jetzt zwei Jahre lang den jungen Menschen in Deutschland versprochen, die zur Studienfinanzierung auf das BAföG angewiesen sind. Sie müssen sich heute hier jetzt an diesen vollmundigen Ankündigungen und an Ihren Versprechen schon noch ein Stück weit auch messen lassen.

Deswegen wäre es vielleicht gut, nicht so sehr in den Angriff zu gehen, sondern einfach mal demütig zu hören, was die Menschen über Ihren Gesetzentwurf, den Sie hier heute vorlegen, denken. Gehen wir in die Themen rein.

Das wichtigste Thema, gerade für diejenigen, die heute schon im BAföG-Bezug sind, sind die Bedarfssätze, also sprich: „Wie viel Geld bekomme ich jeden Monat, wenn ich BAföG beziehe?“ Das ist für die jungen Menschen deswegen die relevante Frage, weil die Antwort darauf nämlich darüber entscheidet, ob man sich das Studium überhaupt leisten kann oder nicht.

In der Vergangenheit war der Bedarfssatz im Zweifel nicht unbedingt so hoch, dass er zu Reichtümern geführt hat, aber man hat sich das Studium finanzieren können. Das war aber vor der Inflation. Die Lebenshaltungskosten sind in den letzten beiden Jahren massiv angestiegen, und die Regierung hat daraufhin auch da, wo sie es selbst verantworten kann und selbst in der Hand hat, Entscheidungen getroffen, um die Bevölkerung zu unterstützen: bei der Anhebung des Mindestlohns, bei der Anhebung des Bürgergelds. Nur bei einer Bevölkerungsgruppe, bei der man es auch selbst in der Hand hätte, scheint die Ampel der Meinung zu sein, dass die Unterstützung irgendwie nicht nötig wäre, nämlich bei den Studenten.

Dann lassen Sie bitte einfachmal diese Argumentation sein: Man müsse eben im Moment sparen. Richtig ist: Auch trotz der aktuellen Rekordsteuereinnahmen kann sich diese Regierung nicht alles leisten, was sie sich gerne wünschen würde. Aber noch mal: Es ist offensichtlich Geld für alle Bevölkerungsgruppen da, nur eben für eine Gruppe reicht das Geld nicht aus, für die Studenten.

Wobei, so ganz stimmt es ja nicht; denn der Haushaltsausschuss hat ja durchaus 150 Millionen Euro für das BAföG in Aussicht gestellt. Laut Ihrer Novelle planen Sie, davon 62 Millionen Euro zu nutzen. Wenn Sie das volle Budget ausnutzen würden, wäre eine Erhöhung voraussichtlich realisierbar. Wir müssen also vermuten, dass Sie allen Ernstes versuchen, auf dem Rücken der Studierenden den Beitrag zur Haushaltskonsolidierung zu leisten.

Da muss die Frage erlaubt sein, ob Sie eigentlich noch merken, was das für ein Signal ist, das Sie an die junge Generation senden.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, wo bleibt denn da die Priorisierung für die zukünftigen Leistungsträger in dieser Gesellschaft? In dem Punkt – das, glaube ich, kann man sagen – sind Sie weit hinter die eigenen Ankündigungen zurückgefallen.

Aber zur großen strukturellen Reform gehört ja noch mehr als die Bedarfssätze, im Übrigen auch noch mehr als das Wohngeld – dazu habe ich jetzt nicht viel gesagt, aber das müsste auch dringend erhöht und an regionale Gegebenheiten angepasst werden. Da wäre zum Beispiel auch noch die Frage, wie es gelingt, dass das BAföG wieder attraktiver für Studierende wird. Warum beantragen nicht alle, die theoretisch berechtigt sind, BAföG?

– Ja, und der wurde auch einstimmig beschlossen.

Und wenn ich mir die vorliegenden Reformpläne anschaue, kommt mir die Vermutung, dass Sie sich genau die Frage, wie das BAföG wieder attraktiver werden kann, gar nicht gestellt haben. Dabei hätten Sie einfach mal die Studi-Verbände fragen können, wo die nämlich die Probleme sehen.

Ich kann es Ihnen sagen: zu komplizierte Beantragung, zu viele einzureichende Dokumente, zu langer Genehmigungsprozess.

Ich sage es Ihnen ganz ehrlich: Mich enttäuscht es, dass die zuständige Ministerin aus der „Digitalisierung first, Bedenken second“-Partei als einzige Antwort auf diese ganzen Probleme die Einführung der Studienstarthilfe findet.

Für mich wäre da der Slogan passender: Staatlicher Zuschuss first, Digitalisierung second. So müsste es doch eigentlich heißen.

Und zeigen Sie bitte nicht immer mit den Fingern auf die Länder.

Wir reden über ein Bundesgesetz. Der Bund gibt den vollen Geldbetrag. Den Leuten zu erzählen, man hätte gar nichts, aber auch wirklich nichts damit zu tun und keine Chance, daran was zu ändern, ist doch nicht mehr als eine faule Ausrede.

Sie legen uns hier eine BAföG-Novelle vor, mit der niemand zufrieden ist: die Gewerkschaften nicht, die Studierendenvertretungen nicht, die Verbände nicht, die Länder nicht, das Deutsche Studierendenwerk nicht, sogar teilweise die eigenen Kollegen nicht, wie wir heute wieder gehört haben. Alle kritisieren die Novelle als unzureichend und teilen unsere Forderungen zum Beispiel nach höheren Bedarfssätzen.

Schade ist, dass aus einer großen strukturellen Reform nur dieses unzureichende Reförmchen geworden ist, das hinter allen Ankündigungen weit zurückbleibt. Das geht besser, liebe Kolleginnen und Kollegen.

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