Redeauszug des Bundestagsabgeordneten Volker Ullrich in der Haushaltsdebatte im Deutschen Bundestag / Bundesministerium der Justiz, 1.2.2024:
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren!
In dieser Wahlperiode ist das Bundesjustizministerium nicht nur für die Rechtspolitik selbst, sondern auch für die Rechtsetzung insgesamt und für den Bürokratieabbau zuständig. Es macht mir Sorge, dass viele aktuell diskutierte Gesetzgebungsvorhaben im Detail nicht mit der notwendigen Sorgfalt vorangetrieben werden.
Das betrifft das Selbstbestimmungsgesetz genauso wie das Cannabiskontrollgesetz. Sie können sich Ihrer Verantwortung für eine ordnungsgemäße Gesetzgebungsmaschinerie nicht entziehen.
Ich möchte Ihnen auch zurufen, dass wir vom Umfang Ihrer Vorschläge zum Bürokratieabbau enttäuscht sind. Im Bürokratieentlastungsgesetz werden beispielhaft genannt: Abschaffung der Hotelmeldescheine für Deutsche, Aufbewahrungsfristen von zehn auf acht Jahre reduzieren, Textform statt Schriftform. – Das ist eher Politikmarketing. Das sind keine substanziellen Vorschläge zum Bürokratieabbau.
Es ist auch falsch, Herr Kollege Buschmann, dass Sie in diesem Zusammenhang auf die Europäische Union und deren Präsidentin Ursula von der Leyen verweisen.
Die Europäische Kommission arbeitet als Kollegialorgan. Die Zuständigkeit ist insgesamt verteilt. Gerade rechtliche Themen fallen in die Zuständigkeit liberaler Kommissare, sodass Ihr Vorwurf hier fehlgeht. Er ist eher ein Wahlkampf-Framing.
Ich möchte ein Thema ansprechen, das uns große Sorgen bereitet, weil es viele Millionen Menschen in unserem Land betrifft. Das sind die hohen Mieten vor allen Dingen in den Ballungszentren. Die Mieten steigen weiter. Ich finde, die Bundesregierung hat die Verpflichtung – auch aus sozialer Fürsorge –, dafür Sorge zu tragen, dass die Mieten nicht weiter steigen, dass gerade in den großen Städten Wohnraum bezahlbar bleibt. Ein Instrument, das übrigens die Große Koalition eingeführt hat, war die Mietpreisbremse. Man kann über die Mietpreisbremse im Detail streiten. Aber niemand wird leugnen, dass sie einen dämpfenden Effekt auf die Mieten in den Städten hat. Mir macht es Sorge, dass die Mietpreisbremse 2025 ausläuft und dass es noch keine Ressortabstimmung darüber gibt, ihre Geltungsdauer zu verlängern, obwohl Sie das in den Koalitionsvertrag geschrieben haben. Frau Ministerin Geywitz hat dazu deutliche Worte gefunden. Ich darf auch den stellvertretenden SPD-Fraktionsvorsitzenden Dirk Wiese zitieren: „Ich ermutige den Bundesjustizminister“, hat er gesagt, „dazu, endlich ein Teil der Lösung, nicht weiterhin ein Teil des Problems zu sein.“ Viele Millionen Mieter und Vermieter warten auf Rechtssicherheit beim Thema Mietpreisbremse. Da muss die Koalition endlich liefern, meine Damen und Herren.
Wir müssen uns auch zum Thema IP-Speicheradressen abstimmen. Sowohl die Anhörung als auch die letzte Debatte haben ergeben: Hier gibt es gerade zwischen Union und SPD eine Grundlage für eine Einigung. Es geht darum, Kinder vor Abbildungen schwersten sexuellen Missbrauchs zu schützen. Das sollte nicht an der in unserem Antrag vorgeschlagenen Speicherfrist von sechs Monaten scheitern. Wir sind kompromissbereit. Aber bringen Sie endlich dieses Instrument in diesem Haus auf den Tisch! Zögern ist hier nicht mehr verantwortungsbewusst.
Ich möchte abschließend noch auf den Schutz unserer Institutionen, insbesondere den Schutz des Bundesverfassungsgerichts eingehen. Es ist ein wichtiges Anliegen, das uns alle eint, dass die Mechanismen des Grundgesetzes, welches 75 Jahre alt wird, weiterhin den Schutz unserer Demokratie, des Rechtsstaats und damit unserer Freiheit insgesamt gewähren. Wenn wir über mögliche Einfallstore in unserer Verfassung sprechen, dann haben wir aus historischer Verantwortung auch die Pflicht, diese zu schließen und die Verfassung, unser Grundgesetz, resilienter zu machen gegen mögliche Angriffe von innen. Es liegt im gemeinsamen Interesse aller Demokraten – die Frage ist, in welchem Umfang wir schützen und an welchen Stellschrauben wir drehen wollen –, dass das Bundesverfassungsgericht durch Vorgabe einer Zweidrittelmehrheit bei der Richterwahl und bestimmte Verfahrensarten geschützt wird; das ist gar keine Frage.
Wir dürfen aber nicht vergessen, dass unser Grundgesetz noch ein weiteres offenes Tor hat, durch das entscheidende demokratische Hebel mit lediglich einfacher Mehrheit geändert werden können, nämlich beim Wahlrecht.
Deswegen rufe ich Sie auf, dass wir beide Punkte zusammen diskutieren, um unser Grundgesetz gegenüber Angriffen von innen stark zu machen, damit Würde, Demokratie, Rechtsstaatlichkeit insgesamt gesichert werden. Das ist unser Anliegen. Lassen Sie uns darüber gemeinsam diskutieren!
Herzlichen Dank.
Druckversion