Redeauszug des Bundestagsabgeordneten Thomas Silberhorn in der Bundestagsdebatte zur Libyenpolitik, 19.10.2023.

Liebe Kolleginnen und Kollegen! 

Das vergangene Jahrzehnt in Libyen war durch Bürgerkrieg, durch Terrorismus und durch humanitäre Katastrophen geprägt. In dieser unübersichtlichen Lage wuchert eine Schattenwirtschaft aus Waffenhandel, Drogenhandel und Menschenhandel. Dieses Land braucht dringend politische Stabilität und ein Ende der Gewalt, meine Damen und Herren.

Zu diesem Zweck hatte die Bundesregierung 2020 und 2021 zu zwei Libyen-Konferenzen nach Berlin eingeladen und damit die Vermittlungsbemühungen der Vereinten Nationen erfolgreich unterstützt. Es konnte nach dem Waffenstillstand von 2020 ein Dialogformat etabliert werden. Auf dieser Grundlage ist im März 2021 eine Regierung der nationalen Einheit gebildet worden. Diese Einheitsregierung ist international anerkannt, aber sie ist nicht gewählt. Ihr Kernauftrag war es, Parlaments- und Präsidentschaftswahlen bis Ende 2021 durchzuführen und bis dahin die Einheit des Landes zu wahren.

Wenn wir heute auf Libyen blicken, dann sehen wir ein Land, das immer noch keine gewählte Regierung hat, in dem sich weiter Milizen und Söldner breitmachen und in dem sich die Spaltung zwischen Ost und West weiter vertieft. Die militärischen Gruppierungen sind in Ost und West dabei, sich zu institutionalisieren, und die Machtstrukturen, die sich um diese Milizen gebildet haben, verfestigen sich.

Von außen muss man den Eindruck gewinnen, dass sich viele Akteure in dieser Lage ganz kommod eingerichtet haben, wenn Sie mir diese Formulierung gestatten. Jedenfalls droht das politische Momentum für die Befriedung, für die Stabilisierung und für die Einheit Libyens verloren zu gehen. Das liegt nicht im Interesse der libyschen Bevölkerung, es liegt nicht im Interesse Deutschlands und der Europäischen Union und auch nicht im Interesse der Vereinten Nationen, meine Damen und Herren.

Deshalb verdient es unsere Unterstützung, wenn der UN-Sonderbeauftragte Bathily darauf drängt, dass noch in diesem Jahr Präsidentschafts- und Parlamentswahlen stattfinden. Es muss uns aber bewusst sein, vor welchem schwierigen politischen Hintergrund sich solche Wahlen nur abspielen können. Die rivalisierenden Gruppen errichten Hürden, die demokratische Wahlen unterminieren können. Die Wahlgesetze, um die das Repräsentantenhaus im Osten und der Senat im Westen gerade ringen, müssen deshalb demokratische Mindeststandards einhalten. Das muss die internationale Gemeinschaft von allen Akteuren in Libyen einfordern.

Die deutsche Außenpolitik, liebe Kolleginnen und Kollegen, spielt hier eine Rolle. Gerade weil die Berliner Konferenzen zu Libyen Fortschritte ermöglicht haben, fordere ich die neue Bundesregierung auf: Nutzen Sie diese Reputation, die Ihnen zugefallen ist! Schauen Sie nicht zu, indem Sie Ihre Reden hier zu Protokoll geben, sondern ergreifen Sie die Initiative und unterstützen Sie die Vereinten Nationen in ihrem Bemühen, Wahlen auf den Weg zu bringen und für Stabilität in Libyen zu sorgen!

Vielen Dank.
 

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