Redeauszug der Bundestagsabgeordneten Anja Weisgerber in der Bundestagsdebatte zur Raubtierbejagung: Schutz von Menschen und Weidetieren, 22.9.2023:
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Werte Kolleginnen und Kollegen!
Ende August starben 55 Schafe nach einer Wolfsattacke im Landkreis Stade. Der Schäfer verliert in dieser Nacht die Hälfte seiner Herde. Das ist nur ein Beispiel, zeigt aber in einer neuen Dimension: Es ist nicht der Wolf, der in Deutschland in Gefahr ist. Es sind die Weidetiere, und es ist die Weidewirtschaft, meine sehr geehrten Damen und Herren.
Die Wolfsbestände wachsen stetig und unbegrenzt. Allein im letzten Jahr wurden über 4 000 Weidetiere verletzt oder getötet. Das zeigt: Der Wolf ist in Deutschland eben nicht mehr vom Aussterben bedroht, die Weidewirtschaft aber schon. Der günstige Erhaltungszustand ist erreicht und übererfüllt. Und deswegen frage ich Sie, Frau Ministerin: Wann ziehen Sie daraus endlich die notwendigen Konsequenzen?
Es reicht eben nicht, den Abschuss von Problemwölfen zu erleichtern, wie es Ministerin Lemke vorschlägt. Das Verfahren dazu ist und bleibt bürokratisch und kompliziert. Was wir jetzt brauchen, ist eine gezielte Bejagung, um die Wolfsbestände kontrolliert kleinzuhalten, und zwar schadensunabhängig und unbürokratisch. Frau Ministerin Lemke, handeln Sie und lassen Sie die Menschen im ländlichen Raum nicht im Stich!
Die Einführung eines aktiven Bestandsmanagements ist im Rahmen des EU-Rechts schon heute möglich. Das Rechtsgutachten, das die FDP in Auftrag gegeben hat, kommt genau zu diesem Schluss. Hören Sie also auf, sich hinter angeblichen EU-rechtlichen Hürden zu verstecken. Wann nutzen Sie endlich die Spielräume, die das EU-Recht heute schon gibt? Wann stellen Sie sich endlich hinter die Menschen und hinter die Weidetierhalter im ländlichen Raum? Es muss ein für alle Mal Schluss sein mit der romantischen Verklärung des Wolfes, meine Damen und Herren.
Und zur Wahrheit gehört auch: Herdenschutz durch Zäune und Herdenschutzhunde, das funktioniert in vielen Bereichen nicht, vor allem nicht auf Deichen und auf Almen. Die Zäune schützen auch deshalb nicht, weil der Wolf sie in vielen Fällen einfach überwindet. Und es ist einfach nur zynisch, die Tierhalter auf Entschädigungen zu verweisen. Sie wollen keine Entschädigungen; sie wollen einfach nur ihre Tiere halten, meine Damen und Herren.
Für das Monitoringjahr 2022/2023 geht der Deutsche Bauernverband davon aus, dass 1 500 bis 2 700 Wölfe in Deutschland leben. Damit hat der Wolf auch keinen Anspruch mehr, eine streng geschützte Art zu sein.
Auch die EU-Kommission scheint am besonderen Schutzstatus des Wolfes zu zweifeln. Sie fordert jetzt auch auf, bis heute Daten und Fakten zum Wolfsbestand in den einzelnen Mitgliedstaaten nach Brüssel zu melden. Bundesumweltministerin Lemke kann sich auch hier nicht länger wegducken. Auch sie sollte die aktuellen Zahlen und Daten endlich nach Brüssel melden. Und sie muss sich dann auf EU-Ebene auch für die Herabsetzung des Schutzstatus des Wolfes einsetzen, meine Damen und Herren.
Also noch einmal zusammenfassend: Die Bundesregierung muss handeln. Die geplante Erleichterung des Abschusses von Problemwölfen reicht eben nicht. Wir fordern, dass die Wolfsbestände kontrolliert kleingehalten werden und der Schutzstatus des Wolfes auf EU- Ebene heruntergesetzt wird. Werden Sie endlich tätig! Das erwarten die Weidetierhalter. Lassen Sie sie nicht im Stich!
Danke schön.