Redeauszug des Bundestagsabgeordneten Alexander Dobrindt in der Regierungserklärung zum EU-Rat am 29.-30. Juni 2023 vom 22.6.2023:

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! 

Herr Bundeskanzler, Sie haben am Schluss Ihrer Rede den Kompromiss zum europäischen Asylsystem als eine historische Einigung bezeichnet. Diese Beurteilung überrascht erst mal deswegen, weil diese Einigung ja nicht wegen der Bundesrepublik Deutschland, sondern trotz der Bundesrepublik Deutschland zustande gekommen ist. Sie waren während der Verhandlungen in weiten Teilen isoliert, und es ist der Hartnäckigkeit unserer europäischen Partner zu verdanken, dass dieser Kompromiss überhaupt zustande gekommen ist.

Sie loben diesen Kompromiss heute hier. Ihre Bundesinnenministerin hat noch am Tag des Kompromisses gesagt, sie setze jetzt auf das Europäische Parlament, damit dieser Kompromiss aufgeweicht wird. Ja, was gilt denn jetzt? Historische Einigung oder Aufweichung im Parlament, Herr Bundeskanzler?

So schaffen Sie übrigens kein Vertrauen in Europa; Sie schaffen auch keine Sicherheit, sondern Sie schaffen Unsicherheit bei unseren europäischen Partnern. Dabei kann das Außengrenzverfahren ja ein wichtiger Bestandteil bei der Ordnung und Begrenzung der illegalen Migration sein, weil dann eben in Außeneinrichtungen Asylverfahren geprüft werden. Wer bestätigt wird, kann bleiben; wer keine Anerkennung bekommt, der wird von dort zurückgeführt – eine Forderung übrigens, die wir hier schon sehr, sehr lange vertreten. Aber ganz offensichtlich ist es nicht die Position Ihres Koalitionspartners von den Grünen.

Sie, sehr geehrte Grüne, haben am Wochenende beschlossen, dass die Mitgliedstaaten nicht zur Durchführung von Grenzverfahren verpflichtet werden dürfen. Sie haben beschlossen, dass dieser Kompromiss aufgeweicht werden soll; Frau Haßelmann hat es gerade hier auch noch mal bestätigt. Ja, was gilt denn jetzt, Herr Bundeskanzler? Historische Einigung oder Aufweichen und Aushöhlen dieses Kompromisses?

Sie schaffen damit keine Sicherheit in Europa; Sie verspielen das Vertrauen unserer europäischen Partner. Sie haben in Ihrer Rede von vorhin davon gesprochen, dass Verantwortung an der Außengrenze mit der Solidarität aller verbunden wird. Herr Bundeskanzler, wenn Sie dieses Ziel haben, dann handeln Sie auch danach. Deswegen fordere ich Sie auf: Fahren Sie zum Europäischen Rat, und schärfen Sie diesen Kompromiss nach! Weichen Sie ihn nicht auf!

Humanität und Ordnung bedeutet Steuerung und Begrenzung gleichermaßen

Sie haben über das Gesetz zur Fachkräfteeinwanderung gesprochen. Es steht morgen hier im Deutschen Bundestag auf der Tagesordnung. Sie wollen dabei das Aufenthaltsgesetz verändern. In § 1 des Aufenthaltsgesetzes steht aktuell wörtlich – erster Satz –: „Das Gesetz dient der Steuerung und Begrenzung …“ Herr Bundeskanzler, das Wort „Begrenzung“ wollen Sie aus dem Aufenthaltsgesetz streichen – morgen hier im Deutschen Bundestag! Was ist denn das für ein Signal an die Welt, an unsere Kolleginnen und Kollegen in Europa? Humanität und Ordnung bedeutet Steuerung und Begrenzung gleichermaßen und nicht das Streichen von Begrenzungen, meine Damen und Herren! Verstehen Sie das von der FDP?

AfD-Nähe zu Putin schadet unserem Land

Ich darf hier auch ein klares Wort an die Adresse der AfD richten: Es ist schon sehr interessant, dass Sie auf Ihrem Parteitag in Bayern beschlossen haben: keine Waffen an die Ukraine liefern, keine ukrainischen Soldaten in Deutschland ausbilden. Ja, was wäre denn das Ergebnis einer solchen Politik? Die Ukraine würde von Putin überrollt werden, und wir hätten nicht 1 Million ukrainische Flüchtlinge in Deutschland, sondern 10 Millionen; das wäre das Ergebnis Ihrer verrückten Politik! Nehmen Sie das zur Kenntnis. Das ist die Wahrheit über Ihre Blutsbrüderschaft mit Putin.

Sehr geehrter Herr Bundeskanzler, Sie haben in Ihrer Rede sehr viel über die Sicherheit in der Welt gesprochen. Ich hätte mir gewünscht, dass Sie auch ein paar Worte über die Sicherheit unserer Soldaten in Mali gefunden hätten. Letztes Wochenende hat die Regierung von Mali gefordert, dass die Bundeswehr dieses Land verlassen soll. Wir sind hier mit einer Militärregierung konfrontiert, die keinerlei Kooperationsbereitschaft mehr zeigt. Die Aufklärungsdrohnen dürfen nicht eingesetzt werden, Transportflüge werden behindert, eine Luftunterstützung unserer Truppe ist nicht mehr möglich. Herr Bundeskanzler, der Auftrag in Mali ist schlicht nicht mehr erfüllbar. Das Risiko ist zu groß. Beenden Sie diesen Einsatz, und holen Sie unsere Soldaten nach Hause, Herr Bundeskanzler, und zwar schnellstens!

Sie haben vorhin intensiv über die Nationale Sicherheitsstrategie gesprochen, die Sie vor einer Woche als Bundeskanzler mit vier Ministern vorgestellt haben. Es waren meiner Ansicht nach mehr Regierungsmitglieder auf dieser Pressekonferenz anwesend, als konkrete Punkte in dieser Strategie zu finden sind. Auf das Kernstück, den Nationalen Sicherheitsrat, konnten Sie sich schlichtweg nicht verständigen. Aber eine Nationale Sicherheitsstrategie braucht konsequenterweise auch einen Nationalen Sicherheitsrat. Sie konnten sich im parteipolitischen Gezanke darauf nicht verständigen, und deswegen haben Sie eine Chance verpasst, die Außen- und Sicherheitspolitik und die Entscheidungen der Außen- und Sicherheitspolitik in einem Nationalen Sicherheitsrat zukünftig zu koordinieren. Sie haben die Chance verpasst, einen Sicherheitsrat zu installieren, der in Krisenlagen die operative Steuerung übernehmen kann, der die strategische Vorausschau leistet. Herr Bundeskanzler, wer das beobachtet hat, der hat festgestellt: Hier ging Parteipolitik vor staatspolitischem Interesse; und das ist Ihre Verantwortung an dieser Stelle.

Klima statt China: eindeutig falsche Priorität

Sie haben heute in Ihren Passagen zur Sicherheitspolitik 16-mal das Wort „China“ erwähnt und 3-mal das Wort „Klima“. Möglicherweise wäre das auch die richtige Priorität, wenn es um Sicherheitsstrategie und Sicherheitspolitik ginge; aber in Ihrer Nationalen Sicherheitsstrategie steht nur 6-mal das Wort „China“ und 71-mal das Wort „Klima“. Das ist an dieser Stelle eindeutig die falsche Priorität.

Sie haben in der Tat heute hier zu wenig über die Frage der wirtschaftlichen Herausforderungen in Deutschland gesprochen. Deswegen beziehe ich mich auf das, was Sie beim Tag der Industrie geäußert haben. Da haben Sie vor wenigen Tagen gesagt, Deutschland sei besonders attraktiv für Investitionen aus dem Ausland. Das entspricht nicht der Realität. Die Sache ist international inzwischen leider eine ganz andere geworden. Diese Woche wurde eine Studie über die Wettbewerbsfähigkeit Deutschlands veröffentlicht. Da sind wir in diesem Jahr von Rang 15 auf Rang 22 abgerutscht. Bei der Bewertung dieses Abrutsches spielt auch die Effizienz der Bundesregierung eine besondere Rolle; vielleicht liegt es daran. Aber ich glaube, Sie geben nicht die richtigen Impulse für Investitionen in Deutschland. Aktuell werden Unternehmen aus Deutschland bis weit in den Mittelstand hinein gerade genötigt, ihre Investitionen aus Deutschland zu verlagern. Sie loben sich für eine Fachkräftestrategie, mit der Sie Menschen nach Deutschland holen wollen. Ich erwarte von Ihnen eine Strategie, wie Sie die Unternehmen in Deutschland halten können. Das wäre eine Maßnahme für Sozialpolitik in Deutschland!

Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
 

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