Nach Putins Wiederwahl hofft Alexander Dobrindt auf eine konstruktivere Haltung des Kreml. Deutschland müsse für eine Deeskalation bereit ein, so der CSU-Landesgruppenchef. Einen Boykott der Fußball-WM lehnt Dobrindt ab.

Alexander DobrindtAlexander Dobrindt                                                                                                                             © Henning Schacht

Wladimir Putin ist bis 2024 Präsident Russlands. Brauchen wir eine neue Russlandpolitik?

Das Wahlergebnis ist keine Überraschung. Die Wahlbeteiligung lässt aber, trotz der gemeldeten Unregelmäßigkeiten, auf einen tatsächlichen Rückhalt für Präsident Putinschließen. Spannend ist jetzt, ob und wie Putin seine Regierung umbildet. Kommen Reformer oder Hardliner? Man kann nur hoffen, dass wir nun, nach der Wahl und im Vorfeld der Fußball-WM, seitens Russlands eine konstruktivere Haltung erleben.

Falls sich ein „window of opportunity“ für eine Deeskalation öffnet, muss Deutschland bereit sein, so ein Fenster zu nutzen. Wir können jetzt nicht sechs Jahre auf Tauchstation gehen oder, schlimmer noch, auf totalen Konfrontationskurs. Kriegsrhetorik hilft hier auch nicht weiter.

Wir haben zu Russland bisher zwei Haltungen in der Regierung gesehen. Die eine, zuletzt formuliert durch Ex-Außenminister Sigmar Gabriel, lautet: Wir müssen mit Russland reden, wir dürfen uns nicht veraltetem Blockdenken hingeben. Die andere Haltung, formuliert durch seinen Nachfolger Heiko Maas, lautet: Russland testet die Geschlossenheit des Westens, dieser muss als Einheit auftreten. Auf welcher Seite findet sich die CSU wieder?

Wir brauchen eine differenzierte Strategie. Unrecht muss sanktioniert werden. Die Annexion der Krim ist nicht wegzudiskutieren und bleibt klar völkerrechtswidrig. Gleichzeitig müssen Gesprächskanäle offenbleiben. Deutschland muss als konstruktiver Wortführer vorangehen und Chancen nutzen, solche Kanäle zu öffnen und zu pflegen.

Ziel muss es sein, das Verhältnis zu Russland wieder verbessern zu können. Dazu braucht es eigene Stärke. Wir müssen zum Beispiel die materielle Ausstattung der Bundeswehr verbessern und unsere eigene kritische Infrastruktur wirkungsvoll schützen – dazu gehören natürlich auch die Grundpfeiler unserer Demokratie. Dennoch braucht es seitens Russlands überhaupt erst eine Bereitschaft für eine konstruktive Zusammenarbeit.

Die es derzeit nicht zu geben scheint – siehe den Chemiewaffenanschlag auf den Ex-Agenten Sergej Skripal, die Präsentation neuer nuklearer Mittelstreckenwaffen entgegen dem INF-Vertrag von 1987 oder die Cyberattacken auf deutsche Institutionen. Mit welchen Zielen kann man Gespräche mit Russland führen?

Richtig ist, dass Russland unsere Bereitschaft zur Zusammenarbeit auf eine harte Probe stellt. Was die Skripal-Affäre angeht, so gilt ganz klar, dass Großbritannien unsere volle Unterstützung hat. Beide Seiten sind aber gut beraten, die Eskalationsschraube nicht zu überdrehen.

Mit welchem konkreten Ziel? Im Juni 2016 postete die CSU auf Facebook: „Die Sanktionen gegen Russland müssen endlich abgebaut werden. Sie schaden nicht nur der russischen, sondern auch der deutschen und der bayerischen Wirtschaft. Blockdenken ist nicht mehr zeitgemäß.“ Ist das eine zeitgemäße Position?

Ob Wirtschaftssanktionen im gedachten Maße überhaupt wirkungsvoll sind, bleibt umstritten. Deshalb werbe ich für eine differenzierte Haltung. Wir müssen Entschlossenheit auch mittels gezielter Sanktionen zeigen. Andererseits darf es aber nicht zu einem Ende der Zusammenarbeit mit Russland kommen.

Könnten weitere Aktionen wie der Anschlag auf Skripal das Projekt Nord Stream 2 gefährden, die neue Pipeline, die Gas direkt von Russland nach Deutschland transportiert?

Der finale Beweis für die Urheberschaft dieses schrecklichen Angriffs steht noch aus, auch wenn die Indizien eine klare Sprache sprechen. Es wäre wünschenswert, wenn von russischer Seite volle Kooperation zur Aufklärung angeboten würde. Bisher kann man diese Kooperation nicht erkennen. Das führt zu einer weiteren Verschärfung der Lage.

Brauchen wir deshalb ein deutliches Zeichen des Westens – zum Beispiel den Boykott der Fußball-WM?

Ein Boykott der Fußballweltmeisterschaft würde dem Ansinnen, auch in schwierigen Lagen Gesprächskanäle offenzulassen, sehr entgegenwirken. Meine Hoffnung liegt eher darauf, dass die russische Seite gerade im Rahmen einer Fußball-WM um die Wirkung und Sichtbarkeit ihres Handelns weiß und sich konstruktiver verhält.

Alexander Dobrindt im Interview mit der WELT am 19.03.2018

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