Die Mehrheit in Deutschland will eine bürgerlich-konservative Politik, die den global-digitalen Wandel mit Augenmaß gestaltet und Sicherheit bietet, schreibt der Vorsitzende der CSU im Bundestag, Alexander Dobrindt, in seinem Gastkommentar für die WELT. Die Volkspartei der Zukunft ist deshalb bürgerlich-konservativ. Eine breite bürgerliche Debatte darüber war längst überfällig.

von Alexander Dobrindt

Die intensive öffentliche Auseinandersetzung der vergangenen Wochen über die Rückkehr des Konservativen hat einmal mehr gezeigt: Eine breite bürgerliche Debatte war längst überfällig und muss dringend geführt werden. Denn auch 50 Jahre nach 1968 haben die Nachlassverwalter linker Ideologien in ihren Abwehrreaktionen nichts an Reflex eingebüßt. Kaum löst sich eine Diskussion vom linken Meinungsmainstream und gewinnt durch eine bürgerliche Position an Vielfalt, reitet die ideologische Kavallerie aus, um den unerwünschten Beitrag zu diskreditieren. Besser als mit dem Verlauf der aktuellen Debatte hätte man die These einer Diskrepanz zwischen konstruierten Realitäten linker Mainstreameliten und dem alltäglichen Empfinden einer bürgerlichen Mehrheit nicht belegen können.

Diese Diskrepanz aufzulösen, ist ein demokratischer Auftrag. Dabei geht es darum, wieder eine Annäherung herzustellen zwischen den Debatten der Eliten und dem Alltag der Menschen, zwischen dem, was die Mehrheit lebt und dem, was mehrheitlich diskutiert wird. Nur so überwinden wir in unserem Land Tendenzen der Spaltung und schaffen wieder mehr Zusammenhalt in unserer Gesellschaft.

Das politisch umzusetzen, verstehe ich als Aufgabe von CSU und CDU. Die schon in gebückter Haltung, halb entschuldigend geführte vermeintliche Richtungsdebatte zwischen konservativ und christlich führt dabei in die Irre. Das Konservative und das Christliche sind keine Gegensätze, sondern bilden eine unauflösbare Einheit, denn das Christliche ist für das Konservative geradezu konstitutiv. Konservative stellen den Einzelnen und die Familie ins Zentrum, setzen auf Freiheit durch Sicherheit, Heimat durch Bewahrung der Schöpfung und kulturelle Stabilität, Gerechtigkeit durch Eigenverantwortung, Chancen und Solidarität, auf ein klares Bekenntnis zu Fortschritt, Wachstum und Modernität in Verpflichtung auf das Gemeinwohl. Das Konservative beschreibt sich aus seinem christlichen Wurzelgeflecht.

Das ist Teil des Werteprogramms einer bürgerlich-konservativen Politik, das von den Menschen in unserem Land mehrheitlich eingefordert und unterstützt wird. Die linke Geschichte der 68er ist zu Ende erzählt und hat sich überholt. Was wir derzeit erleben, ist eine konservative Revolution der Bürger – gewachsen in der Mitte unserer Gemeinschaft, mit einer Besinnung auf Tradition und Werte. Das Treibhaus dieser Entwicklung sind Globalisierung und Digitalisierung, denn in einer sich immer schneller wandelnden Welt sehnen sich die Menschen stärker nach festem Halt – nach Heimat, Sicherheit und Freiheit.

Die Menschen fordern von der Politik zurecht, dass sie diese Bedürfnisse aufgreift und ihr Handeln konsequent daran orientiert. Die Mehrheit in unserem Land will keine linken Volkserzieher, die sie bevormundet. Keine Reaktionäre, die alles rückabwickeln wollen. Keine Nationalisten, die uns abschotten wollen. Keine Innovationsfeinde, die jede Neuerung ablehnen. Die Mehrheit in Deutschland will eine bürgerlich-konservative Politik, die den global-digitalen Wandel mit Augenmaß gestaltet und Sicherheit bietet. Die Volkspartei der Zukunft ist deshalb bürgerlich-konservativ – und um diese Volkspartei weiter zu sein, braucht die Union keinen Rechtsruck, sondern eine klare Ausrichtung an ihrem Markenkern als natürlicher politischer Heimat der Mitte-Rechts unserer Gesellschaft.

Hier finden Sie den Gastkommentar in der WELT.

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